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Rechte Ausschreitungen in HeidenauWieder Gewalt vor Flüchtlingsheim

Die zweite Nacht in Folge fliegen Bierflaschen und Böller auf Polizisten. Weitere 120 Flüchtlinge wurden am Samstag in der Notunterkunft einquartiert.

Heidenau, Sachsen, August 2015. Foto: reuters

Heidenau dpa | Erneut ist es vor dem Notquartier für Flüchtlinge in Heidenau bei Dresden zu Krawallen gekommen. Rechte Demonstranten warfen am späten Samstagabend Bierflaschen und Böller auf Polizisten. „Es waren ähnliche Szenen wie in der Nacht zuvor“, sagte ein Sprecher der Polizei am Sonntagmorgen. Die Polizei ging mit Schutzschilden gegen die teils betrunkenen Krawallmacher vor und räumte die Straße.

Die Flüchtlinge haben in einem ehemaligen Baumarkt ein notdürftiges Obdach gefunden. „Wir hoffen, dass sie noch eine ruhige Nacht gehabt haben“, fügte der Sprecher hinzu. Ob es Verletzte oder Festnahmen gab, konnte er nicht sagen. Zahlen und nähere Details zu dem Polizeieinsatz gebe es wahrscheinlich im Lauf des Sonntags.

In den Abendstunden standen sich rechte und linke Demonstranten in Heidenau gegenüber. Die Lager waren durch eine Straße voneinander getrennt. Die Atmosphäre in der kleinen Stadt südöstlich von Dresden sei angespannt gewesen, heiß es. Es blieb aber bei lautstarken Pöbeleien, Provokationen und Beleidigungen.

Bis zum Abend trafen etwa 120 neue Flüchtlinge in der Notunterkunft ein. Die vier Busse fuhren ungehindert vor das triste Gebäude. In der Nacht zuvor hatten Hunderte Menschen die Zufahrt blockiert. Sie bepöbelten die hilfesuchenden Menschen, warfen Müll auf die Straße und gingen mit Flaschen und Feuerwerkskörpern auf die Polizei los.

Bürgermeister fordert Solidarität mit Flüchtlingen

Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) verurteilt die ausländerfeindlichen Randale und die Angriffe auf Polizisten und fordert die Einwohner zur Solidarität mit Flüchtlingen auf. „Menschlichkeit ist gefragt, kein materielles Opfer“, sagte er am Sonntag. Sachsen könne da noch viel leisten und Heidenau werde mitmachen.

Opitz berichtete davon, dass er in sozialen Netzwerken zwar angefeindet werde, aber auch sehr viel Unterstützung von Bürgern erhalte. „Ich gehe fest davon aus, dass die große Mehrheit der Heidenauer sich für Flüchtlinge engagieren wird.“ In der kommenden Woche werde man über konkrete Schritte beraten.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die Krawalle der Rechtsradikalen verurteilt. „Alle Asylbewerber und Flüchtlinge, ganz gleich ob sie später bleiben werden, haben das Recht auf eine anständige Unterbringung und Aufnahme, auf ein faires Verfahren“, sagte der CDU-Politiker im ZDF. „Wer Behörden daran hindert, das zu tun, der verlässt den Konsens der Demokraten. Das dürfen wir nicht hinnehmen.“

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9 Kommentare

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  • 9G
    9076 (Profil gelöscht)

    Wir sind ein verdammt reiches Land. Wir haben Milliarden in die Bankenrettung gesteckt, da werden wir doch noch mit ein paar Flüchtlingen aufnehmen und durchfüttern können.

    Selten sieht man Proteste vor deutschen Rüstungsfirmen. Schade! Und warum eigentlich nicht?

    Wir sollten nicht jedes Regime hochrüsten das sich später als "Schurkenstaat" entpuppt.

  • Brauche ich eigentlich eine neue Brille?

    Sonst lese ich bei Demos immer – das man aus dem ganzen Land die Hundertschaften ankarrt und das dann die Polizei massivst Pfefferspray und Knüppel einsetzt und von Einkesselung und Festsetzung sowie Verbringung zur Wache zwecks Erkennungsdienstlicher Behandlung!

     

    Ohne weitere Worte meinerseits.

