Rätsel um Nordkoreas Diktator: Kim Jong Untot
Wo ist der geliebte Führer? Diktatoren sind seit jeher geheimnisumwitterte Gestalten. Das gilt für ihr Privat- und erst recht für ihr Ableben.
In der Sowjetunion wurde das Problem etwas anders gehandhabt. Präsenz lautete hier die Devise. Böse Zungen behaupten, Leonid Breschnew, am Ende seiner Amtszeit bereits todkrank, sei damals noch auf dem Lenin-Mausoleum ausgestellt worden. Eine unsichtbare Hilfskraft soll seinen Arm geführt haben, um dem Volk bei der Siegesparade am 9. Mai zuzuwinken.
Auch für Michail Gorbatschows Amtsvorgänger Konstantin Tschernenko, der, bereits merklich angeschlagen, 1984 Generalsekretär der KPdSU wurde, ließ sich seine Entourage etwas einfallen. Das Fernsehen übertrug eine Ansprache Tschernenkos, der sichtlich Mühe hatte, mehrere konsistente Sätze aneinanderzureihen, aus seinem Büro. Später wurde bekannt, dass es sich bei dem Tatort in Wahrheit um ein Krankenhauszimmer gehandelt hatte, das eigens zu diesem Zwecke umgestaltet worden war.
Doch irgendwann war doch Schluss mit lustig beziehungsweise traurig. Und zwar dann, wenn im Radio der „Marche funèbre“ von Frédéric Chopin erklang. Da war die Leiche des edlen Führers allerdings meistens schon mehrere Tage kalt.
Im vergangenen Jahr sorgte der autokratische Herrscher des zentralasiatischen Staates Turkmenistan, Gurbanguly Berdymuchammedow, kurzzeitig auch international für Aufmerksamkeit. Der gelernte Zahnarzt, der sich gerne bei sportlicher Ertüchtigung filmen lässt, war wie vom Erdboden verschluckt. Er sei einem Nierenversagen erlegen, wurde gemunkelt. Doch von wegen. Berdymuchammedow tauchte auf und galoppiert jetzt wieder tollkühn auf TV-Bildschirmen durch die Wohnzimmer der TurkmenInnen. Vielleicht zeigt ja auch Kim Jong Un seinen Landsleuten bald wieder sein strahlendes Lächeln. Er wäre nicht der erste Diktator, der von den Toten auferstanden ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Wir unterschätzen den Menschen und seine Möglichkeiten“