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Reaktionen in Israel auf Waffenruhe„We love Trump“

In Israel feiern viele Menschen die erwartete Rückkehr der Geiseln – und US-Präsident Trump. Israelische Palästinenser sind skeptischer.

Menschen in Tel Aviv feiern am Donnerstag ein Abkommen über eine Waffenruhe Foto: Shir Torem
Felix Wellisch

Von

Felix Wellisch aus Tel Aviv und Jaffa

taz | Angespannte Erwartung liegt am Morgen nach der Verkündung einer Einigung zwischen Israel und der Hamas über dem Platz der Geiseln in Tel Aviv. Neben den üblichen israelischen wehen heute besonders viele US-Flaggen. Viele Anwesende haben die Aufkleber mit der Zahl der Tage, die ihre Angehörigen in Geiselhaft verbracht haben, durch neue ersetzt: „Sie kommen zurück“, steht darauf.

Noch am Donnerstag wurde ein Abkommen über eine erste Phase des Friedensplans von US-Präsident Donald Trump in Ägypten unterzeichnet. Demnach sollen binnen 72 Stunden rund 20 noch lebende israelische Geiseln sowie baldmöglichst die sterblichen Überreste von 28 weiteren übergeben werden. Im Gegenzug stimmt Israel zu, fast 2.000 palästinensische Gefangene freizulassen. Die israelische Armee soll sich aus rund der Hälfte des Gazastreifens zurückziehen. Wem die Menschen hier diesen Durchbruch zuschreiben, ist unschwer zu erkennen: „We love Trump“, steht auf dem Plakat einer Besucherin.

„Wenn es Trump nicht gegeben hätte, könnte ich mich jetzt nicht auf die Rückkehr meines Sohnes Eitan freuen“, sagt Itzik Horn. „Wirklich aufatmen kann ich aber erst, wenn ich ihn wiedersehe.“ Gleich zwei seiner Söhne hatte die Hamas bei ihrem Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 verschleppt, Eitan und Iair. Mit ihnen waren 249 weitere Menschen entführt und rund 1.200 getötet worden.

Sie kommen zurück

Demo-Aufkleber am Donnerstag

Iair war im Februar während einer Waffenruhe freigekommen. „Das Letzte, was ich von Eitan weiß ist der Bericht von Iair und ein Hamas-Video, darauf sah er nicht gut aus“, sagt der 73-Jährige. Iair hatte in Geiselhaft ein Drittel seines Gewichts verloren.

„Das erste, was ich ihm sagen werde, ist: Du hast es mit der Diät übertrieben“, scherzt Vater Itzig, bevor er ernst wird: Die letzten zwei Jahre seien die Hölle gewesen. „Ich habe mich selbst wie eine Geisel gefühlt.“

Bei Rotem Cooper hingegen überwiegt die Wut. Geboren in der besonders schlimm getroffenen Kibbutz-Siedlung Nir Oz hat er nicht nur viele Freunde verloren. Auch seine Eltern Amiram, 84 Jahre, und Nurit, 79 Jahre, wurden entführt. Nurit wurde freigelassen, sein Vater starb in Gefangenschaft. Seinen Leichnam zurückzubekommen, würde ihm einen Abschluss ermöglichen. Glauben kann er daran aber erst, wenn es soweit ist. „Uns wurden schon zu viele falsche Hoffnungen gemacht.“

Am Morgen habe sich die Einigung zunächst wie ein Sieg angefühlt: „Seit zwei Jahren setzen wir uns dafür ein, auf Demos, im Parlament, bei Regierungen weltweit.“ Jetzt aber brodelt es in ihm. „Alleine aus Nir Oz wurden 14 Menschen lebend entführt.“ Die israelische Regierung aber habe alle Möglichkeiten für deren Freilassung in den Wind geschlagen. „Nach allem, was wir wissen, haben sie vielleicht sogar mehrfach Abkommen verhindert.“

Itzig Horn, Vater von zwei Geiseln am Donnerstag in Tel Aviv: „Ich habe mich selbst wie eine Geisel gefühlt“ Foto: Felix Wellisch

Den „ewigen Frieden“, den Trump in der Nacht bei der Bekanntgabe des Abkommens versprochen hat, sieht Cooper nicht. Er sei durch den Angriff tief erschüttert: Es waren damals nicht nur Hamas-Kämpfer, die den politisch eher links geprägten Kibbutz überfallen haben. „Es waren auch Zivilisten aus Gaza dabei.“ Für ihn brauche es zunächst ein Bekenntnis der Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung zur Anerkennung Israels.

