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Ramstein-Urteil des BVerfGsRechtsstaat im Auslandseinsatz

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Das Karlsruher Urteil hält fest, dass deutsche Grundrechte auch staatliche Schutzpflichten im Ausland auslösen können. Es wird neue Diskussionen auslösen.

Zwar haben die Jemeniten den Rechtsstreit verloren, aber das Bundesverfassungsgericht nahm ihr Anliegen durchaus ernst Foto: Uli Deck/dpa

W arum klagen eigentlich die zwei Jemeniten, die sich gegen US-Drohnenangriffe wehren, in Deutschland? Antwort: Sie haben durchaus in den USA geklagt, aber die Klage wurde unter Verweis auf ihren politischen Charakter schon im Ansatz abgelehnt. Dagegen hat in Deutschland jetzt das vierte Gericht über ihre Klage beraten und entschieden. Diesmal das Bundesverfassungsgericht. Es gibt kaum eine Frage, die in Deutschland nicht auch als Rechtsfrage behandelt wird. So ist der deutsche Staat nun mal, und das ist überwiegend gut so.

Zwar haben die Jemeniten den Rechtsstreit verloren, aber das Bundesverfassungsgericht nahm ihr Anliegen durchaus ernst. Und die kompliziert klingende Entscheidung könnte in anderen Fällen noch für Furore sorgen. Denn zunächst stellte das Gericht fest, dass deutsche Grundrechte auch staatliche Schutzpflichten gegenüber Ausländern im Ausland auslösen können. Das war bislang umstritten. Die Bundesregierung müsste dann auch auf verbündete Staaten wie die USA einwirken – wie auch immer.

Auf der anderen Seite nahm das Gericht aber auch die Sorge in Berlin um die deutsche Bündnisfähigkeit ernst. Der Spielraum der Bundesregierung bei der Einschätzung des Verhaltens von verbündeten Staaten bleibt gewahrt. Die Kontrolle der Gerichte soll sehr zurückhaltend bleiben. So wurden Anliegen beider Seiten berücksichtigt. Ein typisches Karlsruher Urteil.

Ernst wird es aber, wenn internationale Gremien systematische Völkerrechtsverstöße durch deutsche Bündnispartner feststellen. Dann muss die Bundesregierung in der Regel aktiv werden.

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Wo solche Feststellungen vorliegen, wie beim Verhalten von Israel in Gaza, wird das Urteil nun neue Diskussionen auslösen. Ist es mit deutschen Schutzpflichten für Palästinenser in Gaza vereinbar, der israelischen Armee deutsche Panzergetriebe zu liefern? Deutsche NGOs werden gemeinsam mit palästinensischen Klägern sicher bald entsprechende Klagen bei deutschen Verwaltungsgerichten einreichen – unter Berufung auf das Bundesverfassungsgericht.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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1 Kommentar

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  • Nicht neu: Die Bundesregierung hat bei Außen- und Sicherheitspolitik große Spielräume, die nicht einmal der Kontrolle der Mehrheit der regierungsbildenden Mehrheit im Parlament unterliegt. Auch nicht neu und ebenso bizarr die Urteilsbegründung des BVerfG, die der Urteilsfindung in nichts nachsteht: Mitverantwortung im Einzelall ist kein Freibrief für Verantwortungslosigkeit in anderen Einzelfällen. Da müssen KlägerInnen schon nachweisen, dass Standorte der US-Army wie Ramstein systematisch an anderen illegitimen Angriffen im Ausland und Entführungen aus dem Ausland usw. beteiligt waren. Das dem so ist und dass die Bundesregierungen davon wussten, hätten die hohen RichterInnen in öffentlich zugänglichen Berichten nachlesen können.