Reaktion auf Clintons E-Mail-Affäre: „Bringt sie nach Guantanamo Bay“
1.000 neue Mails wurden gefunden. Was drinsteht, weiß keiner. Trumps Fans jubeln präventiv – und treten noch aggressiver gegen Hillary Clinton auf.
„Bringt sie nach Guantanamo Bay“, ruft ein junger Mann im Publikum. Der 28-jährige Jarrod, der fünf Jahre lang bei den Marines war, trägt ein überdimensioniertes Trump-Porträt auf dem T-Shirt und die Nationalfarben der USA auf Shorts und Socken. Rund um ihn stehen Leute, auf deren Kappen steht, dass sie Amerika wieder groß machen wollen, dass Clinton ins Gefängnis gehört oder dass freie Menschen das Recht auf Schusswaffen brauchen. Viele skandieren: „Sperrt sie ein.“ Ein paar tragen orangefarbene oder schwarz-weiß gestreifte Gefängnisanzüge und halten sich Hillary-Clinton-Masken vors Gesicht. Es ist Halloween. Aber es ist zugleich eine Hauptbotschaft im republikanischen Präsidentschaftswahlkampf.
Am Abend zuvor hat FBI-Direktor James Comey den US-Kongress darüber informiert, dass er die Ermittlungen wegen Clintons E-Mails doch weiterführen werde. Sein Büro war durch Zufall auf eine neue Ladung E-Mails gestoßen. Das FBI hat bislang nichts darüber gesagt, um welche Art von E-Mails es sich handelt, ob sie klassifiziert waren und ob sie von Clinton selbst stammten oder von ihrer Mitarbeiterin. Comey will diese E-Mails nun prüfen. Und die Erfahrung lehrt, dass ein Ergebnis frühestens zum Jahresende, aber keinesfalls bis zum Wahltag am 8. November zu erwarten ist.
Die Mitteilung im Endspurt des tumultuarischen Wahlkampfs schlug wie eine Bombe ein. Noch im Juli hatte Comey erklärt, es gebe keinen Anlass, Clinton juristisch zu belangen. Dafür hatten ihn die Trumpanhänger angefeindet. Die sind mit der neuesten Entwicklung wieder sehr zufrieden. Doch der Rest der USA schwankt zwischen Staunen und Wut darüber, dass der FBI-Direktor eine derartige Mitteilung so kurz vor Präsidentschaftswahlen in die Öffentlichkeit geworfen hat.
Das Publikum johlt: „Lügenpresse!“
Clinton selbst nennt das Vorgehen „zutiefst beunruhigend“ und verlangt, dass der FBI-Direktor seine Informationen auf den Tisch legt. Clintons Wahlkampfchef John Podesta reagierte erbost auf Comeys Vorgehen. Das FBI habe sich vom Trump-Lager „einschüchtern“ lassen, erklärte Podesta. Möglicherweise handele es sich bei den nun aufgetauchten Mails lediglich um „Doubletten“ der bereits im Sommer untersuchten.
In Phoenix warnt Trump vor der „korrupten“ und „betrügerischen Hillary“. Zu seinen Füßen stehen Tausende, die ihr misstrauen, ganz besonders beim Thema Schusswaffen, von denen die meisten Männer und Frauen im Saal mindestens eine haben, auch wenn sie sie an diesem Tag wegen der Eingangskontrollen des Secret Service, die sorgfältiger sind als an US-Flughäfen, nicht mitbringen konnten. „Sie lügt“, sagt Steve, der 20 Jahre als Wärter in Florence, dem Gefängnis des Bundesstaates, gearbeitet hat, „sie will uns unsere Schusswaffen wegnehmen.“ Trotz seiner 46 Jahre hat er nie zuvor gewählt, aber dieses Mal will er für Trump stimmen – wegen „Hillary“ und „weil die Demokraten für alles Regeln, Inspektionen und Kontrollen wollen“.
Auch nach Bekanntwerden der jüngsten FBI-Ermittlungen zu Hillary Clinton liegt Donald Trump im Rennen um die US-Präsidentschaft weiter hinten – wenn man den Umfragen glaubt. Aber das Rennen ist sehr knapp. Die Umfrage von ABC und Washington Post vom Freitag sieht Clinton bei 46, Trump bei 45 Prozent. Nach der einzigen Erhebung vom Samstag (von IBD/TIPP) erreicht Clinton 44 und Trump 42 Prozent. (taz)
Zur Eröffnung der Wahlkampfveranstaltung schießt ein republikanischer Spitzenpolitiker aus Arizona mit einer Plastikkanone Trump-T-Shirts in den Saal. Er schießt mehrere Richtung Pressetribüne am Ende des Raums. Dazu buht das Publikum genüsslich und johlt. „Lügenpresse“. Später dreht sich während Trumps Rede ein junger Mann zu den Journalisten um, und ruft ihnen mehrfach zu: „Jew – S – A“ – eine Anspielung darauf, dass die USA und ihre Pressevertreter von Juden (englisch: Jew) unterwandert seien. Es ist nicht das erste Mal, dass in einer Trump-Rally laute antisemitische Töne fallen.
Trotz der FBI-Bombe denken viele im Saal bereits darüber nach, was sie tun, wenn Clinton die Wahl am 8. November gewinnt. „Ich bin froh, dass es herauskommt“, sagt eine 26-jährige Air-Force-Reservistin, „aber es kommt zu spät. Und die Medien werden es auch dieses Mal wieder unter den Teppich kehren.“ Ein Versicherungsagent witzelt, dass er dann nach Deutschland ziehen wird: „weil dort Flüchtlinge fürs Nichtstun Geld bekommen“. Ein Koch will – mithilfe von Trumps Webseiten – „prüfen, ob die Wahl gefälscht ist“.
Ein Klimaanlageninstallateur will sich auf seinen Landsitz zurückziehen und ihn „noch besser befestigen, um mich gegen Angriffe von außen zu verteidigen“. Und einer der wenigen dunkelhäutigen Menschen im Saal, ein „Mexikaner der dritten Generation“, will nach Texas übersiedeln: „weil die starken Konservativen dort sich dann von der Union abspalten werden“.
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