Wie angespannt die Stimmung ist, wird deutlich, als Besucher kurz darauf eine spanische Reporterin vom Platz schicken wollen. „Hau ab“, rufen mehrere Anwesende. Sie habe in ihrem Bericht „von Genozid gesprochen“, sagt einer, auch wenn er nicht genau verstanden hat, was die Reporterin in ihr Mikrofon gesagt hat. Israels Armee hat in Gaza binnen zwei Jahren mehr als 67.000 Menschen getötet, der Großteil von ihnen Zivilisten. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, renomierte Genozidforscher und UN-Vertreter beschuldigen Israel, Völkermord begangen zu haben.

Während der Trump-Plan die ersten Schritte wie die Freilassung der Geiseln und den Teilrückzug der israelischen Armee regelt, bleiben viele Fragen offen. Lässt sich die Hamas auf die in dem Plan geforderte Entwaffnung ein? Wie soll Gaza künftig verwaltet werden?

Auch im weiter südlich gelegenen, von israelischen Palästinensern und jüdischen Israelis gleichermaßen bewohnten Jaffa, sind viele daher skeptisch. Abdulhamid arbeitet in einem Cafe und will seinen Nachnamen nicht verraten. Er habe bereits einmal Besuch der Polizei erhalten, nachdem er Plakate mit der Forderung nach einem Kriegsende und der Rückkehr der Geiseln aufgehängt habe.

Kriegsverbrecher im Kabinett

„Ich hoffe seit zwei Jahren darauf, dass dieser Krieg aufhört“, sagt der Mittdreißiger. Für echten Frieden aber müssten Netanjahu und die rechtsextremen Minister Bezalel Smotrich und Ben Gvir als Kriegsverbrecher ins Gefängnis und die israelische Besatzung enden. „Sie sagen laut und deutlich, dass sie alle Palästinenser umbringen oder vertreiben wollen.“

400 Menschen seiner erweiterten Familie, deren Vorfahren 1948 nach Israels Staatsgründung nach Gaza vertrieben worden waren, seien nun dort durch israelische Soldaten getötet worden. „Ich selbst stehe nur hier, weil meine eigene Großmutter damals keinen Platz mehr auf dem Schiff bekommen hat, das die Flüchtlinge von Jaffa aus nach Süden brachte.“

Trump sehe er weniger als Friedensbringer, sondern als Geschäftsmann. „Er wird so lange etwas tun, wie er selbst einen Vorteil daraus zieht“, sagt Abdulhamid. „Aber das Wichtigste ist, dass das Töten aufhört.“

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13 Kommentare

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  • "Itzig Horn, Vater von zwei Geiseln am Donnerstag in Tel Aviv: „Ich habe mich selbst wie eine Geisel gefühlt“ "



    Ich, Vater von zwei Kindern und vier Enkeln wage mir nicht vorzustellen, was die Geiselnahme persönlich bedeuten würde.

  • Vorbei der Traum der Israelis von Großisrael und der kompletten Vertreibung der Palästinenser - in der Beziehung kann auch ich sagen: Danke Herr Trump!



    Den Friedensnobelpreis hingegen hat er jedoch in meinen Augen ganz bestimmt nicht verdient !

    • @Des247:

      "Vorbei der Traum der Israelis von Großisrael ..."



      Das glauben Sie. Die radikale Rechte in Israel wird dieses Ziel nie aufgeben. Sie sind "scheinbar" so nah dran und außerdem von Gott auserwählt.



      Der diesjährige Friedensnobelpreis ging nicht an Trump. Deshalb wage ich zu prognostizieren: damit erlischt Trump's Engagement für den Nahen Osten schlagartig.



      Und so werden sich die israelischen Rechten wieder mehr dem Westjordanland, und die korrupte Trump-Administration wieder der Terrorrisierung des "inländischen" Feindes widmen.

  • Und europa verschwindet mehr und mehr in der bedeutungslosigkeit.



    Ich bin gespannt wann man sich das in bruessel eingestehen wird..

