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Rassismus gegen Sin­ti*z­ze und Rom*­njaAntiziganismus trifft Kinder in Schulen und Kitas

Ein neuer Bericht zeigt, wie Sin­ti*z­ze und Rom*­nja im Bildungssektor diskriminiert werden. Neben aktiven Übergriffen droht auch systematische Ausgrenzung.

Sin­ti*z­ze und Rom*­nja werden in der Schule oft Opfer von Mobbing und Diskriminierung Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Berlin taz | Junge Sin­ti*z­ze und Rom*­nja erleben im deutschen Bildungssystem massive Diskriminierung. Der neue Monitoringbericht der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus (MIA) zeigt, wie Hass und Vorurteile die davon betroffenen Kinder und Jugendlichen belasten. MIA-Geschäftsführer Guillermo Ruiz sprach von einem „oft feindseligen Umfeld“ in den deutschen Schulen und Kitas.

Grundlage des Berichts ist die Auswertung von insgesamt 484 Vorfällen mit Bildungsbezug, die in den vergangenen zwei Jahren bei MIA eingingen. Neben offenen Anfeindungen durch Mitschüler*innen, Lehrkräfte und Er­zie­he­r*in­nen ziehen sich auch Beispiele subtilerer und systematischer Formen der Ausgrenzung durch den Bericht. So werden junge Sin­ti*z­ze und Rom*­nja häufig ohne Grund auf Förderschulen geschickt. Geflohene Rom*­nja warten oft deutlich länger auf Kitaplätze oder die Einschulung als andere Geflüchtete. Und gemeldete Diskriminierungsfälle ignorieren Lehrkräfte und Schulleitungen teils.

Ein Bericht aus Berlin sticht besonders heraus: Dort sollen die zuständigen Behörden einer zugewanderten Rom*nja-Familie aus Moldau mitgeteilt haben, die Kinder dürften keine Schule besuchen, da ihre Abschiebung ohnehin bevorstehe. Stattdessen könnten sie Sportkurse besuchen. Moldau ist seit 2023 als sogenannter sicherer Herkunftsstaat eingestuft, was die Chancen im Asylsystem deutlich verringert.

Antiziganismus wird oft einfach hingenommen

Die systematische Benachteiligung, das Mobbing und die Übergriffe führen teils dazu, dass die Kinder und Jugendlichen dem Unterricht fernbleiben. Auch dies erkennen Behörden und Schulleitungen mitunter nicht an, heißt es im Bericht.

Um dem entgegenzuwirken, fordert MIA unter anderem ein unabhängiges Beschwerdesystem, an das sich Betroffene werden können, sowie mehr Sensibilisierungsprogramme für Lehrkräfte und Erzieher*innen. Es brauche endlich „Bildungsgerech­tigkeit und Chancengleichheit im deutschen Bildungssys­tem“, betont MIA-Chef Ruiz.

Studien zeigen immer wieder, dass kaum eine andere Minderheit in Deutschland so stark diskriminiert wird wie Sin­ti*zze und Rom*­nja. Während offener Rassismus gegen andere Minderheiten weitgehend tabuisiert ist, wird Antiziganismus in weiten Teilen der Gesellschaft einfach hingenommen.

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4 Kommentare

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  • So richtig kann ich die Zahlen damit nicht einordnen, ohne Vergleich. Ich habe in meiner Schulzeit sicherlich in mehr als 1000 Fällen Diskriminierung und Mobbing gesehen. Da es oft nicht bei einer Tat am Tag blieb sicherlich mehr. Das dürfte den meisten so gehen, die auf eine Schule der unteren sozialen Schichten gehen mussten.

    Ich finde auch die Einschätzung der Sprachkenntnisse eher schwierig. Natürlich versucht man Kinder mit gleicher Herkunftssprache in einer Klasse zu unterrichten. Die Eltern können auch sehr unterschiedliche Wahrnehmungen zum tatsächlichen Leistungsstand ihres Kindes haben. Ein Kind ohne entsprechende Sprachkenntnisse in eine reguläre Klasse zu stecken ist, zumindest bei den Schulen die ich kannte, unverantwortlich und steht dem Bildungserfolg dauerhaft im Wege. Es sollte aber sichergestellt sein, dass die Willkommensklassen auch entsprechend gute Sprachbildung bieten.

    Ebenso ist es gerade in Städten sehr schwierig, wenn man mitten im Schuljahr umzieht überhaupt einen Schulplatz zu finden. Ich habe in Berlin, im Februar angekommen, bis zum nächsten Schuljahr im Spätsommer warten müssen.

    Ich sehe da auf Institutionsseite eher allgemeingültige Probleme.

  • Schon traurig, dass das Z-Wort bei einem Schnitzelgericht immer noch angewendet wird.

    • @Ice-T:

      Sehe ich anders, da es sich um eine positive Konnotation handelt. Es wird auch niemand diskriminiert wenn irgendwo ein "Zigeunerschnitzel" bestellt wird.

    • @Ice-T:

      Warum? Selbst in der TAZ Redaktion sieht man das anders. Beitrag vom 15.04.2015:

      Politische Korrektheit



      Ich, Zigeuner



      Wer „Sinti und Roma“ sagt, glaubt, es richtig zu machen. Man kann aber auch „Zigeuner“ sagen.

      Von Tibor Racz



      Stellen Sie sich vor, sie bestellen ein „Romaschnitzel“ oder „Ethnoschnitzel“ statt eines „Zigeunerschnitzels“. Klingt komisch, ist es aber nicht. So steht es in ungarischen Speisekarten. Die Ordnung politisch korrekter Begriffe hat ihre Fallstricke, und die Leute werden immer unsicherer, wie sie Angehörige dieser Ethnie nennen sollen. Ist es wirklich ein Zeichen von Aufklärung, die Begriffe Sinti und Roma zu verwenden? Nur weil „Zigeuner“ als eindeutiges Schimpfwort gilt?