Reaktionen auf die neuen US-Zölle: China im Kampfmodus
Trump droht China mit weiteren 50 Prozent Zöllen. Die chinesische Regierung gibt sich siegessicher, doch Ökonomen warnen, dass die Lage ernst ist.
Der Propagandaapparat ließ sich aber nichts anmerken. Trump schieße sich vor allem ins eigene Knie, lautete das Credo der meisten Leitartikel. Und für China selbst werde es allzu schlimm nicht kommen, schließlich sei man für den Ernstfall gerüstet. „Wir sind stark und widerstandsfähig“, schrieb am Sonntag etwa die Volkszeitung (Renmin Ribao), offizielles Sprachrohr der kommunistischen Partei. „In vielerlei Hinsicht brauchen die USA China jetzt mehr als umgekehrt“, kommentierte Wang Huiyao, Leiter der Pekinger Denkfabrik „Center for China and Globalization“.
Doch hinter der siegessicheren Fassade bröckelt es. So schätzt die australische Investmentbank Macquarie, dass Trumps Zölle die chinesischen Exporte um 15 Prozent einbrechen lassen und das Land Wirtschaftsleistung in Höhe von bis zu zweieinhalb Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten würden. Es scheint also weiterhin offen, welche der zwei Weltmächte in diesem Konflikt tatsächlich am längeren Hebel sitzt.
Am Sonntag reagierte China auf Trumps 34-prozentige Zölle mit Gegenzöllen zum gleichen Satz, Trump wiederum drohte am Montag mit zusätzlichen Zöllen von 50 Prozent. Außerdem würden alle Gespräche mit China abgebrochen, schrieb Trump auf der Plattform Truth Social. Treffen mit anderen Ländern, die ebenfalls um Gespräche gebeten hätten, würden hingegen sofort beginnen.
Der chinesische Staatsfonds kündigte am Montag als erste Hilfsmaßnahme an, großflächig heimische Aktien aufzukaufen. Man sei „fest optimistisch, was die Entwicklungsaussichten des chinesischen Kapitalmarktes angeht“, hieß es in einer Stellungnahme vom Fonds Central Huijin Investment, welcher der chinesischen Zentralbank untersteht.
Gleichzeitig melden Staatsmedien unter Berufung auf Regierungskreise, dass China bereit sei, Kreditanforderungen zu lockern und das staatliche Haushaltsdefizit auszuweiten. Zudem würde Peking tun, was Ökonomen seit Jahren forderten: mit fiskalpolitischen Maßnahmen den schwachen Konsum ankurbeln, um Trumps Zoll-Orgie abzufedern. Ganz offensichtlich hatte sich Peking sein Schießpulver für den jetzt eintretenden Ernstfall aufgehoben. Die risikoscheue bis paranoide Staatsführung hat sich scheinbar seit Längerem für das schlimmstmögliche Szenario gewappnet.
Auch in China gibt es kritische Stimmen
Chinas Gegenzölle dürften noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Denn Peking hat weiterhin Spielraum: So könnten die Marktaufsichtsbehörden ihre – offensichtlich politisch motivierten – Untersuchungen gegen US-Firmen auf dem chinesischen Markt ausweiten. Auch bei seltenen Erden, von denen China weltweit 60 Prozent abbaut und 90 Prozent verarbeitet, kann Peking an der Eskalationsschraube weiterdrehen.
Doch schon jetzt meint Alicia Garcia Herrero, Chef-Volkswirtin bei der französischen Großbank Natixis, dass Chinas Gegenzölle gegen die USA einer De-facto-Entkoppelung zwischen den zwei Volkswirtschaften gleichkämen – vorausgesetzt, sie sollten trotz Verhandlungen tatsächlich beibehalten werden. Die Chancen auf einen großen Deal stünden jedoch schlecht, meint die Spanierin.
Wieso also geht China trotz der Risiken derart offensiv in den Gegenangriff? „Erstens wurde China tatsächlich in eine Ecke gedrängt, da die US-Einfuhrzölle derart hoch sind und auch sämtliche Branchen abdecken“, kommentiert Herrero. „Zweitens hat China tatsächlich mehr Druckmittel in der Hand gegen die USA als wahrscheinlich jedes andere Land.“
Dabei gibt es auch innerhalb Chinas kritische Stimmen, die die Gegenmaßnahmen der Regierung als „völlig falsch“ bezeichnen. So kommentierte etwa He Bin vom Zentrum für Politikforschung, einem Institut, das der Chinesischen Akademie der Wissenschaften unterstellt ist. „Die richtige Gegenmaßnahme ist die Einführung einseitiger Nullzölle auf Importe aus allen Ländern“, schrieb der Experte auf seinem Wechat-Account.
Doch der private Kommentar wurde von so vielen Chinesen verbreitet, dass nicht nur die Zensurbehörden einschritten. Auch das Institut, an dem He Bin angestellt war, wurde kurzerhand geschlossen. In der Begründung heißt es mahnend, dass stets „die korrekte politische Richtung eingehalten“ werden müsse.
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