Rassismus in Windhoek: Klima der Intoleranz

An der deutschen Schule in Namibias Hauptstadt Windhoek kommt es immer wieder zu rassistischen Vorfällen. Die deutschsprachige Minderheit wehrt ab.

Wegweiser Richtung Rostock in der Wüste in Namibia

Von Windhoek nach Rostock geht es leichter als in eine diskriminierungsfreie Gesellschaft Foto: Reinhard Schmid/Schapowalow

BERLIN taz | Mitte 2015 gestand das Auswärtige Amt ein, dass die Kriegsführung in der Kolonie Südwestafrika zwischen 1904 und 1908 in einem Völkermord gipfelte. Seither verhandeln die deutsche und namibische Regierung, wie damit umgegangen werden soll. Eine förmliche Entschuldigung des deutschen Staates auf höchster Ebene scheint vereinbart. Der Umfang von Kompensationsleistungen bleibt hingegen strittig.

Der deutsche Kolonialismus hatte irreversible materielle, demografische und mentale Folgen. Seine Spuren zeigen sich in der Ungleichverteilung des privaten Farmlands in überwiegend weißem und häufig deutschstämmigem Besitz. In der städtischen Geschäftswelt spielen Deutschstämmige weiterhin eine wichtige Rolle.

Zum deutschsprachigen Alltag gehört die werktags erscheinende Allgemeine Zeitung, ein mehrstündiges tägliches Programm im staatlichen Rundfunk, zahlreiche private Einrichtungen und kulturelle Aktivitäten. Deutschsprachige Privatschulen und Unterrichtszweige an Regierungsschulen dokumentieren den anhaltenden, wenn auch schwindenden Einfluss dieser Minderheit im Lande.

Das Juwel deutschsprachiger Kulturpolitik ist die Deutsche Höhere Privatschule (DHPS) in Namibias Hauptstadt Windhoek. Sie selbst beschreibt in ihrem Leitbild ihren Anspruch und ihr Wirken so:

„Wir sind eine deutsch-namibische Begegnungsschule, die den Menschen verschiedener ethnischer und sprachlicher Herkunft eine Grundlage zur gemeinsamen und exzellenten Gestaltung ihrer Zukunft bietet. Soziale Verantwortung, ethische Grundwerte, gegenseitiger Respekt und eine offene Kommunikationsstruktur stehen dabei im Vordergrund.“

Während der Apartheid war die DHPS eine Überlebensnische

Bereits zu Apartheid-Zeiten trotz hoher Schulgebühren nur dank der Unterstützung der westdeutschen Regierung funktionsfähig, bot die DHPS den wenigen andersdenkenden und -fühlenden Jugendlichen eine Überlebensnische. Von der im deutschen Schulverein als rechtlichem Träger vertretenen Elternschaft wurden diese und die aus der BRD entsandten Lehrkräfte oft misstrauisch beäugt.

Es gehörte nicht viel dazu, in einem Klima der Intoleranz eines repressiven Minderheitsregimes von den meisten der „Südwester“ genannten Deutschen in Namibia kritisiert oder ausgegrenzt zu werden. Die selbstgerechte Herrenmenschenmentalität überlebte zumindest teilweise auch die Unabhängigkeit Namibias 1990. Auch heute noch werden im Schulalltag der DHPS SchülerInnen diskriminiert.

Der Umgang mit solchen Vorkommnissen bleibt heftig umstritten. Die Allgemeine Zeitung spiegelt in Leserbriefen die Abwehrhaltung jener wider, die sich einer öffentlichen Thematisierung widersetzen und den Rassismus leugnen oder verharmlosen.

Als 2016 bekannt wurde, dass die Mutter eines Mädchens in der Primarstufe deren Einladung an einen schwarzen Klassenkameraden zu ihrer Geburtstagsfeier rückgängig machte, wurde dies als ihre legitime Sorge um das Wohlergehen ihres Kindes gerechtfertigt.

Abwehrhaltung der deutschsprachigen Minderheit

Diejenigen, die den Vorfall publik machten, wurden als Unruhestifter und Quertreiber geächtet. Immerhin führte dies zur Formierung einer Arbeitsgruppe von VertreterInnen aller Gruppen. Doch erst im November 2019 wurde in einem moderierten Workshop deren Aufgabenstellung verbindlich festgelegt.

