Ralf Pauli über die Bildungsziele der Jamaika-Unterhändler: Unambitioniert und unehrlich
Konstruktiv“, „konzentriert“, „viele gemeinsame Ansätze“. Nach den verkorksten Gesprächen rund um die Streitthemen Migration und Klima geben sich CDU, CSU, FDP und Grüne zu Beginn der zweiten Sondierungswoche ganz koalitionär: Bei Rente, Arbeit und Pflege gebe es erste Einigungen, vermeldeten die VerhandlungsführerInnen Montagnacht. Als Beweis führen Merkel, Seehofer, Lindner & Co vor allem die Themen Digitalisierung und Bildung an. Dabei ist das, was die möglichen Regierungspartner vorstellen, ziemlich dürftig. Vor allem bei den Bildungszielen.
Die gemeinsamen Positionen sind teilweise so vage, dass eine Meinungsverschiedenheit schlicht unmöglich scheint. „Wir sind uns einig“, so ein Paradesatz, „dass wir die Rahmenbedingungen für optimale Lehr- und Lernbedingungen an unseren allgemein bildenden und beruflichen Schulen schaffen wollen.“ Aha. Wer will das nicht? Die Frage ist, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Soll der Bund künftig mehr bei Lehrplänen und Personalpolitik mitreden dürfen? Werden die Abiturstandards endlich angeglichen? Brauchen wir nicht ein Schulfach Medienkunde?
Darüber verlieren die Parteien kein Wort. Ebenso wenig, was genau sie sich unter „Modernisierung des Bafög“ vorstellen, wie die „Stärkung der beruflichen Bildung“ gelingt oder welche Töpfe bereit stehen, damit Deutschland „künftig weltweit zu den Spitzenländern bei Bildungsinvestitionen zählt“. Strittige Themen – etwa, ob das Kooperationsverbot ganz fallen muss oder welche Maßnahmen die eklatante Bildungsungerechtigkeit lindern sollen – werden ausgeblendet. Und dort, wo die vier Parteien konkret werden, hat man ein unschönes Déjà-vu-Erlebnis: 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts würde eine Jamaika-Regierung bis 2025 für Bildung und Forschung ausgeben. Dieses Ziel hat schon die Vorgängerregierung versprochen und verfehlt. So sind die gemeinsamen Bildungsziele vor allem eins: eine unambitionierte Absichtserklärung, die die inhaltliche Auseinandersetzung vertagt.
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