Rassismus bei den Oscars: Die Sache mit der Realität
Die Rassismusdebatte bei den Oscar-Nominierungen geht in die nächste Runde. Nun wird öffentlich geächtet, etwa Schauspielerin Charlotte Rampling.
Der Wert mancher Diskussionen zeigt sich erst so richtig, wenn das „public shaming“ beginnt. Wer weiß, Charlotte Rampling und Michael Caine hatten vielleicht einfach nur Pech. In jedem Fall bekamen sie genau in jenen Tagen ein Mikrofon vorgehalten, als die Welle der Empörung nach der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen so richtig hochschoss.
Rampling, die dieser Tage 70 wird und für ihre Rolle in „45 Years“ die erste Oscar-Nominierung bekam, warf zu ihrem Unglück das keineswegs von ihr erfundene Argument in den Ring, dass man Schauspieler ja nicht nach Hautfarbe auszeichnen könne, sie oder er müsse schon auch gut sein.
Und Michael Caine (6 Nominierungen, 2 Oscar-Gewinne) forderte seine schwarzen Kollegen zu mehr Geduld auf. Bei ihm selbst habe es auch lange gedauert. Ob nun Rampling tatsächlich die Forderung nach mehr Vielfalt bei den Oscars als „rassistisch zu Weißen“ bezeichnet hat, sei dahingestellt. Die mediale Empörung darüber zeigt jedenfalls: Wenn man aus Leuten wie Rampling und Caine Debattengegner konstruieren muss, heißt das nichts Gutes für die Debatte.
Mehr Vielfalt einzuklagen, ist natürlich nie falsch. Weshalb es prinzipiell zu begrüßen ist, dass die „weißgewaschenen“ Oscar-Nominierungen einen Schweif der Empörung nach sich ziehen. Es gab auch Boykottaufrufe. Spike Lee will fernbleiben, genauso wie Will Smith und seine Ehefrau Jada Pinkett Smith.
Chris Rock, der designierte Conferencier des Oscar-Abends, wurde von Tyrese Gibson (“Fast & Furious“) unter Druck gesetzt, seinen Gig abzusagen. Die Sache lasse sich doch auch durch neu geschriebene Gags nicht wieder ausgleichen! Rock verspricht derweil genau das, und wer seinen Auftritt von 2005 noch in Erinnerung hat, wird darauf gespannt sein.
Dass man Preise nach Leistung und nicht nach Quoten vergeben kann – vor allem Frauen dürfte das Pingpong der Argumente vertraut sein. Aber es ist müßig, Jahr um Jahr die bei den Oscars übergangenen Filme durchzugehen.
Natürlich wären Filme mit vorwiegend schwarzer Besetzung vor und hinter der Kamera wie „Creed“ oder „Straight Outta Compton“ genauso würdige Kandidaten wie „45 Years“ oder „The Revenant“. Aber die Oscars waren noch nie repräsentativ, bei der Hautfarbe ihrer Nominierten genauso wenig wie bei der Qualität der ausgezeichneten Filme.
Natürlich ist Repräsentation wichtig. Mehr nicht-weiße Regisseure, Produzenten und Schauspieler bei den Oscars – das bedeutet mehr Inspiration und Ermutigung für alle, die nachrücken. Aber die Forderung nach Repräsentation hat auch ihre Grenzen. Dass der bald wohl erfolgreichste Film aller Zeiten, „Star Wars 7“, einen Schwarzen und eine Frau als Haupthelden hat, kann man zwar als Erfolg für die Vielfalt preisen. Aber was bringt das tatsächlich?
Die Oscars und die, die sie wichtignehmen, nehmen sich zu wichtig. Sicher, Hollywood prägt die Wahrnehmung, aber man sollte aufpassen, sich nicht dem Vorurteil der Rechten anzunähern, die stets den verheerenden Einfluss der „liberal values“ aus Hollywood verteufeln.
In Hollywood würde wahrscheinlich schon mehr Vielfalt einkehren, wenn es interessierter an der Realität wäre – so wie das im Bereich der TV-Serien bereits der Fall ist.
Und noch etwas anderes macht skeptisch. Mit jeder Repräsentationsforderung redet man auch jener „Identitäts“-Politik das Wort, die derzeit wie eine Plage die Welt überzieht und bei der wir alle nur noch als Unterkategorien von Geschlecht, Hautfarbe und Religion beurteilt werden.
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