    • @dafürdagegen:

      ganz richtig - ich erinnere mich mit freudigem Grausen beispielsweise an die Castor-Blockade 2010 in Gorleben. War das ein Aufstand, die Busse, die die grünen Staatsverteidiger herangefahren haben, waren mehr als die Demonstranten - zumindest gefühlt. Binnen kurzer Zeit hatten sie einen riesigen Kessel um die vollkommen friedlichen Demonstranten gebildet (NICHT die auf den Schienen, sondern die auf dem großen Fest- und Kundgebungsplatz, da waren die liebe grüne Claudi, Trittin und Özdemir z.B. mittendrin) und ohne dass es zu irgendeiner Ausschreitung seitens der Demonstranten kam, wurde da von den Polizisten geschubst und eingeschüchtert was das Zeug hielt. Es ist ein RechtsStaat. Und es wird kein besserer mehr werden, auch wenn jetzt alle langsam begreifen, dass sie zu lange auf dem entsprechenden Auge blind waren. Welcome back to the 90ies.

  • wär doch mal schön, wenn die Herren Minister mal selbst vor ort wären oder?

  • 25 Jahre nach der ostdeutschen System-, Fahnen-, Farben-, Konsum- und Wirtschaftsflucht:

     

    Die ostdeutschen Wirtschaftsflüchtlinge von 1990, präsentieren heute in ihren Reihen ein gewaltiges fremdenfeindliches, rassistisches und kapitalfaschistisches Potenzial, mit ungezügelter Aggression gegen Kriegsflüchtlinge, Vertreibungsopfern und Armutsflüchtlingen.

     

    Der Antifaschismus und Humanismus wurde über Bord geworfen!

    • @Reinhold Schramm:

      ja, war denn die ddr, bzw. die menschen damals nach dem krieg in ihrer gesamtheit in geist und herz plötzlich antifaschisten, gar humanisten?

       

      in meiner ddr-kindheit in den 50ern tönte es in meiner familie: aus dir haben sie vergessen, seife zu machen! oder lampenschirme! vom "itzig" war die rede und vom "iwan". dreissig kilometer luftlinie von buchenwald entfernt...

      • @Gion :

        Den wenigen Antifaschisten, Christen und Kommunisten ist es nach 1945 nicht gelungen, die kapitalfaschistische Bewusstseinslage (von vor 1945) in Deutschland zu überwinden.

         

        Die kapitalfaschistische Herrschaftsideologie wurde von der Administration der deutschen Bourgeoisie nach 1945 modifiziert und in Verbindung mit der Konsum- ökonomischen Entwicklung in Westdeutschland, über alle Grenzen hinaus, erfolgreich exportiert.

         

        Für den Anschluss ans Wirtschafts- und Konsumparadies wurde die internationale Solidarität, -- einer Minderheit, von der Mehrheit über Bord geworfen.

         

        Zugleich handelte es sich 1990, um eine flächendeckende, kollektive, ideologische Fahnenflucht und um einen kollektiven (historischen) Meineid, der großen Mehrheit der Erwachsenenbevölkerung, -- in allen staatlichen und gesellschaftlichen Organen (= ohne Ausnahmen), der historischen antifaschistischen und antiimperialistischen Deutschen Demokratischen Republik.

         

        Es war eine Entscheidung der Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung, eine freiwillige Entscheidung, für die Unterwerfung unter die Herrschaft des westdeutschen Finanz- und Monopolkapitals! --- Und zugleich eine Entscheidung gegen soziale Emanzipation und Selbstachtung, gegen Antifaschismus und gegen Antiimperialismus. Es war die Selbstaufgabe der ostdeutschen Arbeiterklasse (AK), deren freiwillige Unterwerfung unter die ökonomische und politische Diktatur des Kapitals, unter die 'Quandtsche und 'Springersche Finanz- und Monopolbourgeoisie Westdeutschlands!

      • @Gion :

        ... einige jahre später, um 68, kam ich nach dortmund, ins rote ruhrgebiet, als student lief ich mit denen, die die welt noch röter machen wollten. wir studierten im stadtteil dorstfeld, dort wo heute die "nationalen" residieren.

         

        tief im westen.

    • @Reinhold Schramm:

      Lieber Herr Schramm, was Sie da schreiben ist wenig hilfreich. Die Fremdenfeindlichkeit in diesem Lande beschränkt sich gewiss nicht nur auf Ostdeutschland. Mit Ihren Aussagen grenzen Sie genauso aus und spalten.

      Das ist sinnlos.