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RÜCKZUG Wenn die Welt verrückt ist, kann man kämpfen, protestieren, Revolutionen starten. Oder man versteckt sich im BunkerWir steigen aus

Von Annabelle Seubert und Paul Wrusch (Text) und Ksenia Les (Fotos)

Die Tür springt nicht auf. Paul lehnt sich dagegen, drückt den Hebel nach unten, lacht sein nervöses Lachen. Dann ist es, als hätte er einen Safe geknackt: erst das schwere, schleppende Quietschen, dann der Stahl, der unter seiner Hand nachgibt. Jackpot, wir sind drin.

Paul ist im Bunker. Steht schon mit dem Rücken zur Tür und sieht ihre feuchte, graue Oberfläche nicht mehr. Schmale Wasserbäche rinnen über ihren Lack, eine Spinne kriecht hinterher. Der Geruch von Fäulnis. Erinnerungen rasen durch meinen Kopf – als Kind nicht in den Keller wollen, die scheinbar unabänderliche Luft dort unten, Wasserflasche fassen, Lichtschalter fassen, rausrennen ins Helle – ob Paul das früher genauso ging?

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„Wie funktioniert noch mal die Panikverriegelung?“ Annabelle hält den Kopf gesenkt. Als hätte sie Angst, die Decke könnte einbrechen.

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Donald Trump wird der 45. Präsident der USA. Großbritannien will die EU verlassen, in der Türkei verhaften Polizisten Tausende, im Mittelmeer sterben immer noch Menschen, und Europa versucht die Regelmäßigkeit des Terrors zu verwalten. Man trauert um Legenden: David Bowie, Prince, Leonard Cohen. Die Welt erscheint seit jeher seltsam, fremd und entrückt – gerade tut sie es besonders. Zwei bis drei Millionen Migranten will Trump des Landes verweisen, wie ernst seine Drohung eines Nato-Austritts und wie eng seine Verbindung zu Wladimir Putin ist, weiß allein er. Auf Twitter und Facebook können wir mitlesen, wie sich nach der Wahl in den USA rassistische Äußerungen und Angriffe häufen. Liegt nahe, da zu sagen: Wir steigen aus.

Fünf Etagen, 6.000 Quadratmeter, kein Tageslicht: Wir proben den Eskapismus und verstecken uns vor den Nachrichten.

Was bringt Rückzug? Und was erfährt man, zu zweit, über sich? An einem Ort, an dem man weiter draußen nicht sein könnte, in Wahrheit aber mittendrin ist.

Der Weltkriegsbunker in Berlin-Schöneberg. Er sollte als Fernmeldeamt dienen, wurde 1943 gebaut und zu Kriegszeiten nicht mehr fertig – Ende der Achtziger aber zur größten ABC-Zivilschutzanlage der Stadt ausgebaut. Jetzt gehört er dem Bezirk, ragt brachial und efeuumrankt an der breiten Pallasstraße empor. Das Pallaseum, der „Sozialpalast“, legt sich wie eine Zange um ihn: eine Wohnanlage mit Balkonen und Satellitenschüsseln. Hier stand der „Sportpalast“, hier fragte Joseph Goebbels 1943 sein ausgesuchtes Publikum: „Wollt ihr den totalen Krieg?“

Ich weiß nicht, wohin, folge Paul durch Gänge und Räume. Mittelräume. Seitenräume. Alle Wände sind weiß. Hierher sind die Menschen kurz vor der Kapitulation des Deutschen Reichs noch geflüchtet. Hier haben Frauen angeblich Kinder geboren. Die Vorstellung von Krieg ist sehr weit weg. Niemand da, jeder Ton hallt. Gelbe Leuchtstreifen sollen den Weg im Dunkeln weisen, als Schilder in diesem 16 Grad warmen Labyrinth fungieren. Wo war noch mal der Eingang?

