Ralf Sotscheck über das Brexit-Urteil in Großbritannien: Eine zutiefst reaktionäre Politik
Die britische Premierministerin Theresa May muss sich ihre Brexit-Pläne vom Parlament absegnen lassen. Das hat das höchste Gericht in London am Dienstag entschieden. An der Sache ändert das freilich nichts: Die Labour Party hat bereits angekündigt, sich May nicht in den Weg zu stellen. Die will das lästige Votum der Abgeordneten so schnell wie möglich hinter sich bringen, um Ende März die Austrittserklärung in Brüssel abzugeben.
Dabei bietet das höchstrichterliche Urteil die Gelegenheit, über die Modalitäten des Ausstiegs mitzubestimmen. Um das zu verhindern, soll das Gesetz, das May dem Parlament vorlegen will, gerade mal aus einem Satz bestehen. Damit wäre die Entscheidungsbefugnis, die das Gericht dem Parlament zugebilligt hat, lediglich eine kosmetische Übung.
Dass es überhaupt einer gerichtlichen Klage bedurfte, um dem Parlament ein Mitspracherecht bei der seit Jahrzehnten wichtigsten Frage einzuräumen, ist ein weiteres Armutszeugnis für die politische Kultur in Großbritannien. Gina Miller, die die Klage eingereicht hatte, riskierte damit allerhand. Sie ist in den sozialen Medien übel beschimpft worden, man drohte ihr mit Vergewaltigung und Ermordung.
Die Premierministerin hat versucht, das altertümliche königliche Hoheitsrecht in Anspruch zu nehmen, um die Parlamentarier auszubooten. Sie verfolgt eine zutiefst reaktionäre Politik. Theresa May und ihr Schatzkanzler Philip Hammond wollen Großbritannien zu einer Steueroase machen und staatliche Regulierungen zurückfahren. Damit setzen sie eine Abwärtsspirale in Gang, bei der das staatliche Gesundheitssystem und Bildungswesen auf der Strecke bleiben werden.
Die gerichtlich angeordnete Parlamentsdebatte und die Abstimmung über das Gesetz bieten die Gelegenheit, Mays Pläne ein wenig einzudämmen. Die Abgeordneten sollten sie ergreifen.
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