piwik no script img

Radikale Republikaner in den USADie MAGA-Aktivisten von Arizona

Evangelikale, christliche Assyrer, Verschwörungsanhänger – in der „Make America Great Again“-Bewegung ist Platz für fast alle. Nur nicht für die anderen.

Trump-Anhänger feiern in der Wahlnacht vor dem Weißen Haus in Washington D.C Foto: Nathan Howard/ap

Phoenix taz | „Ich habe Angst vor dem dritten Weltkrieg“, sagt Clarissa Cosgrove und legt eine Pause beim Fahnenschwenken ein. „Frauen für Trump“ steht auf ihrer pinken Flagge, die an einem PVC-Rohr befestigt ist. Cosgrove ist um die sechzig und hat eine lebendige, freche Art. Sie ist ein „Precinct Captain“ für die Republikanische Partei in Phoenix, Arizona, und in ihrem Einsatz für die Partei kaum zu ermüden.

„Trump Force Captain“ steht auf ihrer weißen Kappe in goldenen Großbuchstaben, „Republikaner sind heißer“ auf einem Aufstecker, den sie an ihrem Trump/Vance-T-Shirt befestigt hat. Cosgrove ist überzeugt, dass nur Donald Trump verhindern kann, dass die USA am nächsten großen Krieg teilnehmen würden. „Er kann eben richtig verhandeln.“

Es ist Wahltag in den USA und Cosgrove steht schon seit fünf Uhr morgens vor diesem Wahllokal in Glendale, einer der vielen Vorstädte, die sich um die Großstadt Phoenix legen. Cosgrove verteilt Spickzettel der Partei, auf denen die Namen der bevorzugten Kan­di­da­t:in­nen stehen, und schaut immer wieder streng zu den anwesenden Demokraten hinüber. Auch die sind hier auf dem Campus der Arizona State University, um noch ein letztes Mal Werbung für ihre Parteiliste zu machen.

„Election Protection“ und Alex Jones

Besonders scharf beobachtet Cosgrove aber die Freiwilligen der Organisation Common Cause, die in schwarzen T-Shirts mit der Aufschrift „Election Protection“ oder „Wahlschutz“ wenige Meter weiter auf ihren Klappstühlen sitzen. Cosgrove glaubt den Angaben von Common Cause nicht, dass die Organisation unparteiisch sei. Sie zieht ihr Handy aus der Tasche und ruft deren Wikipedia-Eintrag auf. „Schauen Sie, Robert Reich, der hat für Clinton gearbeitet“, sagt sie und zeigt auf den Namen des ehemaligen Arbeitsministers, der Common Cause zeitweilig leitete.

Clarissa Cosgrove glaubt, dass es bei der letzten Präsidentschaftswahl zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist, die Demokraten „haben geschummelt“ ist sie sich sicher. Dass Arizona, ein Swing State, der über Jahrzehnte von der Republikanischen Partei regiert wurde, im Jahr 2020 von Biden gewonnen wurde, ist für Cosgrove nicht anders erklärbar.

Etwas später holt sie erneut ihr Handy hervor, um ein Video von Alex Jones zu zeigen. Der Verschwörungstheoretiker, dessen Online-Plattformen Millionen erreichen, wurde im vergangenen Herbst zu einem Bußgeld von über einer Milliarde Dollar verurteilt, weil er immer wieder das Massaker an der Sandy Hook Grundschule im Jahr 2012 leugnete und Hinterbliebene belästigte. Auf dem Bildschirm redet Jones gerade von dem Attentatsversuch gegen Donald Trump in Butler, Pennsylvania. „Das waren die Demokraten“, sagt Jones in dem Clip, auch Cosgrove nickt.

MAGA wird diverser

Clarissa Cosgrove ist mit ihren Ideen nicht allein in der neuen Republikanischen Partei unter Donald Trump. Doch selbst wenn sie es wäre, wäre wohl auch das in Ordnung, denn die nach den Initialen von Trumps Wahlspruch Make America Great Again benannte MAGA-Bewegung bietet Platz für fast jede Weltanschauung.

