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Rassistische Gewalt in BrasilienIm Parkhaus totgeprügelt

Am Donnerstag kam João Beto in Porto Alegre durch Wachmänner eines Supermarktes ums Leben. Die Tat hat eine hitzige Rassismus-Debatte ausgelöst.

Bei einer Anti-Rassismus-Demo in Sao Paulo am Tag nach dem Tod von João Beto Foto: dpa

BERLIN taz | Mit voller Wucht schlagen die zwei Männer immer wieder auf den Kopf von João Alberto Silveira Freitas. Auch als er schon am Boden liegt, prügeln sie weiter auf ihn ein. Einer der Männer kniet sich auf seinen Hals. Wenige Minuten später ist der 40-Jährige Schwarze, von allen nur João Beto genannt, tot. Ein Handyvideo zeigt die Tat, die sich am Donnerstag in der südbrasilianischen Hafenstadt Porto Alegre ereignete.

Das Video sorgt in Brasilien für Empörung und hat eine hitzige Debatte über Rassismus ausgelöst. Die zwei weißen Sicherheitsmänner der französischen Supermarktkette Carrefour wurden nach einem Streit zwischen João Beto und einer Kassiererin gerufen. Beto war mit seiner Frau im Supermarkt, um für das Abendessen einzukaufen. Die Wachmänner führten João Beto in ein Parkhaus, wo sie die Prügelorgie starteten. Als João Betos Frau ihrem Mann helfen wollte, wurde sie ebenfalls attackiert, wie sie in einem Fernsehinterview berichtete.

Einer der Täter ist ein Militärpolizist außer Dienst, der nebenbei als Wachmann im Supermarkt arbeitete. Die beiden Männer wurden verhaftet, die Mordkommission ermittelt. Die leitende Polizistin in dem Fall erklärte jedoch, dass es keine Anzeichen für eine rassistische Motivation gebe. Der Vater des Opfers widerspricht in einem Interview mit der Tageszeitung Folha de São Paulo: Sein Sohn sei Opfer von Rassismus geworden. Auch in sozialen Medien sprachen viele Brasilianer*innen von einem „rassistischen Mord“ und verglichen den Fall mit dem Mord an George Floyd. Der schwarze US-Amerikaner wurde im Mai von Polizisten in Minneapolis getötet.

Carrefour verurteilte das Vorgehen der Wachleute und kündigte an, die Zusammenarbeit mit der betreffenden Wachschutzfirma zu beenden. Es ist jedoch nicht der erste Skandal in einem Laden des Unternehmens: Im August machte der Fall eines Carrefour-Mitarbeiters die Runde, der in einer Filiale starb. Die Leiche des Mannes wurde mit einem Sonnenschirm bedeckt und der Supermarkt für mehrere Stunden offen gehalten. In sozialen Medien berichteten zahlreiche User*innen zudem von Rassismuserfahrungen in Carrefour-Filialen.

Besonders zynisch: Der gewaltsame Tod von João Beto ereignete sich einen Tag vor dem Tag des Schwarzen Bewusstseins, einem Nationalfeiertag in Brasilien, der an die brutale Sklavenzeit erinnern soll. In mehreren Städten gingen wie jedes Jahr tausende Menschen auf die Straße, um gegen Rassismus zu protestieren. Viele Aktivist*innen forderten Gerechtigkeit für João Beto. In São Paulo stürmten Demonstrant*innen mehrere Filialen von Carrefour, demolierten die Einrichtung und legten Brände.

Präsident Jair Bolsonaro meldete sich per Twitter zu Wort, erwähnte die tödliche Prügelattacke jedoch nicht direkt und erklärte, Brasiliens Probleme lägen „jenseits von Rassenfragen“. Zudem griff er antirassistische Demonstrant*innen an und schrieb: „Euer Ort ist auf dem Müll.“ Vizepräsident Hamilton Mourão erklärte derweil, dass es keinen Rassismus in Brasilien gebe.

Die Vorsitzende der Vereinten Schwarzenbewegung MNU, Iêda Leal, kritisierte diese Aussagen scharf. „Wir befinden uns im Jahr 2020 und die Bevölkerung leidet unter einem strukturellen Rassismus.“, sagte die Aktivistin der Tageszeitung O Globo. „Solche Aussagen führen dazu, dass sich der Rassismus in unserer Gesellschaft noch verstärkt.“

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4 Kommentare

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  • Der Militärpolizist a.D. könnte unter Umständen noch die Zeit der Todesschwadronen mitgemacht haben. Wie auch immer schwingt der Geist dieser bis heute in den brasilianischen Sicherheitskräften.



    @Danny Schneider



    Nicht beleidigend gemeint, das war aber wohl etwas naiv, denn Brasilien war nie auf einem guten Weg, sondern eines der übelsten Länder Südamerikas. Hat man halt hinter dem Tourismus-Konzept und einer wohlhabenden Schicht gut zu verstecken gewusst. Bolsonaro erinnert wieder ganz offen daran, wie der Ton in Brasilien klingt.

    • @Hampelstielz:

      "Der Militärpolizist a.D. könnte unter Umständen noch die Zeit der Todesschwadronen mitgemacht haben"

      Haben Sie sich die Bilder angeschaut? Die beiden dürften kaum älter als Mitte 20, bestenfalls Anfang 30 sein.

  • Komisch wie die Zeit spielt... noch vor 5 Jahren war für mich Brasilien ein Land mit Problemen, aber positiv besetzt. Und was ist daraus geworden?

  • bitter