Als im Juni 2020 die Schulleiterin, SchülerInnen und Lehrkräfte außerhalb des Schulgeländes niederknieten, führte dies zu süffisanten Belehrungen, nicht nur Black, sondern All Lives Matter. Aus den Mündern jener, denen mindestens hundert Jahre schwarzes Leben und menschliche Würde unter der Apartheid scheißegal gewesen ist, mutet dies seltsam entrückt an.

Und es verdeutlicht, dass bilaterale Regierungsgespräche auf der Suche nach Verständigung dem Rassismus und weißen Überlegenheitsdenken unter Teilen der deutschsprachigen Minderheit kein Ende setzen können. Dies wird auch von der Bevölkerungsmehrheit wahrgenommen und als Schlag ins Gesicht der erklärten nationalen Versöhnungspolitik verstanden. Animositäten werden dadurch nicht abgebaut, sondern verstärkt.

Statement der DHPS vom 8. November

„Wir sind nicht stolz darauf, dass es in der Schule und in unserer Gesellschaft immer noch Diskri­minierung gibt“

Anfang November dieses Jahres sorgte nun ein in der Öffentlichkeit kolportierter interner Bericht von Betroffenen für Aufregung. Dieser stellte fest, dass Schwarze von einigen MitschülerInnen weiterhin teilweise gemieden, rassistisch erniedrigt und beleidigt werden.

Dass dies publik wurde, führte erneut zu Abwehrreaktionen von Deutschsprachigen. Sie wiesen die Enthüllungen als Sabotage am friedlichen Miteinander empört von sich. Solch friedliches Miteinander, so scheint es, wird von ihnen, indem sie auf ihre verfassungsmäßig verbrieften Minderheitsrechte pochen, aber als ein Nebeneinander missverstanden, in dem fortgesetzter Rassismus unter den Teppich gekehrt werden darf.

Einsichtigkeit ohne Folgen

Die Schule selbst reagierte differenzierter. Am 8. November 2020 gingen DHPS-Schulleitung und Vorstand des deutschen Schulvereins in einer gemeinsamen Erklärung auf die publik gemachten Vorfälle ein:

„Die DHPS als Institution ist entschieden gegen jede Form der Diskriminierung. Darüber hinaus erkennen wir historische Vorurteile sowie die daraus resultierende Ungleichheit an und empfinden ein tiefes Mitgefühl für diejenigen, die dadurch körperliche oder emotionale Verletzungen erlitten haben. (…) Wir sind nicht stolz darauf, dass es in der Schule und in unserer Gesellschaft immer noch Diskriminierung gibt. Es stimmt uns traurig, dass noch ein langer Weg vor uns liegt, bis wir ein wirklich integratives Umfeld für alle unsere Schüler, Mitarbeiter und Eltern beanspruchen können.“

Am 13. November hieß es in einer weiteren, abschließenden Erklärung: „Wir sind uns durchaus darüber im Klaren, dass es in der namibischen Gesellschaft und an Schulen bis heute Diskriminierung gibt. Daher genießt dieses Thema in allen Leitungsebenen der DHPS eine große Bedeutung und wir setzen tagtäglich alles daran, ein integratives Umfeld für die gesamte Schulgemeinschaft zu schaffen.“

Dass es Rassismus auch an anderen Schulen des Landes gibt, ist dabei eine allzu bequeme Ausrede. Die DHPS als erklärte Begegnungsschule bleibt weiterhin mit einer Sisyphusarbeit konfrontiert. Sie hat gerade eine schulpsychologische Beratungsstelle eingerichtet.

Zum aufgeführten thematischen Angebot gehört „Einsamkeit erklärt“ und „Mittel gegen Unzufriedenheit“. Von Diskriminierung und Rassismus ist keine Rede. Die Kinder und Jugendlichen, denen die DHPS eine repressionsfreie Atmosphäre der Bearbeitung von Konflikten Raum bieten möchte, laufen Gefahr, dabei weiterhin auf der Strecke zu bleiben.

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