Neonlicht blendet, ich zähle 14 Leuchtstoffröhren in dem Raum, in dem wir unser Zeug abstellen. Campingstühle, Schlafsäcke. Pullis, Jacken, Strumpfhosen. Essen aus einer Box: „Emergency Food“ für 79,90 Euro. Ein Mensch soll damit im Ernstfall eine Woche lang überleben können. Paul hat ein paar Flaschen Bier mitgenommen, falls er nicht einschlafen kann.

Wir sind da.

Und jetzt?

„Ich will raus. Bücher und Musik. Farben sehen, Menschen gucken. Menschen, nicht nur Paul“

Passiert nichts.

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Annabelle schläft. Sie ist mit Fieber in den Bunker gekommen, ich will sie nicht wecken, aber eigentlich schon. Nach vier Stunden ist die Stille bedrückend. Weil ich mit meinen Gedanken allein bin. Als Kind habe ich mit meiner Familie an einer Bundesstraße gewohnt, in Berlin lebe ich in einem eher lauten Stadtteil. Ich bin nicht gut darin, Stille zu ertragen.

Die Geräusche der Zivilisation, die dumpf durch die drei Meter dicken Mauern drängen, nehme ich gierig auf. Hier drinnen gibt es nur das Piepen der Halogenstrahler. Konzentrieren, Augen schließen: Kinderstimmen, ganz leise. Sie lachen, jubeln. Feuern sich an? Spielen sie Fußball auf dem Pausenhof der Geschwister-Scholl-Schule nebenan? Buff. Ein Tor? Oder doch nur die pure Freude über das Ende des Schultags um 13.20 Uhr?

Jedes Geräusch, das ich hier drinnen mache, dauert drei Sekunden. Dieses ständige Echo! Ich gehe ins Bad. Vier Kabinen, abgetrennt durch Sperrholz. Vor jeder Kabine ein fleckiger Vorhang. Wieder raus, fünf Stufen nach oben – zurück im Lager ist Annabelle endlich wach. „Die Klospülung klingt wie Weltuntergang“, sagt sie. Aus allen Ecken kommt es zurück, Welt-unter-gang, Welt-unter-gang. „Wie sieht der Himmel wohl gerade aus?“

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Blau, vielleicht. Kaum Wolken? Das Wetter nicht überprüfen zu können, ist unangenehm ungewohnt. Überhaupt, wie ist die Lage draußen, Paul? „Draußen.“ Wie schnell sich die Prioritäten klären, ohne Fenster und Internet. Sind die USA schon auf dem Weg in den Faschismus? Wichtige Frage, große Frage. Glauben wir aber nicht. Viel wichtiger, glaube ich sofort: Paul vermisst seinen Freund. Wenn sein Handy aufleuchtet, um ihn an Termine zu erinnern, schauen wir beide aufs Display. Vielleicht gibt es ja doch Empfang.

Paul friert. Er wickelt den Schal um seinen Kopf und stellt den Gaskocher an. Das letzte Mal, als er das gemacht hat, waren wir an der Ostsee zum Campen. Im Hochsommer dieses Jahres, das Wochenende lag endlos vor uns und das Meer genauso. Ging um einiges lustiger zu, damals, „in Freiheit“. Ich durfte lachen, als er beim Zeltaufbau die Nerven verlor – und er, als mir beim Abgießen der Nudeln die Hälfte in den Sand fiel.

Jetzt, zwischen Decken und Matten und ohne Aussicht, gibt es Gerichte, mit denen sich „Prepper“ – Krisenvorsorger und Allzeitgewappnete – für die Apokalypse rüsten. Kartoffeleintopf mit Röstzwiebeln aus einer blauen Tüte, auf der zwei Paddelboote abgebildet sind. Darauf steht: „Food for your outdoor life“. Wir sind hier so indoor, dass ich mich schäme, den Eintopf nicht essen zu können. Er sieht wie ausgespuckt aus und schmeckt nach Brühwürfeln. Behaupte sonst, nicht picky zu sein, und jetzt sieht mich Paul an, als wolle er sagen: Komm klar, Prinzessin.

