Rechte Vorfälle an Brandenburgs Schulen: Mehr Haltung gefordert
Rechtsextreme Musik im Unterricht, Hakenkreuze auf Schulbänken. Das wollen Lehrkräfte und Schüler*innen nicht mehr ertragen und demonstrieren.
Ende April hatten die beiden Lehrkräfte mit einem anonymen Brief über das steigende Aufkommen rechtsextremer Haltungen an ihrer Schule in Burg im Spreewald die Öffentlichkeit alarmiert: Demokratiefeindliche Parolen und Hitlergruß auf dem Schulflur, rechtsextreme Musik im Unterricht und Hakenkreuze auf Schulbänken gehörten zum Alltag.
Die wenigen Lehrer*innen und Schüler*innen, die sich dagegen positionierten, würden bedroht und ausgegrenzt. Die Schulleitung habe die Vorfälle verharmlost oder gar ignoriert.
Erst nachdem der RBB über den Brandbrief berichtet hatte, habe die Schulleiterin einen Fall zur Anzeige gebracht, bei dem ein Schüler vor versammelter Klasse „Arbeit macht frei“ gerufen haben soll. Am Dienstag traten Teske und Nickel erstmals mit Name und Gesicht auf, nachdem das Bildungsministerium öffentlich versichert hatte, dass ihnen keine dienstrechtlichen Konsequenzen drohten.
„Wer vor Fällen mit Extremismus an Schulen nicht die Augen verschließt, handelt im Sinne von Demokratie und Toleranz“, so das Ministerium.
„Gesichert rechtsextreme“ AfD-Jugend
Inzwischen sind ähnliche Vorfälle an Schulen in Ostdeutschland an die Öffentlichkeit gedrungen: Eine Klasse aus Berlin-Kreuzberg musste unter Polizeischutz aus einem Ferienlager im brandenburgischen Heidesee abreisen, nachdem ortsansässige Jugendliche sie rassistisch beleidigt und bedroht hatten.
An der Allende-Oberschule im sächsischen Bautzen wird die Personalie Paul Neumann überprüft. Neumann sitzt für die AfD in Stadtrat und Kreistag und engagiert sich bei der Jungen Alternative, die kürzlich vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurde – und leitet ein Ganztagsangebot an der Schule.
Auf die bundesweite Berichterstattung folgten Reaktionen nach bekanntem Muster. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung (SPD) gibt sich erschrocken und warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) fordert eine schnelle Aufarbeitung, die AfD übt sich in Täter-Opfer-Umkehr und Wirtschaftsvertreter*innen sorgen sich um das Image der Region.
Am Rande eines Termins vor wenigen Tagen in Eisenhüttenstadt hatte Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) dann noch „Versäumnisse der Schulsozialarbeit“ im Fall Burg angeprangert. Dabei hatten die Lehrkräfte im Rahmen ihres anonymen Hilferufs darauf hingewiesen, dass die Schule nur eine Sozialarbeiterin habe, die das Problem allein nicht stemmen könne.
Stübgen stellte auf Nachfrage von Reporter*innen der BZ die Frage in den Raum, ob es rechtsextreme Vorfälle an vielen Lausitzer Schulen gebe, und betonte, er hoffe auf einen Einzelfall.
„Das ist frech“
„Mit Verlaub, Herr Minister, das ist frech“, kommentiert eine Rednerin auf der Demonstration am 9. Mai Stübgens Aussagen. Die jüngsten Vorkommnisse seien weder Einzelfälle noch ein jugendspezifisches Phänomen, sondern spiegelten ein gesamtgesellschaftliches Problem wider. Studien wie zuletzt die Leipziger Autoritarismus-Studie 2022 belegen die Thesen der Demonstrierenden.
Zur Demo sind rund 150 Menschen gekommen, darunter viele Jugendliche, Eltern mit Kleinkindern, aber auch ältere Menschen. Das Ehepaar Sonja und Frithjof Newiak aus Cottbus beispielsweise, beide 71 Jahre alt und Mitglieder der Linkspartei. Sonja Newiak realisiert über einen ehrenamtlichen Buchclub regelmäßig Projekte an Schulen. „Es braucht mehr als Lippenbekenntnisse aus der Politik“, fordert sie. Rassismus sei nicht nur ein Problem an Schulen.
Die meisten der Forderungen richtet das Bündnis direkt an das Schulamt, appelliert aber auch an das übergeordnete Bildungsministerium und die Schulleitungen. Es brauche mehr Sozialarbeiter*innen an den Schulen und eine bessere Schulung der Lehrkräfte zu Rechtsextremismus, Rassismus, Sexismus und Homophobie. Schulen dürften keine Orte der Angst sein, das könne nur gelingen, wenn das Personal adäquat auf Diskriminierungsvorfälle reagieren könne.
Zudem werden demokratische Leitbilder, Schutzkonzepte und eine verlässliche Kooperation mit der Polizei gefordert. Wichtig finden Max Teske und Laura Nickel, dass Lehrkräfte, Schulleitungen und Behörden eine klare Haltung gegen rechtsextreme Stimmen entwickeln. Nur so könnten Vorfälle ernst genommen und pädagogisch aufgearbeitet werden.
Der am Mittwoch vereidigte neue Bildungsminister Brandenburgs, Steffen Freiberg (SPD), steht vor großen Aufgaben. Ein Mitglied der afrodeutschen Gruppe Cottbus bringt das Niedersorbische Gymnasium in Cottbus als positives Beispiel an. Nach zwei „massiven rassistischen Vorfällen“ habe der neue Direktor sofort ein Gespräch zwischen Lehrer*innen, Eltern und betroffenen Schüler*innen initiiert.
Zunächst auf taube Ohren gestoßen
Während die verantwortlichen Politiker*innen sich entsetzt und überrascht geben, wirken die Demonstrierenden in Cottbus wütend und zugleich erleichtert, dass die Problematik, mit der sie seit Jahren leben, endlich eine Bühne bekommt. Sie scheinen entschlossen, etwas zu ändern.
„Wir reichen Ihnen die Hand“, sagen sie in Richtung Schulamt. Uwe Mader, Leiter des Cottbusser Schulamts, reicht ihnen zum Schluss tatsächlich die Hand und nimmt ein Dokument mit den Forderungen symbolisch entgegen. Er hat knapp anderthalb Stunden den Redebeiträgen gelauscht, an vielen Stellen applaudiert.
„Wir nehmen Ihre Bedenken und geschilderten Probleme sehr ernst und werden Sie unterstützen.“ Mader würdigt auch den Mut von Max Teske und Laura Nickel, die sich erst an Medien gewendet hatten, nachdem sie in Teilen ihres Kollegiums und bei der Schulleitung auf taube Ohren gestoßen waren.
Dass Personen, die sich gegen rechts positionieren, unter Beobachtung von eben jener Seite stehen, zeigt sich auch am Dienstag in Cottbus: Während der Kundgebung taucht der Cottbusser AfD-Chef Jean-Pascal Hohm mit einem Begleiter auf und macht von der Bahnhofsbrücke aus Fotos von der Menge. „Damit war zu rechnen, dass die aufkreuzen“, raunt eine Demoteilnehmerin ihrem Begleiter zu.
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