piwik no script img

Rechentricks beim neuen DüngegesetzWie man Gülle im Nichts auflöst

CSU-Agrarminister Christian Schmidt wolle die Reform entschärfen, warnt Niedersachsens Ressortchef. Der Grüne droht, das Projekt scheitern zu lassen.

Ein bisschen Gülle hier und da verschwindet aus den Berechnungen Foto: dpa

Berlin taz | Für Christian Meyer ist das ein „Gülle-Gate“: Der Bund, so Niedersachsens grüner Agrarminister, wolle mit einer neuen Verordnung großen Schweine- und Geflügelmast-Betrieben erlauben, die Umwelt noch stärker als bislang mit Stickstoffverbindungen aus den Ausscheidungen ihrer Tiere zu belasten. Wenn Bundesminister Christian Schmidt (CSU) damit durchkomme, „wäre das fatal fürs Wasser“, sagte Meyer der taz. „Deshalb werden die Länder mit Regierungsbeteiligung der Grünen die neue Stoffstrom­bilanzverordnung bei der Abstimmung am 22. September im Bundesrat stoppen, falls Schmidt nicht nachgibt.“

2015 beispielsweise brachten die deutschen Bauern laut Bundeslandwirtschaftsministerium im Schnitt pro Hektar rund 100 Kilogramm Stickstoff mehr aus, als die Pflanzen aufnehmen konnten. Der Überschuss gelangt zum Beispiel ins Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. Ist die Konzentration der Stickstoffverbindung Nitrat zu hoch, kann das der Gesundheit schaden. Zu viel Nitrat in Flüssen, Seen und Meeren trägt zudem dazu bei, dass Pflanzen- und Tierarten aussterben. Die EU-Kommission hat Deutschland bereits verklagt, weil es zu wenig gegen die Nitratbelastung tue. Das könnte hohe Strafzahlungen zur Folge haben.

Deswegen haben Bund und Länder ein neues Düngegesetz verabschiedet, das von bis zu 28.000 Bauern ab 1. Januar 2018 eine Stoffstrombilanz verlangt. Darin müssen sie auflisten, wie viel Stickstoffüberschüsse sie produzieren. Später soll es dann Bußgelder geben, wenn zu viel in die Umwelt entweicht.

Die Grünen stören sich aber an den Details der Berechnung, die die Stoffstrombilanzverordnung von Bundesminister Schmidt festlegen soll. „Schmidt rechnet große Ställe mit mehr als 2.000 Mastschweinen oder 40.000 Hühnern schön. Teilweise haben große Schweineställe auf dem Papier dann weniger Emissionen als nach den alten Nährstoffbilanzen“, kritisierte Minister Meyer. Die Folge: „Einzelne große Ställe werden mehr düngen können als bisher.“ Weide-, Freiland- und die Biohaltung benachteilige Schmidt hingegen.

Der Bundeslandwirtschaftsminister will den Bauern erlauben, von ihren Stickstoffmengen hohe Beträge in der Bilanz abzuziehen – für „unvermeidbare Verluste“ beispielsweise bei der Lagerung oder beim Ernten von Futter hohe Beträge in der Bilanz abzuziehen. „Nach seinem Programm verschwinden 10 bis 15 Prozent der Gülle in einem nicht zu berechnenden Nirwana“, sagt Meyer.

Auch der Kieler Agrarprofessor Friedhelm Taube, der im Kompetenzteam der CDU Schleswig-Holstein vor der letzten Landtagswahl war, bezeichnete die anrechenbaren Verluste im Gespräch mit der taz als „wissenschaftlichen Nonsens“.

Meyer fordert daher, die Regeln über abziehbare Stickstoffverluste zu streichen. Statt der bisher laut Entwurf möglichen 300 Kilogramm Stickstoffüberschuss pro Jahr und Hektar sollten nur noch etwa 175 erlaubt sein. „Wir wollen auch, dass alle Biogasanlagen erfasst werden.“

Die Bundesratsausschüsse für Umwelt und Landwirtschaft haben Meyers Änderungsvorschlägen schon zugestimmt. Schmidt hat daraufhin nun sogar die Ministerpräsidenten um Unterstützung gebeten. In einer E-Mail, die der taz vorliegt, argumentiert er, die Änderungsvorschläge der Bundesratsausschüsse würden dem Düngegesetz widersprechen und seien deshalb ein „rechtliches Verkündungshindernis“. Und Schmidt droht: Wenn die Verordnung nicht in Kraft treten sollte, könnten die Landwirte die Bilanzen nach unterschiedlichen Methoden erstellen, sodass sie nicht vergleichbar wären.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • 7G
    73176 (Profil gelöscht)

    Verpflichtende Bodenprobe. Wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden = Kürzung der Subventionen.

  • Da sieht man mal wieder ganz deutlich: Ökologie ist Ökonomie in maximal langfristiger Form.

    Das, was die CDU (die CSU spielt sicher gerne mit) da treibt, ist Minimalökologie und somit kurzfristig maximierte Ökonomie. Die Rechnung kommt dann später und in einem anderen Ressort: der Trinkwasseraufbereitung.

    Wetten, dass dann wieder andere punkten können, z.B. mit Privatisierung der Wasserversorgung? Erst kaputtwirtschaften, dann verkaufen, dann den Job wechseln zum Privatversorger.

  • Die Lösung heißt flächengebundene Tierhaltung: Nur so viele Tiere dürfen gehalten werden, wie von der selbst bewirtschafteten Fläche ernährt werden können. Dann gibt es keine Gülle-Überschüsse.

    Hat sogar die SPD im Wahlprogramm.

  • Was der Artikel nicht erwähnt: Die gleichen Rechenregeln, die nun beschlossen werden sollen, werden auf Druck der Grünen ab 2023 auch auf kleine und mittlere Betriebe (genauer: alle Betriebe ab 20 Hektar) angewendet.

    Die derzeit von den Grünen geforderten schärferen Rechenregeln, die Großbetriebe mit ihrer Finanzkraft sicher schultern können, wird dann vielen kleineren Betrieben das Genick brechen.

     

    Ob sich dann noch jemand daran erinnern wird, dass die entscheidenden Weichenstellungen im Jahr Jahr 2017 nicht der schwarz-roten Regierung, sondern dem grünen Populismus zu verdanken sind?

     

    Jost Maurin, merken Sie nicht, dass mit den grünen Forderungen genau das Gegenteil dessen bewirkt wird, was BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Bürgern suggeriert?

  • wer hat von einem CSU Minister ernsthaft Umweltschutz und somit Schutz der langfristigen Wirtschaftsgrundlage der Landwirtschaft zu ermöglichen.

     

    Die Bauern werden so ihren Profit kurzfristig maximieren, und das Volk zukünftig Agrarerzeugnisse von China einkaufen, die dann selbst die Böden in Afrika ruinieren...