Weiße evangelikale Christen spielen in ihr zwar weiterhin eine bedeutende Rolle, aber sie werden ständig durch neue Gruppen ergänzt, die sich unter Trumps Banner sammeln. Konservative Glaubensrichtungen, konspiratives Denken, rechte Ideologien. Für Widersprüche ist Platz.

„Der Glaube“, antwortet Deenatra Younan von den „Assyrians for Trump“ auf die Frage, was ihn zu dem Republikaner zieht. Younan ist groß und zugewandt, er arbeitet als Schlagzeuger und reist für den Job um die ganze Welt. Assyrer sind eine vorwiegend christliche Minderheit aus dem Nahen Osten, sie verfolgen ihre Geschichte bis in das vorantike Mesopotamien zurück. Die Diaspora ist auch in den USA vertreten, viele flohen während des Krieges aus dem Irak und Syrien.

Assyrer für Trump

„Wir sprechen die gleiche Sprache, die auch Jesus gesprochen hat“, erklärt er. Gerade in die Swing States Michigan und Arizona seien besonders viele Assyrer gekommen. In seiner Gemeinde „sind 99 Prozent der Leute für Trump“, sagt Younan. „Die Einzigen, die wir nicht überzeugen können, sind ein paar der verwirrten Jungen.“

Demokraten und ihre Wähler sind für Mark Del Maestro Marionetten des Teufels

Mit der Republikanischen Partei teilen die Assyrer in Arizona einfach mehr Werte, erklärt Younan die Verbindungen zwischen der Partei und seiner orthodoxen Gemeinde, die zu den ältesten der Welt zählt. „Wir sind komplett gegen Abtreibung, das ist eine Sünde“, sagt er. Die Demokraten hingegen würden den zulässigen Zeitraum für Schwangerschaftsabbrüche noch verlängern wollen, das gehe nicht.

Glaubensgemeinschaften wie die von Younan können in der Zusammenarbeit mit den Republikanern gemeinsame Ziele erreichen. Aber auch für Einzelpersonen und deren individuelle Vorstellungen ist ausreichend Verständnis.

Verschwundene Kinder und Menschenhandel?

Wenige Kilometer weiter steht Mark Del Maestro vor einem großen Flachbildfernseher in seinem geräumigen Wohnzimmer. Der Ton ist aus, es läuft Fox News, gerade kommen die ersten Ergebnisse aus Pennsylvania. Es sieht gut aus für Trump, aber Del Maestro findet, es ist zu knapp für Prognosen. Dass an den Wahlergebnissen rumgepfuscht würde, besorgt ihn nicht, das ist nicht wirklich sein Thema.

Worüber Del Maestro mit Vorliebe spricht, ist der Menschenhandel, den die mexikanischen Kartelle vermeintlich zusammen mit der Demokratischen Partei betreiben. „Marionetten des Teufels“ nennt er nicht nur Angehörige der Gegenpartei, sondern auch alle, die sie wählen. Er erzählt bildhafte, verstörende Geschichten von einem Austausch junger Frauen über die Grenze. „Wer so was zulässt, der arbeitet mit Satan!“, sagt er, und dabei wird er etwas lauter. Del Maestro spricht von Hunderttausenden verschwundenen Kindern, es klingt ein wenig wie die QAnon-Verschwörungstheorie.

Mark Del Maestro ist Mitte siebzig und hat wache Augen, auf seinem Kopf hält sich noch ein dünner Haarkranz. Die Muskeln seiner linken Hand kann er kaum bewegen. „Agent Orange“, erklärt er. Mit dem Laubvernichtungsmittel ließ das US-Militär im Vietnamkrieg den Dschungel lichten, um den Feind besser sehen zu können, die Folgen waren verheerend. Hunderttausende Menschen in Vietnam und Laos sowie Angehörige der US-amerikanischen Streitkräfte wie Mark del Maestro trugen schwere Schäden durch den Kontakt mit dem Mittel davon.

