Radverkehr: Ein falsches Signal für die Stadt
Der Senat will am Radverkehr sparen, warnt der ADFC. Die zuständigen Verwaltungen halten sich bedeckt und verweisen auf laufende Haushaltsverhandlungen.
Der Radfahrverband ADFC schlägt Alarm: Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) plane offenbar drastische Einschnitte beim Etat für den Radverkehr. Nach Informationen der Radlobbyisten will Nußbaum die Mittel für Ausbau und Sanierung von Radwegen von jetzt 5,5 Millionen Euro auf 3,5 Millionen kürzen.
„Berlin wird nicht mehr seinem Anspruch gerecht, eine fahrradfreundliche Stadt zu sein“, kritisiert die Berliner Landesvorsitzende des ADFC, Eva-Maria Scheel. Die Finanzverwaltung wollte sich gegenüber der taz nicht äußern. Auch bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hält man sich bedeckt: Derzeit werde über den neuen Haushalt verhandelt, heißt es.
Der CDU-Abgeordnete Danny Freymark, Klimaschutzexperte und Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss, sagte der taz, er wisse nichts von geplanten Kürzungen. Er könne aber nicht ausschließen, dass diese zunächst vom Finanzsenator vorgeschlagen würden, „als Verhandlungsmasse“ in den Haushaltsberatungen. Falls es jedoch tatsächlich zu Kürzungen käme, sei das „ein völlig falsches Signal für die Verkehrsentwicklung“. Auch der ADFC fände es fatal – „angesichts der zunehmenden Bedeutung des Radverkehrs“, so Eva-Maria Scheel.
Ähnlich äußerte sich Stefan Gelbhaar, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, gegenüber der taz: „Der Senat ist in der Pflicht, den Radwege-Ausbau voranzutreiben. Dafür braucht es mehr, nicht weniger Geld.“
Der Nationale Radverkehrsplan des Bundesverkehrsministeriums weist für Berlin einen Anteil des Radverkehrs in 2006 von 11 Prozent aus und erwartet bis 2025 einen Anstieg auf 16 Prozent. Laut diesem Plan ist es Ziel, jährlich pro Einwohner 5 Euro in den Radverkehr zu investieren. In Berlin sind es zurzeit – bei 5,5 Millionen Euro für 3,5 Millionen Einwohner – nur 1,57 Euro. Würde der Etat um 2 Millionen gekürzt, wäre es nur noch 1 Euro pro Einwohner und Jahr.
Tatsächlich geht der Ausbau der Radwege nur schleppend voran. Laut Gelbhaar wurden von 2009 bis 2012 nur 45 Kilometer neue Radwege gebaut, von 2013 bis 2016 sei etwa dasselbe geplant. „Wenn das in diesem Tempo weitergeht, haben wir erst in 80 Jahren alle Hauptstraßen ausgebaut“, spottet der Grüne. Von 1.500 Kilometern Hauptstraße hätten bisher nur 174 einen Radweg.
Auch der Koalitionsvertrag von CDU und SPD sieht etwas anderes vor. Unter der Überschrift „Fahrradfreundliches Berlin“ heißt es: „Das derzeitige Investitionsvolumen wird fortgeschrieben“, Routennetz und Infrastruktur für Fahrradfahrer sollen sogar weiterentwickelt werden.
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