Rassismus im Fußball: Wütender Fingerzeig

Real Madrids Vinícius Júnior wird erneut rassistisch beleidigt. Bei allem Entsetzen ebbt auch die Kritik an dessen Verhalten auf dem Feld nicht ab.

Vinicius Junior zeigt in Richtung Tribüne und wird von Mitspieler Anrtonio Rüdiger davon abgehalten darauf zuzustürmen

Kaum zu halten: Vinícius Júnior zeigt in die Richtung, aus der er rassistisch beleidigt worden ist Foto: ap

BARCELONA taz | Vinícius Júnior, seine Capricen und der Rassismus gegen ihn: Das Thema dominiert den spanischen Fußball schon die ganze Saison. Doch so heftig wie am Sonntag bei Real Madrids 0:1 in Valencia war es noch nie. Selbst ein besonnener Charakter wie Carlo Ancelotti wollte danach „nicht über Fußball sprechen“. Der italienische Real-Trainer erklärte: „So etwas habe ich noch nie erlebt. Nach seiner Roten Karte hat ihn (Vinícius, d. Red.) das ganze Stadion einen Affen gerufen.“

In Wirklichkeit verunglimpfte das Publikum im Estadio Mestalla den brasilianischen Außenstürmer in jenem Moment zwar massenhaft als Dummkopf („tonto“) und nicht als Affen („mono“), weshalb Ancelotti seine Anklage später modifizierte und in einem Tweet nur noch von einer „Gruppe Fans“ schrieb. Aber die hatte es definitiv gegeben.

Vinícius persönlich wies den Schiedsrichter auf sie hin, die Partie wurde protokollgemäß unterbrochen, zwei Schreihälse identifiziert. Auch bei Ankunft des Madrider Mannschaftsbusses am Stadion ertönte aus dem Fanpulk heraus die Beleidigung, die im Herbst der Chef der spanischen Fußballberatervereinigung in die schon länger schwelende Debatte um Vinícius bisweilen provokantes Verhalten auf dem Platz eingeführt hatte.

Sogleich wurde sie durch Anhänger von Atlético Madrid beim folgenden Derby wiedergekäut. Damals sorgte das bis hin zu Premierminister Pedro Sánchez für einen routinemäßigen Aufschrei, doch passiert ist seither wenig bis gar nichts.

So sieht es Vínícius selber, der in den sozialen Netzwerken eine furiose Attacke auf Liga, Land und Leute lancierte: „Der Siegerpreis für die Rassisten war mein Platzverweis. Es ist nicht Fußball, es ist LaLiga.“ Letzterer Satz ist der Werbeslogan des Cham­pionats. Später fügte er hinzu: „In Brasilien hält man Spanien für ein Land von Rassisten.“

Rechtsoffener Ligachef

Wie die Hälfte der Brasilianer für ihren Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro, so hat auch Ligachef Javier Tebas schon mal offen politische Sympathien für die Rechtspopulisten geäußert. Mit Rassismus will er sich aber nicht in Verbindung bringen lassen. Man gehe „mit aller Härte“ dagegen vor und habe diese Saison „neun Fälle von rassistischen Beleidigungen (davon acht gegen Vinícius)“ zur Anzeige gebracht.

Vinícius solle sich „besser informieren“, außerdem sei er zu zwei Treffen, die er selbst zur Frage des Umgangs mit dem Problem angeregt habe, nicht erschienen. „Ich bin nicht dein Kumpel, um über Rassismus zu sprechen, ich möchte Aktion und Strafen“, konterte Vinícius daraufhin: „Einmal mehr attackiert der Ligapräsident mich, statt die Rassisten zu kritisieren.“ Seine Berateragentur TFM verglich den Spieler am Montag in einem Statement gar mit George Floyd, dem Todesopfer rassistischer Polizeigewalt in den USA.

Trainer Ancelotti hatte im Herbst noch erklärt: „In Spanien sehe ich keinen Rassismus.“ In Mestalla nun habe er erstmals in seiner fast 30-jährigen Trainerkarriere einen Spieler gefragt, ob er unter den Bedingungen eines so feindlichen Ambientes weiter auf dem Platz bleiben wollte. Vinícius wollte und wurde in der Nachspielzeit auf Intervention des VAR für eine Tätlichkeit vom Platz gestellt. Er verabschiedete sich mit höhnischem Applaus für den Schiedsrichter und zwei gestreckten Fingern in Richtung Publikum. Zwei für die Zweite Liga: Valencia steckt im Abstiegskampf.

Kann keine rassistischen Entgleisungen rechtfertigen

„Unerträglich (alles)“ titelte anderntags die Sportzeitung Marca und kommentierte: „Die rassistischen Beleidigungen sind zu viel und die Gesten von Vinícius auch.“ Ähnlich leitartikelte As über einen Vinícius, der „beherzt“ gegen die Rassisten aufgetreten sei, aber „unmöglich“ bei seinem Abgang vom Platz.

Beide Blätter stehen Real Madrid nahe, und auch im Verein selbst bestreiten nur wenige, dass der 22-Jährige sein Verhalten auf dem Platz verbessern muss – wegen seiner Kabbeleien mit Gegenspielern und den Schiedsrichtern flirtet er in jedem Match mit der Roten Karte. All das mag auch erklären, warum kein anderer Spieler der Liga auf gegnerischen Plätzen so unbeliebt ist wie Vinícius. Nur: Rassistische Entgleisungen rechtfertigen kann es nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.