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Die letzte Eilmeldung kam zehn Minuten, bevor Annabelle und ich im Bunker angekommen sind. „CDU für Steinmeier als Bundespräsident“, lese ich auf dem Smartphone noch mal nach. Mehr geht nicht, kein Netz. Ich dachte, es sei schwierig, offline zu sein, aber Nachrichten sind mir jetzt egal. Was Trump wohl plant? Ob Steinmeier es nun wird? Ob noch eine Legende gestorben ist? Ich weiß es nicht, also berührt es mich nicht. Bin offenbar nur noch an Grundbedürfnissen interessiert: Essen, trinken, schlafen, nicht frieren.

Nicht langweilen.

Könnte noch mal im Kreis laufen. Die Stufen runter, neun Schritte durch den mittleren Raum, die Stufen hoch, nach rechts, 32 Schritte, von vorne. Das Lager sieht aus wie vorher: absolute Basisvariante.

Mir fehlen Möbel. Und was mir alles einfällt, das ich hätte machen können. Jonglieren lernen mit fünf Bällen. Ein Puzzle mit 3.000 Teilen.

Das einzige Glück hat Annabelle dabei: Kniffel – und „Warten auf Godot“, sie liest mir daraus vor. Bei Wladimir mit russischem Akzent, bei Estragon mit hoher Stimme. Ich lache: Estragon, haha. Kriege wieder Hunger, aber sage nichts. „Worauf warten wir eigentlich?“, frage ich. „Darauf, dass es Abend wird und wir schlafen können“, sagt sie.

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Selten kam die Grippe gelegener. Ich schlafe sofort ein und bekomme nur dämmernd mit, als Paul zu schnarchen anfängt. Alle paar Stunden wache ich auf und denke, es ist Tag. Ich schaue auf Uhrzeiten, die kein Mensch braucht, 3.34 Uhr, 4.41 Uhr. Einmal klingt es so, als sei jemand über uns, im zweiten Geschoss. Schritte, ein Schrei? Fieberfantasien? Verängstigt zu sein, obwohl man nicht allein ist – dieses Gefühl kenne ich sonst kaum.

Am nächsten Morgen reden wir über den Mann aus Williamsburg, über sein Foto im Internet, er hält darauf ein Plakat in den Händen: „I am gay. I am in love. I am terrified.“

Ich frage Paul, schwul und in einer Beziehung, ob er froh ist, seine große USA-Reise schon hinter sich zu haben. „In nächster Zeit würde ich jedenfalls eher nicht hin“, sagt er, und wir schalten den Heizlüfter ein, den wir mitgeschleppt haben; unser Einzug in den Bunker sah aus wie ein Auszug aus Deutschland. Paul hält seine Füße vor die warme Luft und motzt über das Müsli „Schweizer Art“, einen gelben Brei mit Rosinen. Dicke Milchpulvertropfen fallen ihm vom Löffel, er schiebt die Schüssel weg. Ich esse extra viel und freue mich heimlich. Wer ist jetzt die Prinzessin?

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Das Fertigmüsli geht gar nicht. Zu süß, tausend Rosinen drin, „weit länger als 15 Jahre genießbar“. Einen Tag sind wir jetzt im Bunker und zählen schon die Stunden. Als wäre Warten eine Leistung.

Große Pause, schätze ich: Draußen klingt es wieder nach Kindern. Klar existiert die Welt – halt woanders. Denke Psychokram: „Was, wenn wirklich Ende wäre und wir es nicht mitbekämen? Wenn wir auf leere Straßen kämen?“ Höre wieder auf. Was jetzt? Einen Powerriegel?

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Dachte eigentlich immer, Paul und ich hätten uns viel zu sagen. Wir sind Kollegen, aber auch Freunde. Hier sagt er: „Ich hab Rücken.“ „Ich geh mal ’ne Runde.“ „Was kochen wir später?“ So stelle ich mir eine Beziehung im Endstadium vor. Müssen wir reden, Paul?

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Wer Platzangst hat, sollte keine drei Tage hier bleiben, haben sie uns vor Betreten des Bunkers gesagt. Platzangst, auf 6.000 Quadratmetern? Habe ich nicht verstanden. Aber vier leere Etagen über sich zu wissen, jeder Raum gleich und nur an einer Wand zu wohnen, macht mir zu schaffen. Kann Weite so erdrückend sein wie Enge?

