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Rassismus bei BVG-TicketkontrollenFahrscheinlich tra(u)matisiert

Bei der BVG häufen sich die Einzelfälle diskriminierender und gewalttätiger Ticketkontrollen. Höchste Zeit, den Laden einmal aufzuräumen.

Die BVG wirbt mit dem Slogan „Weil wir dich lieben“ – passt das noch? Foto: picture alliance/ Arne Immanuel Bänsch

B ei uns könnense fahrscheinlich tra(u)matisiert werden“, so wortwörtlich meine Empfehlung an die Berliner Verkehrsbetriebe. Das öffentlich-rechtliche Unternehmen, das jährlich bis zu 1,1 Milliarden Fahr­gäs­t*in­nen befördert, liebt sowieso die flotten Sprüche. Mit dem Slogan #WeilWirDichLieben hat die BVG 2015 eine der erfolgreichsten Propagandakampagnen der Stadt seit der „Aktuellen Kamera“ (DFF) gestartet.

Wer kennt die mit Schnauze und Selbstironie übersättigten Videos und Poster der BVG nicht? Etwa das Plakat, das eine frisch aus der Dusche gesprintete, noch in Frottiertücher gewandete Frau auf dem U-Bahn-Steig darstellt. Zum Nachahmen nicht empfohlen. Und die zu Weihnachten vertickten Hanftickets, worüber man vielleicht Gras wachsen lassen sollte, haben auch ihre Haschtags.

Regelmäßig fahre ich mit der BVG. Mittlerweile nur im Stehen, auch wenn es leere Plätze gibt. Es ist ein Urinstinkt. Denn der Urin stinkt. Wie auch die klebrigen Flächen, die sich aus Erbrochenem und aus verschüttetem Bier bilden. Die sogenannten Umlaufreinigungen, die seit Corona an den Endstationen intensiviert vorgenommen würden, reichen nicht aus.

Jedermann-Festnahmen geraten aus den Fugen

Aufräumen müsste die BVG wiederum in anderer, nicht minder dringlicher Hinsicht. Denn Fahr­gäs­t*in­nen fühlen sich von Mitarbeitenden des Unternehmens eingeschüchtert und drangsaliert. Man denke an Dr. Abbéy O., der nach einer Begegnung im Dezember 2020 mit BVG-Kontrolleuren in der U5 mit gebrochenen Rippen und Lungenquetschungen davongekommen ist.

Nun gibt es den Fall der 31-jährigen Yogalehrerin Juju K., deren Fahrt in der Straßenbahnlinie M10 mit einem gebrochenen Finger endete. Ihren Angaben zufolge sei sie von zwei aggressiven Kontrolleuren genauer genommen sogar nach dem Aussteigen am Frankfurter Tor an den Armen gepackt worden. Geflohen war sie nicht. Es habe eine Sprachbarriere und ein Missverständnis über einen zu spät eingelösten Handyfahrschein gegeben.

Ein Video zeigt, wie die Jedermann-Festnahme aus den Fugen geriet. Frau K. erlitt einen Spiralbruch und wurde umgehend operiert. Eine weitere OP steht ihr bevor. Es wird ermittelt. Stand der Dinge: Aussage gegen Aussage, Anzeige gegen Anzeige.

Kontrollen nach dem TRAM-Prinzip

Ich habe Straßenbahnkontrolleure miterlebt, die den Eindruck erweckten, nach dem TRAM-Prinzip zu handeln: transphob, rassistisch, asozial, misogyn. Diese Blicke, als sei eine Schwarze Fahrerin automatisch eine Schwarzfahrerin. Wenn ich aber dann meine Bahncard 100 First vorzeige, mit der ich erstklassig auch ICE fahre, bedanken sie sich, manchmal widerwillig, manchmal sogar freundlich bei mir.

Aber haben nicht alle Mitinsassen ein Anrecht darauf, von Anfang an menschlich behandelt zu werden? Selbstverständlich hat die BVG einen rechtlichen Anspruch auf das Beförderungsentgelt ggf. mitsamt Bußgeld, aber nicht auf Kosten der Sicherheit und des Wohlgefühls der Fahrgäst*innen.

Lauter Einzelfälle

Und es reicht nicht, das Schwarzfahren zu entkriminalisieren. Man müsste dafür Sorge tragen, dass keine Kriminellen im Namen der BVG Geld eintreiben. Zu diesem Zwecke haben Abertausende die Petition #BVGWeilWirUnsFürchten unterzeichnet, um gegen die Diskriminierung und die Gewalt seitens BVG-Kontrolleur*innen zu protestieren. Denn die „Einzelfälle“ summieren sich.

Vielleicht sollte ich dem Unternehmen meinen Vorschlag also doch schicken. Fahrscheinlich traumatisiert. „So könntest Du aussehen“, lautet der Untertitel zu Fotos von krankenhausreif geschlagenen Passagier*innen, die wie Warnbilder auf Zigarettenschachteln prangen. Natürlich nur, um Schwarzfahrende humorvoll abzuschrecken.

Aber mich beschleicht das Gefühl, dass mein ungebetener Werbevorstoß irgendwie in der Wendeschleife steckenbleiben oder aufs Abstellgleis verschoben würde. Immerhin gibt es Störungen in der Oberleitung, zu deren hervorragendsten Kompetenzen die Kritikfähigkeit nicht zählt. Das systemische Problem mit den Kon­trol­leu­r*in­nen ist längst bekannt. Es muss gehandelt werden, und Unternehmensführung ist ohnehin nicht Aufgabe einer selbstverliebten, mittlerweile langweilig und einfältig gewordenen PR-Abteilung.