Erinnerungen an den Vietnamkrieg

Für Del Maestro war der Viet­namkrieg identitätsstiftend. „Ich hab mich freiwillig zur Marine gemeldet, weil ich dachte, dass ich dann schön sicher ein paar Kilometer von der Küste entfernt in einem Schiff sitzen würde“, erzählt Del Maestro, nachdem er es sich an einem sorgfältig polierten Tisch bequem gemacht hat. Der damals 20-Jährige wurde dann jedoch einem der langsamen Transportschiffe zugewiesen, die auf den umkämpften Flüssen im Inland fuhren. Es folgten Feuergefechte und blutige Bergungen gefallener Kameraden.

Del Maestro lehnt sich weit in seinem Stuhl zurück, um nachzuahmen, wie er das Maschinengewehr bediente, er erzählt, wie er die Leichensäcke füllen musste und fragte, was zu wem gehört. Seine Zeit im Krieg verarbeitete er zu einer Präsentation, die er jahrelang an öffentlichen Schulen abhielt, bis ihre religiösen Aspekte allmählich aneckten.

„Warum müssen Sie jetzt über Gott sprechen?“, habe ihn eine Lehrerin gefragt. „Aber worauf läuft es denn sonst hinaus?“, fragt Del Maestro. Der Veteran hat eine klare, eindeutige Vorstellung davon, welche Rolle die USA auf der Welt zu spielen haben: „Wir müssen das stärkste Land sein“, sagt er. Gott habe die USA dazu ausgewählt.

Vorbehalte gegen Muslime

Die Vorstellung, dass im Land plötzlich zu viele nicht-christliche Menschen seien, ist für Del Maestro nicht tragbar. „In Michigan ist es ja schon passiert“, sagt er in Bezug auf Gegenden des Bundesstaates, in denen viele Menschen mit arabischem Migrationshintergrund leben.

Del Maestro spricht von Menschen, die er „Scharia-Muslime“ nennt und die vermeintlich „mindestens acht Kinder bekommen.“ Ein paar Stunden später wird klar, dass in Dearborn, Michigan, die größte mehrheitlich arabische Gemeinde in den USA an Donald Trump gehen wird.

Kurz vor Mitternacht ist in einem unscheinbaren Bürogebäude am Rand von Phoenix die Wahlparty der Republikaner schon fast vorbei. Die Buffetplatten sind leergegessen, doch die Stimmung unter den noch Anwesenden könnte nicht besser sein. Auf den Monitoren entlang der Wände wird ein Bundesstaat nach dem anderen für Trump ausgerufen.

Ein Mann in einer Jeansjacke, auf deren Rücken ein Fötus abgebildet ist, bittet die Anwesenden darum, gemeinsam zu beten. „Wir beten für die Kinder, für die Grenze und für die Sicherheit unseres Landes, Amen!“, ruft der Mann in der Jeansjacke. „We the People!“, ruft ein Mann daneben die Einleitung der Verfassung.

Bei MAGA ist für alles Platz. Außer für die anderen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ein völlig verstrahlter Mob, der allerdings die Mehrheit des Landes hinter sich weiß. Welche Hirnwindungen man als Moslem verdrehen muss, um Trump zu wählen, wäre vielleicht mal ein gutes Thema für eine Psychologie-Doktorarbeit. Hochinteressant, wie es Trump geschafft hat, diese irrwitzige Illusion aufzubauen, die anscheinend von der Realität nicht mehr angekratzt werden kann. Der Kaiser hat zwar keine Kleider, das sehen zwar alle, sie denken sich aber den Hermelin durch Selbstsuggestion hinzu. Sicher Stoff für viele Generationen Psychologen.