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Rabbiner für die BundeswehrLiebe mit unlauteren Motiven

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Dass sich staatliche Institutionen heute gerne mit Juden schmücken, ist nachvollziehbar. Nur: Man darf einem Philosemitismus nicht ins Netz gehen.

Nachvollziehbar: Die Bundeswehr möchten sich gerne mit Juden schmücken Foto: imago

J uden in Deutschland werden geschmäht und beleidigt. Sie sind das Ziel von physischen Attacken bis zum versuchten Mord. Ihre Gemeindezentren müssen bewacht werden (werden es aber nicht immer), ihre Friedhöfe sind Verwüstungen ausgesetzt. Etwa jeder fünfte Deutsche hegt antisemitische Ressentiments. Juden in Deutschland sind aber zugleich äußerst beliebt. 75 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes lassen so manche politische Entscheider ihre „jüdischen Mitbürger“ hochleben, loben die gesellschaftliche Bereicherung dank der Anwesenheit von Juden und begeistern sich für jeden Kippa-Träger. Sie lieben ihre Juden, wie es nur Philosemiten können.

Dass sich staatliche Institutionen wie die Bundeswehr gerne mit Juden schmücken möchten, ist nicht ganz unverständlich. Sie sollen den lebenden Beweis dafür darstellen, dass die Bundesrepublik aus der Geschichte gelernt hat und sie nichts mehr mit den Nazis verbindet. Dieses Bestreben bedeutet aber zugleich, dass die Minderheit benutzt wird – als günstiges Werbemittel und Imageträger im In- und Ausland.

Zehn Militärrabbiner machen sich entschieden besser als Probleme mit defekten Panzern sowie neonazistische Umtriebe bei der Truppe. Wenn für diese geballte religiöse Kompetenz mangels gläubiger jüdischer Soldaten kein Bedarf besteht, müssen die Zahlen eben kreativ ein wenig nach oben interpretiert werden. Wo vor achtzig Jahren angeblich zu viele Juden waren, müssen sie heute erfunden werden.

So aber wird Jude-Sein zum Objekt von Philosemiten. Auf deren vermeintliche Liebe, die doch nur Mittel zum Zweck ist, aber können und sollten Juden wie Nichtjuden gerne verzichten. Wenn tatsächlich viele Juden bei der Bundeswehr dienen, dann ist das erstens gut so und sie benötigen zweitens entsprechende Rabbiner. Wenn es nur ganz wenige bei der Truppe gibt, dann ist das auch gut so. Aber die zehn Rabbiner sind dann überflüssig. Das so eingesparte Geld ließe sich gut in den Schutz jüdischer Gemeindehäuser investieren – denn die haben es bitter nötig, wie der Mordversuch von Halle zuletzt bewiesen hat.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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1 Kommentar

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  • "Das so eingesparte Geld ließe sich gut in den Schutz jüdischer Gemeindehäuser investieren – denn die haben es bitter nötig, wie der Mordversuch von Halle zuletzt bewiesen hat."

    Ich kenne die Synagoge in Halle nicht, aber in Synagogen in Frankfurt, Berlin oder München hineinzukommen, ist erheblich schwieriger als, nur mal als Beispiel, deutsche Gerichte.

    Dieses Rad kann nur noch begrenzt gedreht werden, außer 24/7 Polizei vor der Tür und auch dass wird nicht gegen alles helfen.

    Beispiel Angriff auf die Synagoge in Essen vor ein paar Tagen. Die Betonplatte, die der Typ gegen die Scheibe warf, ging natürlich nicht durch, weil die Scheiben aus beschusshemmendem Glas ist.

    Wenn ich eine kiloschwere Betonplatte durch eine Scheibe in der Friedrichstr. 21 werfen würde, hält die das auch aus?

    Was ich damit sagen möchte, Gemeindehäuser sind auch keine Bunker, das widerspricht auch ihrem Sinn und Zweck.