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Michaela Dudley
Journalistin/Kabarettistin
Michaela Dudley (Jg. 1961), eine Berliner Queerfeministin mit afroamerikanischen Wurzeln, bezeichnet sich als „Frau ohne Menstruationshintergrund, aber mit Herzblut, in der Regel“. So lautet ihr Signatur-Lied, und so kennt man sie als wortgewandte taz-Kolumnistin. Sie ist Kabarettistin, Filmschauspielerin, Keynote-Rednerin, Journalistin und gelernte Juristin (Juris Dr., US). Ihr 2022 veröffentlichtes Buch RACE RELATIONS: ESSAYS ÜBER RASSISMUS (2. Aufl. 2024), das als lyrischer Leitfaden zum Antirassismus reüssiert, erklärt: „Die Entmenschlichung fängt mit dem Word an, die Emanzipierung aber auch“. Ebenfalls 2022 erschien ihr Essay „Weimar 2.0: Reflexionen zwischen Regenbogen und Rosa Winkel“ in dem vom NS-Dokumentationszentrum München und Hirmer-Verlag herausgegebenen Buch TO BE SEEN: QUEER LIVES 1900 – 1950. Die LGBTQ_Aktivistin ist auch Stammkolumnistin bei der „Siegessäule“ und Gastredakteurin beim „Tagesspiegel/Queerspiegel“. Auf der Frankfurter Buchmesse 2023 als eine von 75 erlesenen Story-Teller:innen auf dem Paulsplatz mit einem symbolischen Klappstuhl ausgezeichnet. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Italienisch, Latein und Hebräisch. Zudem Sie arbeitet sie mit dem Goethe-Institut zusammen. Gelobt wird sie überdies für ihren Auftritt im Spielfilm GESCHLECHTERKAMPF: DAS ENDE DES PATRIARCHATS (2023). In der neo-dokumentarischen Berliner Satire spielt sie sich selbst, und zwar in einer von ihr geschriebenen Szene. Auf dem 37. Braunschweiger Filmfest diente sie als Jurymitglied der Sektion „Echt“ für queere Filme. Von 2018 bis 2022 war sie eine offizielle Übersetzerin der Internationalen Filmfestspiele Berlin (Berlinale) für das Pressebüro und die Sektion Generation. 2019 agierte sie als Gastmoderatorin bei der Live-Übertragung von Berlin Pride (CSD) im RBB-Fernsehen. Regelmäßig erscheint sie in der „Kulturzeit“ (3Sat/ZDF). Im Aufklärungsvideo HAB’ ICH WAS GEGEN (2023) der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (44 Millionen Klicks) und in einem Beitrag für „ttt – titel, thesen, temperamente“ über das Selbstbestimmungsgesetz (110.00 Klicks in 24 Stunden) tritt sie auf. Als Impulsgeberin in puncto Diversity hielt sie Keynote-Reden bei der Deutschen Bahn, der Führungsakademie der Bundesagentur für Arbeit, dem DGB und im geschichtsträchtigen Schöneberger Rathaus. Oktober 2023 in der Arena Berlin moderierte sie für Funke-Medien eine brandaktuelle Diskussion über Antisemitismus und Rechtsextremismus. Ihr Solo-Kabarettprogramm EINE EINGEFLEISCHT VEGANE DOMINA ZIEHT VOM LEDER ist eine „sado-maßlose“ Sozialsatire mit eigenen musikalischen Kompositionen. Ihre diversen Auftrittsorte umfassen die Volksbühne, das SchwuZ, und die BKA (Berliner Kabarett-Anstalt.)
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2 Kommentare

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  • "Berliner Verkehrsbetriebe/ Nahkampf im Nahverkehr



    Eine junge Frau landete nach einer Fahrscheinkontrolle im Krankenhaus - es ist bei den Berliner Verkehrsbetrieben nicht der erste Vorfall, der eskaliert. (...)" (Süddeutsche Zeitung, 22.02.22)



    www.sueddeutsche.d...e-gewalt-1.5534458

  • Ich habe bisher Kontrolleure ausnahmslos als korrekt und höflich kennengelernt, nicht nur mir selbst gegenüber sondern auch im Umgang mit anderen, die diese Höflichkeit keineswegs immer in gleicher Weise erwidern. Allerdings habe ich berechtigten Forderungen bisher auch stets anstandslos Folge geleistet.



    In der Zeitung lese ich jedoch zunehmend von beschimpften, angespuckten und sogar verprügelten Kontrolleuren. Selbst habe ich es so drastisch nie beobachtet, es scheint mir aber im Umfeld meiner Erfahrungen durchaus glaubwürdig. Bisher haben diese sich langsam aber konstant in eine Richtung bewegenden Änderungen noch keinen Wandel im Verhalten der Mitarbeiter bewirkt. Ziemlich sicher werden solche Arbeitsbedingungen aber nicht ohne Einfluß darauf bleiben können, wer sich um solche Positionen bewirbt und wer lieber nicht mehr.



    Wenn wir also weiter höflich behandelt werden und uns setzen können wollen, dann scheint mir das Beschimpfen der Hauptleidtragenden des Wandels eindeutig der falsche Weg.