    • @Hannes Petersen:

      "Ich bin gespannt wann man sich das in bruessel eingestehen wird.."



      Wenn man bereit ist, einen Faschisten auch Faschist zu nennen. Wahlweise auch Idiot.

  • Soll Trump doch seinen unverdienten (Obama grüßt) Friedensnobelpreis erhalten.



    Aber das ist auch alles scheiß egal.



    Entscheidend ist, wie sich die Zivilbevölkerung gegenüber einer übergriffigen Trump-Administration verhält, in den USA. Trump ist ein König ohne Kleider.

    • @LeKikerikrit:

      Der Preis sollte eine ehrliche Auszeichnung sein und kein Deal werden.



      Die verdienten Träger:innen sollten nicht diskreditiert werden durch selbsternannte Friedensengel, die den Klimawandel leugnen.



      "Immer wieder wird das Nobel-Kommitee für seine Entscheidungen bei der Vergabe des Friedensnoblepreises kritisiert. Doch auch wenn sich ein Preisträger im Nachhinein als unwürdig erweist: Eine Rücknahme ist nicht möglich."



      Quelle deutschlandfunk.de



      Weiter dort:



      "Heftig kritisiert wurde das Nobelkomitee auch für die Preisverleihung 1994 an Palästinenserführer Jassir Arafat, Israels Premier Jizhak Rabin und Außenminister Schimon Peres. Die Kritik damals: Peres sei einer der Väter des israelischen Atomwaffenprogramms, Arafat ein Terrorist. 2009 bekam US-Präsident Barack Obama den Preis und das Komitee neuen Ärger. Obama war noch kein Jahr im Weißen Haus, hatte große Ziele, aber nicht allzu viel erreicht und wurde später wegen amerikanischer Drohnenangriffe kritisiert, bei denen viele Zivilisten ums Leben gekommen sind."



      Der Makel der Fehlbarkeit haftet der Preisverleihung bereits seit längerem an, die devoten Gesten d. Politiker gegenüber Trump lassen aber dessen Auszeichnung befürchten.

      • @Martin Rees:

        Ja, ich gebe Ihnen recht. Den Friedens-Nobelpreis an amtierende Politker zu vergeben, ist sehr fragwürdig.



        War da noch was mit Äthiopien? Genau: 2019 Aby Ahmed. Ging auch in die Hosen.

    • @LeKikerikrit:

      Leider, und ich wünschte es anders sehen zu können, hätte er den dann allerdings doch tatsächlich verdient.

      Es geht bei diesem Preis schließlich nicht darum ob man den potentiellen Empfänger leiden kann.



      Wer eine gerechte Welt will, muss auch selber gerecht sein. Sollte das jetzt wirklich kein blabla sein, hat er den Preis verdient.

      • @Rikard Dobos:

        Nennen Sie mir einen einzigen Punkt, an dem Trump den Friedens-Nobelpreis verdient hätte.



        Ich denke da an Lots Frau, die nicht glauben wollte, das Sodom dem Untergang geweiht war (1. Buch Mose 19,26), so als Äquivalent zu Trumps agieren in seinen geliebten USA.

  • I' love you Trump.



    Verständlich für die Angehörigen der Geiseln.



    Aber wir leben in einem (noch) freien Land.



    Und Trump's MAGA , JD Vance sind das Tor zur Hölle.

  • "Israelische Palästinenser"? - Sind hier nicht vielmehr palästinensische Israelis gemeint? - also arabisch-stämmige Bürger des Staates Israel. Das wäre zutreffender.

    Der Begriff "Israelische Palästinenser" steht doch für Israelis, die einem Staat Palästina wohnen. Es ist eine schöne Vorstellung, dass so etwas in Zukunft vielleicht einmal möglich wird. Stand heute eher eine Utopie...

    • @Winnetaz:

      Auch ich bin über den Begriff gestolpert.



      Ja, es wäre schön, wenn auch einge Israelis eines Tages in einem freien Palästina leben würden.



      Ob die Palästinenser überhaupt ein eigenes Land bekommen, steht jedoch in den Sternen.

      Die Hardliner in Israel wollen schließlich noch weiter expandieren, da Gott ihnen angeblich noch viel mehr Gebiete verheißen hat.

      Es sieht also eher danach aus, dass die Palästinenser noch weiter weichen müssen.