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Recherche zu Coronahilfen für BücherKeine Zensur in der Kulturförderung

Gastkommentar von Olaf Zimmermann

Ausgerechnet ein öffentlich-rechtlicher Sender fordert eine staatliche Prüfung von Kulturinhalten, die Nothilfe vom Bund bekommen.

Protest der Kulturbranche in Coronazeiten, am 28.10.2020 in berlin Foto: Müller-Stauffenberg/imago

W as reitet Deutschlandfunk Kultur, nun schon zum zweiten Mal das 2-Milliarden-Euro-Bundes-Notprogramm „Neustart Kultur“ für den Kulturbereich in der Coronakrise zu skandalisieren? Erst vor einem halben Jahr kritisierte der Sender, dass auch Galerien eine Förderung in der Krise erhielten, die sie gar nicht gebraucht hätten, und forderte allen Ernstes mehr Bürokratie bei der Kulturförderung. Um jetzt zu behaupten, mit den Corona-Fördermitteln für den Literaturbereich seien Rechtsextremisten unterstützt worden. In beiden Fällen bleibt der Sender eine schlüssige Beweisführung schuldig.

Die Überschrift der aktuellen Recherche „Corona-Fördermittel für rechtsextreme Buchprojekte“ legt nahe, dass ein erheblicher Teil der Fördermittel für rechtsextreme Inhalte vergeben wurde. Rechnet man nach, schrumpft die Größenordnung dieses vermeintlichen Skandals schnell: Der Sender nennt vier Fälle nach seiner Ansicht problematischer Förderungen mit insgesamt knapp 24.000 Euro. Das sind 0,34 Prozent der Gesamtfördersumme von 6,8 Millionen Euro für 955 Buchprojekte. Jeder Fall ist, wenn sich der Rechtsextremismus belegen lässt, eindeutig ein Fall zu viel.

Der Sender glaubt allen Ernstes, wenn nicht Kulturverbände wie der Börsenverein des Deutschen Buchhandels die Mittel an die Verlage verteilt hätten, hätte der Staat eine inhaltliche Prüfung aller mit Fördermitteln ermöglichten Bücher streng durchführen können. Nun mussten alle Verlage, die eine Förderung erhalten haben, natürlich schriftlich bestätigen, mit der Förderung keine jugendgefährdenden, gewaltverherrlichenden, verfassungsfeindlichen oder strafbaren Inhalte zu veröffentlichen. Eine weitergehende Prüfung war in dem Programm nicht vorgesehen. Und will Deutschlandfunk Kultur wirklich, dass der Staat künftig eine weitergehende Prüfung durchführt?

Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates.

Eine Zensur findet nicht statt, das ist die eindeutige Maßgabe des Grundgesetzes. Erstaunlich, dass man einen öffentlich-rechtlichen Sender an diese Selbstverständlichkeit erinnern muss.

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1 Kommentar

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  • So kann man es nämlich auch sehen.....richtig ist natürlich, dass die Gelder zurückgefordert werden, wenn die Inhalte - entgegen der Erklärung - verfassungsfeindlich sind. Natürlich kann der Staat so etwas dann nicht fördern. Das stellt man aber erst fest, wenn das Buch fertig ist.