Rechte Verlage bei der Buchmesse: Wegnehmen statt hinzufügen
Kultureinrichtungen bemühen sich um mehr Diversität. Dabei ist weniger manchmal hilfreicher als mehr.
K ultureinrichtungen und Verlage arbeiten auf verschiedenen Ebenen an mehr Diversität. Das müssen sie. Auch weil das Publikum sich verändert hat: Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen, die Rassismus oder Antisemitismus ausgesetzt sind, wollen ihre Lebensrealität in den Geschichten wiederfinden, die auf der Bühne, in Filmen und Romanen erzählt werden. Wer in Zukunft noch Tickets oder Bücher verkaufen will, wird sich dem anpassen müssen.
Es ist einfacher, für etwas zu sein als dagegen. Oft schon aus Marketinggründen. „Für Diversität“, das behauptet erst mal nur, mehr Menschen einzuladen und einzuschließen. Es heißt: „Auch du darfst dazukommen.“ „Unsere Produkte und die Tickets für unser Programm kannst auch du dir kaufen.“ Mehr Vielfalt heißt hier eben auch: viel mehr potenzielle Kundschaft.
Sich gegen etwas positionieren? Das ist komplizierter. Denn es ist einfacher und harmloser, sagen zu können: „Wir sind für alle! Wir sind nicht gegen euch. Wir sind nur einfach auch für die Anderen!“ Sich offen gegen bestimmte Haltungen zu stellen, das würde bedeuten: in die Konfrontation zu gehen. Darum werden weiter Diversitätskonzepte entwickelt, Social-Media-Posts zu jüdischen und muslimischen Feiertagen rausgehauen, Fotos von PoC möglichst präsent auf die Homepage gepackt und „Wir sind viele“-Banner über den Eingang gehängt. Regelmäßig werden neue Maßnahmen erfunden, um beispielsweise PoC zu inkludieren oder wenigstens anzusprechen.
Unbequemer Antifaschismus
Kürzlich stieß ich auf den US-Wissenschaftler Leidy Klotz. Seine Forschung zeigt, dass Menschen, wenn sie etwas verbessern wollen, dazu neigen, etwas hinzuzufügen, statt etwas wegzunehmen. Dabei führt uns das Weglassen manchmal eher zum Ziel. Es kann effektiver sein, Don’t-Dos zu finden als To-Dos. Die Autorin Jasmina Kuhnke boykottierte die Frankfurter Buchmesse 2021, weil dort auch rechte Verlage ausstellen. Weitere Autor*innen schlossen sich dem Protest an. Kuhnke hätte sich auf der Messe nicht sicher bewegen oder gar entspannt ihre Arbeit machen können. In diesem Jahr hat die Buchmesse ein Awareness-Team aus Antidiskriminierungsberater*innen aufgestellt und einen Code of Conduct „für ein wertvolles und respektvolles Miteinander“ veröffentlicht.
Der Versuch, rechten Verlagen die Plattform zu entziehen, wird nicht unternommen, denn man fürchtet den Rechtsstreit. Doch auch gerichtliche Auseinandersetzungen müssen geführt werden. Wer möchte, dass Schwarze, PoC oder jüdische Menschen Teil einer Veranstaltung sind, der muss sich keine Diversitäts- und Awareness-Programme ausdenken, sondern dafür Sorge tragen, dass für Rassismus und Antisemitismus kein Platz ist.
Unbequemer Antifaschismus ist wirkungsvoller als eine freundliche Diversitätspolitik. Das Beste, was wir „für mehr Diversität“ tun können, ist, etwas wegzunehmen. Nämlich diejenigen, die ausgrenzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren