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Rattenplage am HermannplatzNeukölln alias Wuhan

Lilly Schröder
Kommentar von Lilly Schröder

Der Hermannplatz ist von einer Rattenplage befallen. Ab Juli erlässt der Bezirk Maßnahmen, um sie einzudämmen.

Ratten wird am Hermannplatz ein stabiles Buffet geboten Foto: Michael Brandt/dpa

D ie Tatortszene wirkt brutal: Ihr lebloser Körper liegt zwischen dreckigen Socken, leeren Kippenpackungen und einer Pizza­box. Pas­san­t*in­nen laufen am helllichten Tag unbekümmert an ihr vorbei. Das Opfer ist eine der zahlreichen Ratten, die den Hermannplatz in Neukölln derzeit in einer Plage befallen, wie Touris die Weserstraße. Aufgrund des starken Befalls erlässt der Bezirk ab Juli strenge Maßnahmen.

Grund für die Plage seien weggeworfene Lebensmittel und Abfälle, aber auch das Füttern von Haustieren und Vögeln, so das Bezirksamt. Es schaffe für die Nager den „idealen Lebensraum“. Denn anders als die Feinschmecker-Ratte aus „Ratatouille“ sind die Neuköllner Wanderratten Allesfresser.

Und ihnen wird ein stabiles Buffet geboten: Chipsreste, Kartoffeln und kalte Pommes liegen am Dienstag fein angerichtet zwischen Verpackungen, Pappbechern und Unterhosen. Mit dem legendären, versifften Berlin-Charme hat das nur noch wenig zu tun.

Das findet auch die Obstverkäuferin: „Der Dreck ist nicht mehr auszuhalten. Die Ratten kommen nur, weil es so dreckig ist“, sagt sie entnervt. Die Stände selbst hinterließen keinen Müll. Zustimmung kommt vom Currywurststand: Das Problem seien Passanten, die ihren Müll fallen lassen sowie Tauben füttern. Sie fordert: „Der Senat soll endlich Berlin sauber machen!“

Allgemeinverfügung ab Juli

Die bisherigen Bemühungen des Bezirks die Rattenpopulation durch Giftköder einzudämmen, war in der Tat äußerst halbherzig. Man muss kein Naturschutz-Experte sein, um zu erkennen: Solange der Platz ein vermülltes Rattenparadies bleibt, bringt auch Gift wenig. Inzwischen hat das auch der Bezirk eingeräumt – nun sollen zusätzliche Verbote folgen.

Ab dem 1. Juli tritt eine Allgemeinverfügung in Kraft: Wer Tiere füttert, Lebensmittel nicht richtig lagert oder Abfall nicht ordnungsmäßig beseitigt, dem droht ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000 Euro. Plakate sollen über die Probleme und die Anordnungen informieren.

Das Bezirksamt warnt: Durch den Rattenbefall bestehe auf dem belebten Hermannplatz, mit Wochenmarkt und Bahnstationen, ein erhöhtes Risiko für die Verbreitung von Krankheiten, wie Typhus, Cholera oder Tollwut.

Im Bezirksamt trägt die undercover Mission daher den Codenamen „Wuhan-Wildtiermarkt 2.0“. Spaß. Also halb: Der Undercoverteil stimmt. Von den geplanten Auflagen hat keine der Marktver­käu­fe­r*in­nen etwas mitbekommen. Die halten die Aufregung ohnehin für übertrieben: „Und Ratten sollen Berlins größtes Problem sein?“

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Lilly Schröder
Redakteurin für Feminismus & Gesellschaft im Berlin-Ressort Schreibt über intersektionalen Feminismus, Popkultur und gesellschaftliche Themen in Berlin. Studium der Soziologie und Politik.
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