Rassismus an der Diskotür: Feiern nur mit Aufenthaltstitel
Ein junger Afghane wird in einer Braunschweiger Disko abgewiesen. Die Stadt verweist auf verstärkte Integrationsbemühungen.
Am Eingang werden sie von Türstehern aufgehalten, müssen ihre Ausweise vorzeigen. H., der einen Aufenthaltstitel für Deutschland hat, darf rein. A. dagegen nicht. Er verfügt lediglich über einen Duldungsausweis. „Mit dem kommst du hier nicht rein“, sollen die Security-Leute gesagt haben. Weil seinem Freund der Zutritt verwehrt wird, verzichtet auch H. enttäuscht auf den Disco-Besuch.
„Die Eintrittsverweigerung war vollkommen willkürlich“, beschwerte sich die Patin eine Woche später schriftlich bei Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth. Der Brief liegt der taz vor. „Beide jungen Männer waren ordentlich gekleidet, geimpft und haben sich regelkonform verhalten.“
H. und A. haben nach Angaben der Patin einen Schulabschluss erworben, werden in einem halben Jahr ihre Ausbildung als Zahntechniker und Erzieher abschließen. Sie seien bestens integriert und strebten die deutsche Staatsbürgerschaft an. Die Abweisung der Freunde an der Disco-Tür sei im Übrigen kein Einzelfall gewesen, schreibt die Bildungspatin weiter: „Mir ist in den letzten Jahren immer wieder über gleiche Zurückweisungen auch anderer junger Afghanen berichtet worden.“
Fälle auch schon in der Vergangenheit
Das hat auch die im Stadtrat vertretene Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) schon beobachtet. In einer Anfrage zur Ratssitzung am 5. Oktober weist sie darauf hin, dass „Meldungen über solch diskriminierendes Verhalten an den Türen der Braunschweiger Clubszene bereits in der Vergangenheit aufgetreten“ seien.
Die Stadtverwaltung hatte nach entsprechenden Meldungen in den Jahren 2017 und 2018 durch Stichproben das Verhalten von Türstehern bei Einlasskontrollen überprüft. Als sich herausstellte, dass den Testpersonen mit Migrationshintergrund in vier von sechs Discotheken der Einlass verweigert wurde, hat die Stadt gegen das betreffende Personal Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Im November 2018 teilte die Verwaltung dann mit, dass sich der Anfangsverdacht gegen zwei Discotheken nach Gesprächen mit den Betroffenen nicht erhärtet habe und die Verfahren eingestellt wurden.
Mit Blick auf den aktuellen Fall fragt die BIBS: „Wie reagiert die Stadt auf diese erneute Beschwerde über Diskriminierung und Rassismus bei Einlasskontrollen in einer Braunschweiger Discothek und wird sie die stichprobenartigen Kontrollen des Personals des betroffenen Clubs wiederaufnehmen?“
„Wir gehen dem Fall nach, bestätigen können wir ihn nicht“, sagte Stadtsprecher Adrian Foitzik der taz. Bei der aktuellen Beschwerde handele es sich um die erste in den vergangenen drei Jahren, erklärt die Verwaltung in ihrer Antwort und räumt ein: „Dies dürfte sicherlich in Teilen der zeitweise erfolgten Schließung der Clubs und Discotheken wegen der Coronaschutzmaßnahmen geschuldet sein.“
Untätigkeit will sich die Stadt nicht nachsagen lassen
Die Verwaltung will nun zunächst die Betreiberin des „Eulenglück“ um eine Stellungnahme bitten. Parallel dazu werde, sofern die Betroffenen als Zeugen zur Verfügung stehen, die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens geprüft. „Die Ordnungsverwaltung wird das Thema mit der künftigen Antidiskriminierungsstelle erörtern und mit dieser gemeinsam weitere Lösungsmöglichkeiten erarbeiten“, heißt es in der Antwort der Verwaltung.
Untätigkeit beim Thema Rassismus will sich die Stadt jedenfalls nicht nachsagen lassen. Sprecher Foitzik verweist auf die „umfangreichen integrativen Projekte und Initiativen für Vielfalt und gegen Diskriminierung“. So wurde Braunschweig 2015 in das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ aufgenommen. Die Initiative will Gewalt und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit abbauen und Vielfalt, Toleranz und Demokratie fördern. „Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit ist ein Querschnittthema, das in allen gesellschaftlichen Milieus und sozialen (Lebens-)Bereichen vorkommt“, heißt es dazu. „Um aktiv dagegen anzugehen sind alle Braunschweiger und Braunschweigerinnen gefragt.“
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