Räumungsprozess gegen Kneipe Syndikat: Letzte Runde
Das Landgericht will dem Zweifel an der Prozessfähigkeit der Briefkastenfirma nicht recht folgen. Ein Urteil soll am 26. November verkündet werden.
Berlin taz | Es gab kein Freibier am Dienstagvormittag am Landgericht am Tegeler Weg, auch wenn etwa 100 KneipengängerInnen vor dem Gericht Einlass begehrten. Alles, was es gab und warum die Leute gekommen waren, war Solidarität. Solidarität mit der Neuköllner Kneipe Syndikat, einem Urgestein im Schillerkiez, Nachbarschaftstreffpunkt seit 35 Jahren, einer explizit linken Lokalität mit treuen Gästen. Und mit einem Vermieter, den man noch nicht mal einer Craft-Bier-Bar mit Halbliterpreisen ab 6 Euro an den Hals wünschen würde.
Dieser Vermieter, die luxemburgische Briefkastenfirma Firman Properties S.a.r.l., hatte dem Syndikat 2018 gekündigt, musste aber hinnehmen, dass die Betreiber gar nicht daran dachten, die Schlüssel abzugeben. Nun also Räumungsklage, nachdem die Kneipiers einen Protestmarathon vom Ku’damm bis nach London hinter sich gebracht hatten – ohne Verhandlungen über einen neuen Vertrag auch nur einen Schritt näher gekommen zu sein. Mit Briefkästen verhandelt es sich schlecht.
Obwohl, so einfach ist es nicht. Hinter der Firman Properties stehen selbstverständlich Profiteure: das britische Immobilienkonsortium Pears Global. Und die hatten bereits vor dem Verfahren verloren. Durch Recherchen der Kneipe war ans Licht gekommen, dass die drei Pears-Brüder in Berlin mehr als 3.000 Wohnungen besitzen – und demzufolge auf die Enteignungsliste für das kommende Volksbegehren gehören.
Nur ein Drittel der SympathisantInnen fanden nach ausgiebigen Kontrollen und ohne die verbotene Mitnahme von Eiern und Obst Platz im Gerichtssaal, in dem die Syndikats-Anwälte Lukas Theune und Benjamin Hersch versuchten, das luxemburgische Versteckspiel zu ihren Gunsten zu nutzen.
Überhaupt klageberechtigt?
Eine vorliegende notarielle Beglaubigung über den Eintrag von Firman Properties in das luxemburgische Handelsregister hielten sie nicht für ausreichend, um darzulegen, dass die angegebenen Geschäftsführer tatsächlich ordnungsgemäß bestellt sind – und damit die Klägeranwältin eine ausreichende Vollmacht habe. Mit derselben Argumentation war eine Räumungsklage gegen die Vereinskneipe Kadterschmiede in der Rigaer Straße 94 dreimal abgewehrt worden.
Den Vorwurf, selbst eine ordentliche Adresse könne die Firma nicht nachweisen, entgegnete die Richterin, eine Anordnung zum persönliches Erscheinen eines Geschäftsführers vor Gericht sei erfolgreich zugestellt worden. Anwesend war indes niemand. Trotzdem ließ die Richterin Anklage und Klägervertreter zu und kam schnell zu dem Schluss, dass die Kündigung rechtmäßig sei, schließlich genießen Gewerbe quasi keinen gesetzlichen Schutz.
Verkündet werden soll ein Urteil – oder die Berufung eines Gutachters über luxemburgische Handelsregistereinträge – am 26. November. Bis dahin heißt es für Christian, Gesicht des Syndikats auf unzähligen Kundgebungen: „Wir werden uns so viel einfallen lassen wie möglich; der Kampf hört hier nicht auf.“
Leser*innenkommentare
07301 (Profil gelöscht)
Gast
Ich frage mich, wie eine Firma eigentlich nachweisen soll, wer der Geschäftsführer ist? Hierzu dient doch gerade der Handelsregisterauszug (bzw. die Pendants hierzu in anderen Ländern.)
Gerade auf das Register muss man sich doch verlassen können und nicht auf Visitenkarten, das Impressum auf einer homepage etc.