Rechte Umtriebe im Netz: Polizei will sensibler sein
Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers räumt Fehler im Umgang mit BerlinerInnen ein, die auf einer rechtsextremen Website bedroht wurden
Polizeivizepräsidentin Margarete Koppers hat Fehler im Umgang mit Bedrohten von Neonazi-Gewalt eingeräumt. Die Polizei hatte Anfang Januar Personen angeschrieben, die auf "Feindeslisten" einer rechtsextremen Berliner Website stehen, aber von keiner konkreten Gefahr gesprochen. "Das Anschreiben war nicht sensibel genug", sagte Koppers am Montag im Innenausschuss. Der Brief sei "etwas nüchtern" geraten. Betroffene hätten den Eindruck gewonnen, ihre Ängste würden nicht ernst genommen, so Koppers. "Das ist aber nicht der Fall." Ihre Behörde hätte genauer erklären müssen, was zu der Einschätzung führte.
Auf der Liste des "Nationalen Widerstands" werden seit 2005 die Namen von rund 200 vermeintlichen Neonazi-Gegnern geführt, teils mit Fotos und Adressen. 13 von ihnen wurden nach Auskunft der Innenverwaltung bereits Opfer von Gewalttaten. Laut Koppers wurden nur mit Personen, bei denen auch die Adresse genannt war, persönliche Sicherheitsgespräche geführt.
Hakan Tas (Linke) beschwerte sich, dass selbst für seine Parteikollegin Halina Wawzyniak eine Gefahr verneint wurde - "nur Tage nachdem die Scheiben ihres Büros eingeschlagen wurden". Benedikt Lux (Grüne) warf Rot-Schwarz vor, "nicht eine wirksame Maßnahme" gegen die rechte Website zu liefern. Tom Schreiber (SPD) konterte, die Grünen würden "Ängste schüren".
Bernd Krömer, Staatssekretär von Innensenator Frank Henkel (CDU), sagte, die Server der Seite lägen in den USA und Panama. Dort liefen Rechtshilfeersuchen wegen der weiten Auslegung der Meinungsfreiheit "grundsätzlich ins Leere". Deshalb habe man ein Ersuchen erst gar nicht gestellt. Man werde aber Kontakte des im Dezember neu eröffneten Abwehrzentrums Rechtsextremismus nutzen, um nach den Betreibern zu suchen. Nach taz-Informationen ist auch möglich, dass der Server in Schweden steht. Bei Domain-Abfragen wird eine Adresse in Stockholm genannt. Krömer sagte, ihm sei kein Betrieb aus Europa bekannt.
Für Grüne und Linke liegt dagegen ein Mitbetreiber der Seite nahe: Sebastian Schmidtke, seit Samstag neuer Berliner NPD-Chef. Tas zeigte Aufkleber, auf denen sich der 26-Jährige als Ansprechpartner des NW Berlin ausgibt. Lux legte nahe, dass Ermittler bereits eine Hausdurchsuchung bei Schmidtke planten - aber von der Staatsanwaltschaft zurückgepfiffen wurden. Koppers sagte nur, dass es bisher keine Grundlage für eine Durchsuchung gegeben habe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin