Razzia in Hamburger Kopierladen: Dieses Bild ist verboten
Im linken Kopierladen „Schanzenblitz“ hat die Polizei nach PKK-Symbolen gesucht und das Bild eines verstorbenen Linken-Politikers beschlagnahmt.
Der Grund: Im Laden seien Symbole der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und deren in der Türkei zu lebenslanger Haft verurteilten Anführers Abdullah Öcalan gesichtet und verkauft worden. So steht es in einem Flyer des Copyshops. Die Polizei habe vermutet, dass der Inhaber Kopiervorlagen verstecke, um verbotene PKK-Sticker zu verbreiten.
Das Team des linken Copyshops gründete sich vor 29 Jahren als Kollektiv, wie Alex* vom Schanzenblitz berichtet. Alex sagt der taz: „Die Durchsuchung steht in keinem Verhältnis. Während in der gleichen Woche eine kurdische Familie in der Türkei getötet wurde, suchen die bei uns nach Aufklebern.“ Besuche der Polizei seien selten, aber kämen vor. 2003, zu Beginn des zweiten Irak-Krieges, sei es zuletzt zu einem ähnlichen Vorfall gekommen. Ein Plakat von George W. Bush mit Hitlerbart und Swastika im Hintergrund hätten sie entfernen müssen. Zuletzt habe die Polizei lediglich Hygienevorschriften geprüft, die unbeanstandet geblieben seien.
Fünf Beamt:innen durchsuchten während der einstündigen Razzia den Geschäftsraum sowie den Keller des Copyshops, wie im Flyer weiter zu lesen ist. Anstatt einer pulsierenden PKK-Zelle fand die Polizei fast nichts. Sie habe die Möglichkeit genutzt, zwei Texte aus dem Fundus des Ladens zu beschlagnahmen, die in keinerlei Verbindung zur PKK standen.
Außerdem sei der Staatsschutz auf ein Foto des im letzten Jahr verstorbenen Robert Jarowoy gestoßen und habe es mitgenommen. Es war Teil einer Installation zu Ehren des Hamburger Linken-Politikers. Jarowoy posiert in der Aufnahme vor einem Bild von Abdullah Öcalan und einer Flagge der Kurdisch Demokratischen Gesellschaft in Europa – ebenfalls verboten. Lächelnd hält er eine Tafel mit der Aufschrift „Weg mit dem PKK-Verbot“ vor die Brust.
„Das ist verrückt“, sagt der Fotograf des Portraits, Hinrich Schulze, zur Beschlagnahmung. „Andererseits ist es eine Ehre, wenn mein Foto eine solche Kraft ausübt, dass gar die Öffentlichkeit davor geschützt werden muss.“ In welchem Zusammenhang das Foto entstand, möchte er nicht erzählen. Schulze betont jedoch, dass im Foto Jarowoy als aktivistische Person im Vordergrund stünde und nicht bloß PKK-Symbole transportiert werden sollten.
In den 70er-Jahren war Jarowoy Mitglied der „Bewegung 2. Juni“, die nach dem Todesdatum von Benno Ohnesorg benannt wurde. Von 1973 bis 1979 saß er als „anarchistischer Gewalttäter“ im Gefängnis, weil die Gruppe terroristische Bombenanschläge verübte. Er war die letzten zwölf Jahre vor seinem Tod Abgeordneter der Linksfraktion in der Bezirksversammlung Altona.
Die Polizei könne sich nicht zu laufenden Ermittlungen äußern, erklärt ein Pressesprecher der taz. PKK-Symbole entfernen zu lassen ist für die Polizei ein gewöhnliches Prozedere. Seit 1993 ist die PKK und die Darstellung ihrer Symbole in Deutschland verboten. Auf pro-kurdischen Demonstrationen kommt es immer wieder zu Beschlagnahmungen von Objekten mit PKK-Emblemen. Auch PKK-bezogene Razzien hat es zuvor bereits gegeben.
Im Jahr 2019 kam es laut einer Pressemitteilung des Innenministeriums zu einer Inspektion zweier Verlage, die mutmaßlich die PKK mit ihren Erträgen finanziert hätten. Der Verdacht habe sich nach Durchsuchungen der Geschäftsräume erhärtet und beide Betriebe seien aufgelöst und verboten worden. Die Folgen der Schanzenblitz-Razzia halten sich im Vergleich dazu bislang in Grenzen: Nur Robert Jarowoy lächelt jetzt in einer Hamburger Asservatenkammer.
Alex sagt, der Anwalt des Ladeninhabers habe Akteneinsicht gefordert. Alle weiteren Schritte seien noch zu besprechen. Die Installation zu Ehren Robert Jarowoys mitsamt seiner teils neuaufgelegten Bücher steht derweil weiterhin im Laden.
*Name geändert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen