Rassismus im britischen Königshaus: Die Macht zu diskriminieren
Archiv-Dokumente enthüllen, dass es bis Ende der 60er Jahre PoC und Menschen mit Einwanderungsgeschichte verboten war, im Palast zu dienen.
Manchmal habe ich das Gefühl, die Deutschen sehen unsere britische Königsfamilie als einen Witz an. Wie einen lustigen, süßen, irgendwie sehr bizarren Witz. Dabei vergessen sie, dass die Menschen, die dieser Familie angehören, echte Menschen sind. Und ihr trauriges, leeres, sinnloses Leben real ist.
Ein Beispiel: Im Jahr 2013 wurde ein uraltes Gesetz aus einer blutigen Periode unserer Geschichte angepasst. Mit der Modernisierung des „Succession to the Crown Act“ sollte die königliche Familie endlich mit der modernen Welt vereinbart werden. 300 Jahre wurden Männer bei der Thronfolge bevorzugt, jüngere Söhne hatten vor älteren Schwestern Vorrang. Doch das ändere sich nun mit der Gesetzesanpassung. Und nun durften die Thronfolger:innen auch Katholik:innen heiraten.
Die Aufregung damals war groß, ich fand sie absurd. Klar: Die Diskriminierung von Katholiken in Großbritannien ist real, aber sie unterscheidet sich zum Beispiel vom Anti-Irischen-Rassismus und Klassenfeindlichkeit. Außerdem ist die Idee der Monarchie an sich schon Diskriminierung pur. Gott im Himmel hat einen Menschen ausgesucht, sein Blut und seine Spermien oder ihre Eierstöcke sollen irgendwie magisch sein, und dieser Mensch soll deshalb Chef des Landes sein? Wenn die Monarchie an sich nicht diskriminierend wäre, könnte jeder Sozialhilfeempfänger in England die Queen verklagen dürfen, weil er nicht selbst für diesen Job in Frage käme.
Als britische Anti-Monarchistin möchte man sich also gar nicht mehr aufregen, wenn es neue Nachrichten aus dem Palast gibt: Wie der Guardian exklusiv berichtet, war es bis in die 1960er hinein offizielle Politik, „nicht-weißen Migranten oder Ausländern“ die Büroarbeit im Palast zu verbieten. Was vielleicht noch schlimmer ist: Der Buckingham Palast soll ausgehandelt haben, dass sich die Queen nicht an Antidiskriminierungsgesetze halten musste, die in den 1960ern von der Regierung auf den Weg gebracht werden sollten. Und es wird noch schlimmer: Der Palast soll damit gedroht haben, die Queen würde die Gesetze nur dann absegnen, wenn es für sie darin eine Ausnahme gäbe.
Die Institution ist das Problem
Konkret bedeutet das, dass Mitarbeiter:innen des Palasts, die sich rassistisch oder sexistisch diskriminiert fühlten, keine Möglichkeit hatten, darüber offizielle Beschwerde einzureichen. Die Queen ist eine Arbeitgeberin, die per Gesetzesausnahme rassistisch und sexistisch diskriminieren darf. Wir reden viel darüber, in Deutschland wie in England, wie wenig Macht diese Frau doch eigentlich hat. Doch offensichtlich hat sie die Macht dazu, solche Gesetze zu verhindern, wenn sie von ihnen betroffen ist.
Sollte man die Royals nun dafür verurteilen oder ist man da zu hart zu ihnen? Es waren schließlich die Sechziger, England war ein rassistisches Land. Damals gab es noch Schilder in den Pubs, auf denen stand “No Blacks, No Dogs, No Irish“. Die königliche Familie war damals bestimmt nicht weniger rassistisch als das restliche Land. Und auch die Queen war und ist mit Sicherheit keine besonders rassistische Frau, sondern so rassistisch, wie eben jemand ist, der 1926 geboren wurde.
Nicht der Rassismus der Queen oder der königlichen Familie selbst ist das große Problem hier. Dass die Royals eine rassistische Institution sind, die ihre Macht benutzt hat, um zu versuchen, dass das Land genauso rassistisch bleibt, wie es war, ist die Schande.
Was ich wirklich pervers finde, ist, wie schnell diese Königsfamilie Ermittlungen gegen Meghan Markle einleiten konnte, nachdem diese Rassismus- und Mobbingvorwürfe gegen das Königshaus erhoben hatte. Und das, bevor sich der britische Palast an die Antidiskriminierungsgesetze seines Landes halten konnte. Meghan Markle zu opfern, und das ohne einen Hauch von Selbstkritik, ist unmenschlich.
Wahrscheinlich haben die Deutschen recht: Die Royals sind einfach ein schlechter Witz. Einer, über den es keinen Spaß macht zu lachen. Die Queen, die wahrscheinlich keine besonders rassistische Frau ist, wird bald tot sein. Und das britische Königshaus, das eine sehr rassistische Institution ist, wird hoffentlich mit ihr sterben.
Leser*innenkommentare
Normalo
Wie üblich hat auch diese Medaille zwei Seiten. Dass der britische Hof in den 60er Jahren noch der Ansicht war, Gralshüter einer hergebrachten, weiß-imperialen Staatskultur zu sein, und sich entsprechend gegen Modernisierungen im von ihm kolportierten Gesellschaftsbild streubte, dürfte unbestritten sein, ist aber Geschichte und vor dem historischen Hintergrund kein Skandal. Dei Zeiten damals waren eben noch recht düster, was Diskriminierung - egal von wem - betrifft.
Die heutige Monarchie ist daran zu messen, was sie aus der Geschichte gelernt hat und inwieweit sie den Ansprüchen der Gegenwart gerecht wird. Dabei ist wohlgemerkt auch ein kritisches Auge auf diese Ansprüche zu richten: Nicht alle Briten sehen in den anachronistischen Elementen ihrer Monarchie per se einen schwerwiegenden Nachteil - wenn überhaupt. Im Gegenteil wäre es inkonsequent bis absurd, FÜR das an sich schon anachronistische Institut einer Erbmonarchie zu sein (was die deutliche Mehrheit der Bevölkerung ja ist), aber GEGEN jegliche anachronistische Elemente derselben.
Fakt ist - bezogen auf die Gegenwart -, dass die Äußerungen, über die sich die Herzogin von Sussex (den Titel trägt sie ja wohl noch - und zwar freiwillig) im Interview beschwert hat, natürlch rassistisch waren, aber sich in dem Rahmen hielten, den man wohl bei Menschen anlegen muss, die vor dem zweiten Weltkrieg aufgewachsen sind (vgl. Einschätzung der Autorin). Das wäre keine Entschuldigung für die nachfolgenden Generationen, sich so zu äußern, aber WER der verächtliche Rassist war, wurde ja auch nicht mitgeteilt (Louis Mountbatten war schon lange tot, als Harry mit Meghan ankam. Das dürfte die Zahl der wahrscheinlichen Quellen um ca. 50% reduziert haben... ;-)). Fakt ist auch, dass die Royals die Anschuldigungen ernst nahmen.
Budzylein
@Normalo Aber es ist britische Tradition, dass die Königin keine eigene Politik verfolgen darf, sondern die jeweilige Politik von Regierung und Parlament zu repräsentieren hat. Also stand es ihr nicht zu, die Antidiskriminierungsgesetze nicht respektieren zu wollen und für das Königshaus eine Ausnahmeregelung zu verlangen. Diese Gesetze sind im Übrigen von Politikern verabschiedet worden, die mehrheitlich ebenfalls nicht später als 1926 geboren worden waren. Dass weiße Briten aus dieser Generation ganz überwiegend von klein auf rassistisch sozialisiert waren, kann man ihnen nicht vorwerfen, aber jeder Erwachsene und insbesondere die Königin hat einen Kopf zum Denken.
Normalo
@Budzylein Man wird wohl den damaligen punktuellen Widerstand nicht als "politische" Gegenwehr einordnen müssen. Es war mehr ein Fall von "Quod licet Iovi...", würde ich sagen. Es ist ja nicht so, als wäre die Krone öffentlich gegen die Diskriminierungsverbote eingetreten oder hätte auch nur ihre Ausnahme an irgendeine Glocke gehängt.
Und eine Mehrheit im Parlament ist eben allenfalls repräsentativ für die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung. Sie schützt nicht vor der weiteren Existenz von ewig Gestrigen - unabhängig von deren Stand.
noevil
@Normalo Ernst nehmen sollte man auch den Gedanken, dass Irland, Australien und Kanada immer noch (und recht bereitwillig) im Commonwealth unter britischem Protektorat stehen. In diesen Ländern herrschten gegenüber Hilflosen mehr als viele Jahrzehnte unter katholischer Heim- und Ordens-"Obhut" Bosheit, Gewalt, Niedertracht und grausame Willkür. Immer mehr kommt in den letzten Jahren ans Tageslicht und lässt die meisten Menschen tief erschüttert, nachdenklich und fassungslos zurück.
Das britische Königshaus schweigt zu all dem. Warum?
Lars B.
@noevil Wie meinen? In Kanada, Australien und Irland sind unter britischen Protektorat? Commonwealth und Protektorat sind zwei völlig unterschiedliche Dinge, da sollten Sie erst einmal Ihren Wissensschatz aufbessern bevor Sie so steile Thesen in die Welt senden.
92293 (Profil gelöscht)
Gast
Die Queen lebt tiefgläubig und streng nach erzieherischen Familienkodex als junges Mädchen aus der Königsfamilie nach vorne gerückt zu werden zur nächsten Thronfolgerin obwohl sie weiblich ist hat vermutlich einen Teil ihrer Bestimmtheit geprägt. Royale Dynastien mußten Federn lassen während des 1.Weltkrieges damit einhergehenden verkleinerte sich die Wirtschaftsmacht mit dem 2.Weltkrieg mußten die Kontakte neu aufgestellt werden und es war klar die Supermacht England besteht nicht mehr, so wurde Indien wieder zurückgegeben und Afrika begann sich seine eigenen Herrscher einzusetzen. Ich finde die ritualisierten Feierlichkeiten übertrieben, das liegt wohl in größeren Teilen an der Tatsache dass in Deutschland die Bedeutung des Adels mit Ende des 2. Weltkriegs weiter zurückgesetzt wurde als in anderen Ländern.besonders witzig finde ich, dass fast jedes europäische Königshaus sich gerne und oft mit deutschem Adel die familiäre Linie gefestigt hat, gerade die Briten haben viele deutsche in ihrer familiären Thronfolge.
4813 (Profil gelöscht)
Gast
Vielleicht hat die Queen um ihr Leben gefürchtet. Ein Inder, dessen Großvater von den Briten vor die Kanone gebunden wurde, war sicher nicht zum spaßen aufgelegt.
Lars B.
@4813 (Profil gelöscht) Einer vielleicht aber alle oder jeder?
4813 (Profil gelöscht)
Gast
@Lars B. Naja, ist vielleicht nicht nur Angst, vielleicht auch Scham.
Und wenn sie jetzt schwarze Diener hätte, wäre es vielen auch nicht Recht.
Das Problem ist nicht der Rassismus, es ist die royale Einstellung.
Gut das wir solch Pack nicht mehr haben.