Rassistischer Karnevalsumzug in Sachsen: NPD-Humor mit „Asyllounge“
In Sachsen sind zum Karneval Menschen als „reisefreudige Afrikaner“ durch ein Dorf gezogen. Nur Spaß, sagen Verein und Bürgermeister. Was für ein Quatsch.
Wenn Prinz Axel I. und Ihro Lieblichkeit Prinzessin Sabine III. „die absolute Kussfreiheit“ verkündet haben, geht es rund in Reinhardtsdorf. Der örtliche Karnevalsverein – Narrenruf „Ratsch Bumm Bumm“ – versteht es zu feiern. 2015 lautete das Motto des jahrzehntealten Vereins: „Der RKC ist originell, eröffnet sein 5 Sterne-Hotel“.
So richtig originell war dann aber weder die Rechtschreibung noch das, was den Vereinsmitgliedern zu ihrem Motto einfiel. Beim Faschingsumzug am 14. Februar kreuzte ein Dutzend von ihnen als „reisefreudige Afrikaner“ verkleidet auf. Über gestreiften Gewändern sah man schwarz angemalte Gesichter und Afroperücken. In den Händen trugen sie Koffer und Körbe. Ein Wagen trug die Aufschrift „Asyllounge“ und war mit fünf goldenen Sternen drapiert.
Als Anfang dieser Woche ein Journalist des Berliner Tagesspiegels zu dem Vorfall recherchierte, stieß er beim Vereinssprecher auf Unverständnis. Eine rassistische Note könne er nicht erkennen, erklärte der, „das eine ist Fasching, das andere ist Rassismus“. Das Thema sei schließlich „5-Sterne-Hotel“ gewesen – „wäre doch ganz schön, wenn ein Asylheim fünf Sterne hätte“. Ach so.
Nun könnte man meinen, die Reinhardtsdorfer hätten ein ganz spezielles Verständnis von Humor. In ihrem Wahlbezirk hatte die NPD bei den letzten Gemeinderatswahlen satte 20,5 Prozent geholt; bei der Landtagswahl im August 2014 waren es 16 Prozent. Der (parteilose) Bürgermeister wertet das Witzverständnis seiner Bürger der Bild-Zeitung gegenüber denn auch als „völlig normal“. „Das ist Gesellschaftskritik und Satire.“
Tiermasken und ein „Assilant“
Aber ihren Humor haben die Reinhardtsdorfer nicht exklusiv. Im nur fünfzig Kilometer entfernten Geising waren die Mitglieder des Ski- & Eisfasching e. V. – Narrenruf „Pitsche Patsche Nass Nass Nass“ – auf ähnliche Ideen verfallen. Beim Faschingsumzug am 15. Februar trugen gesinnungstreue Geisinger ein Transparent „ASYL für ALLE!?“ durchs Dorf. Verkleidet hatten sie sich mit Schweine-, Rinder- und Affenmasken.
Und ein Pickup, auf dessen Ladefläche eine Merkel-Puppe auf einer Kuh ritt, trug nicht nur die Aufschrift „Das deutsche Rindvieh“. Der Fahrer hatte für die Fensterablage extra einen Zettel gemalt: „ASSILANT“. Kaum anzunehmen, dass es sich auch hier um mangelnde Orthografiekenntnisse gehandelt hat.
Irgendwas muss da in der sächsischen Luft liegen. Wie kommt es, dass diese Leute meinen, Karneval sei eine gute Gelegenheit, ihren Rassismus bunt anzuziehen und an die frische Luft zu bringen? Lesen die da keine Zeitung? Gibt’s kein Internet?
Feinde der Ironie
Im Allgemeinen sind Fremdenfeinde zugleich Feinde der Ironie. Sie können ganz schön sauer werden, wenn in einem Umkreis von, sagen wir, siebzig Kilometern um ihren Wohnort ein Flüchtlingsheim eröffnet. Da posten sie dann auf Facebook zusätzlich zu den Hundebaby-Bildern irgendwelche aus dem Netz gefischten Bilder von blutig geschlagenen deutschen Frauen.
Oder sie verspüren den Drang, abends noch mal spazieren zu gehen und dabei laut klassische Musik zu hören. Sie werden unlustig, wenn es um den „unkontrollierten Asylantenzustrom“ geht. Und ja, sie denken dabei immer „an die Kinder“. Sie sind eben ein bisschen einfach gestrickt. Das macht das Leben leichter. Blöd nur, dass man ob ihrer schieren Masse irgendwann anfängt, diesen Quatsch hinzunehmen. So viel Schlichtheit und Mitleidlosigkeit kann man gar nicht wegargumentieren.
Zu Reinhardtsdorf und Geising hat sich nun immerhin der Verband Sächsischer Carneval e. V. zu Wort gemeldet. „Rechte Tendenzen haben bei uns keinen Platz“, sagt dessen Vorsitzender der Bild-Zeitung. „Das wollen wir doch mal sehen“, werden sich die Rassisten denken. Ach so, die lesen ja keine Zeitung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml