piwik no script img

Reaktionen auf Obergrenze in ÖsterreichMerkel lässt sich nicht beirren

Merkel-Kritiker sehen die Kanzlerin jetzt unter Zugzwang. Die wies die Festlegung einer Obergrenze erneut zurück. Seehofer zeigte sich enttäuscht.

Daumen hoch für Obergrenzen: Horst Seehofer will maximal 200.000 Flüchtlinge pro Jahr aufnehmen. Foto: dpa

Berlin dpa | Die Ankündigung Österreichs, Obergrenzen für Flüchtlinge einzuführen, hat den Kritikern der Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Auftrieb verliehen. „Sie ist ein deutlicher Fingerzeig, dass auch wir nicht mehr so weiter machen können wie bisher“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer (CSU), dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte: „Wenn Ende März auch bei uns die Zahl der Ankommenden wieder steigt und wir eine Entwicklung wie im vorigen Jahr bekommen, wird Deutschland seinen Kurs korrigieren müssen.“

Die Regierungskoalition in Österreich und die Ministerpräsidenten des Landes hatten sich am Mittwoch darauf geeinigt, dass bis Mitte 2019 nur noch höchstens insgesamt 127.500 Asylbewerber nach Österreich kommen dürfen. Für das laufende Jahr sind 37.500 Flüchtlinge vorgesehen. Das wären rund 50.000 weniger als 2015. Was geschehen soll, wenn die Obergrenze überschritten wird, ist noch offen.

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte dazu auf, das Signal aus Österreich „sehr ernst“ zu nehmen. „Es ist jetzt eine echte Brücke, denn wenn Österreich eine solche Obergrenze beschließt, muss Deutschland auch eine solche Obergrenze beschließen“, sagte er dem RTL Nachtjournal am Rande der CSU-Winterklausur in Wildbad Kreuth.

Dissens tritt offen zutage

Söder fuhr fort: „Deswegen ist es jetzt wichtig, dass wir die europäische Einigung erreichen und zwar dadurch, dass wir alle in Europa den gleichen Weg gehen. Der heißt: Begrenzung der Zuwanderung mit einer Obergrenze.“

Der Dissens zwischen Kanzlerin Merkel und der CSU über die Flüchtlingspolitik war am Mittwoch auf der Winterklausur der CSU-Landtagsfraktion offen zutage getreten. Merkel wies die Forderung nach einem schnellen Kurswechsel und der Festlegung einer Obergrenze erneut zurück.

CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich nach dem Merkel-Auftritt enttäuscht. „Es gab keine Spur des Entgegenkommens. Wir gehen da politisch auf schwierige Wochen und Monate zu.“ Er schloss jedoch aus, dass die CSU die Koalition aufkündigen werde. Die CSU wolle weiterhin „in die CDU hineinwirken“, sagte Seehofer in den ARD-Tagesthemen.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nannte die Ankündigung aus Österreich einen Hilferuf. Er mache klar, dass Deutschland, Schweden und Österreich die Flüchtlinge nicht alleine aufnehmen könnten. „Umso dringlicher ist es jetzt, endlich für sichere Außengrenzen zu sorgen“, sagte Oppermann dem Kölner Stadt-Anzeiger. Das müsse bald passieren: „Sonst zerbricht Europa.“

„Gemeinsam Antworten finden“

SPD-Parteivize Ralf Stegner warnte erneut vor „Scheinlösungen“. Die CSU vermittele den falschen Eindruck, man könne einfach einen Schalter umlegen und den Flüchtlingszustrom begrenzen. „Es macht doch keinen Sinn, öffentlich ständig über Plan B, C oder D zu spekulieren. Wir müssen gemeinsam Antworten finden“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Die von Österreich angekündigte Obergrenze ist aus seiner Sicht kein Vorbild für Deutschland. Grenzschließungen lehnt die SPD ebenfalls ab. „Europas starke Wirtschaft hängt von offenen Grenzen ab“, sagte Stegner.

FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki sieht die Kanzlerin nach dem Vorstoß Österreichs unter Zugzwang: „Die Entscheidung zwingt die Bundeskanzlerin, Farbe zu bekennen“, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. „Frau Merkel muss uns nun erklären, warum Österreich eine solche Grenze einführen kann, Deutschland aber nicht. Das führt doch ihre sämtlichen Erklärungen ad absurdum.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Unbeirrbarkeit kann auch andere Gründe haben. Bei manchen Menschen beginnt der Altersstarrsinn einfach nur früher.

  • Das Kant'sche Minimum

    Man muss sich endlich auf Positionen begeben, die durchsetzbar u n d richtig sind:

    Freizügigkeit ohne Einschränkungen bedeutet, dass jeder hierher kommen darf, aber für seinen Unterhalt selber sorgen muss oder dass ein Bundesbürger für ihn aufkommt.

    Das Asylrecht ist einklagbar, Ablehungen sind kostenpflichtig.

    Die Städte und Gemeinden entscheiden darüber, ob sie obdachlose Fremde dulden oder nicht.

    Wenn auch das so nicht durchsetzbar wäre, sollte man sich auf das kanadische Modell - verbürgter Zuzug http://www.taz.de/Syrische-Fluechtlinge/!5263408/ - zurückziehen. Die Linke muss endlich aufhören, auch nur den Anschein zu erwecken, sie würde das jetzige System der staatlichen Alimentierung und Kasernierung und damit die Einübung menschunwürdiger staatlicher Maßnahmen - die Konfiszierung von Wertgegenstände per Leibesvisitation mag als das Unanständigste erscheinen - durch die damit befassten Staatsbediensteten auch nur ansatzweise tolerieren. Alle Forderungen der Linken sind folgenden Leitlinien unterzuordnen: Stärkung regionaler Entscheidungskompetenzen, Abbau der staatlichen Herrschaftsinstrumente wie Bereitschaftspolizei, und Armee, Stärkung der gesellschaftlich notwendigen staatlichen Funktionen: Gerichte, Kriminalpolizei, selbstverwaltete Schulen... siehe Kant Zum ewigen Frieden http://www.textlog.de/3671.html