„Ich ziehe mich nicht um“, sagt Annabelle mit gespieltem Trotz. Jogginghose, zwei Pullis und ihre schwarze Softshelljacke an, die sie sich letztens gekauft hat, weil es auf dem Festival in Niedersachsen so kalt war. Umziehen, wofür? Ohne soziale Kontrolle lebt es sich ganz angenehm. Sie setzt ihre neue Brille auf – heute mal keine Kontaktlinsen –, stellt sich vor die weiße Wand und prüft, ob die Stärke okay ist. „Immer noch verschwommen.“ Sie wirft sich eine dunkelgrüne Decke um und tanzt, das geht auch ohne Musik. „Wär’s nicht so kalt, du würdest garantiert nackt tanzen“, sage ich.

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Habe Paul angesteckt. Haben uns gestritten. Über ein Wort in diesem Text. Paul sagt, er würde niemals „vordergründig“ schreiben. Wie sieht der Himmel gerade aus? Werde ihm später zur Versöhnung meinen letzten Karamelriegel anbieten.

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Der Streit mit Annabelle ist schnell vorbei. Lerne, mit Erkältung, meinen Körper kennen. Wenn ich friere, muss ich essen, dann werden nach 15 Minuten sogar meine Hände warm.

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Komme nicht drüber weg, dass auf dem Betonboden, gegossen von Fremd- und Zwangsarbeitern, wohl Kinder geboren wurden. Für 4.800 Menschen ist der Bunker angelegt, fällt der Strom und damit die Lüftung aus, reicht die Luft für 24 Stunden.

Paul und ich sind schon doppelt so lange hier, wie lange könnten wir bleiben? 48 Stunden – und ich kann mir den Weg zum Kellergeschoss nicht merken, wo man einen Schalter im Sicherungskasten umlegen muss, um das Licht in unserem Lager zu löschen. Gestern hat mich Paul dorthin geschickt, alleine. Also mit der Taschenlampe los, die Treppe zum Notausgang nehmen, hinter dem Sandsäcke lagern und die Sandfilterkammer liegt – Sand bindet radioaktive Staubpartikel und reinigt bei einer Nuklearkatastrophe die Luft. Unterwegs, neben dem Schild „Abluftventil“, eine der schweren Stahltüren entdeckt, auf die jemand mit Edding „TRESOR“ geschrieben hat.

Dann die Leuchtstreifen als Markierungen nehmen und sich zurücktasten, die Suche nach einem Treppengeländer. Paul noch gut zureden, der zum wievielten Mal seinen liebsten Bunkersatz loslässt: „Jetzt kommen die Ratten“; Paul, der sich auf seiner Klappmatratze nicht zum Schlafen einrichten kann, bevor nicht alle Krümel entfernt sind und die Tüte mit dem Wildgulasch, das er zum Frühstück essen will, wieder in ihrer Box liegt.

Jetzt kommen die Ratten.

Zeitvertreib „Worauf ­warten wir eigentlich?“ „Darauf, dass es Abend wird und wir schlafen können“

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Gibt wohl doch keine Ratten. Sonst wären sie längst da. Der dritte Tag ist Alltag: Aufstehen, Licht an, Tee, Müsli – ganz wenig nur, doch kein Wildgulasch, Cookies-and-Cream-Riegel, Katzenwäsche. Kommt mir gar nicht mehr so absurd vor wie vorgestern. Bin wohl ein Gewohnheitstier. Denke: Könnte noch ein paar Tage bleiben.

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Ich will raus. Bücher lesen und Musik hören. Farben sehen, Menschen gucken. Menschen, nicht nur Paul.

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Die Rückenschmerzen sind weg, ich habe die Matratze an die Wand gelehnt und kann mich jetzt an die Matratze lehnen. Habe sechzehn Kniffelrunden gewonnen, Annabelle nur acht. Läuft.

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Paul pfeift die ganze Zeit. Ich will raus.

Der Bunker, ein Lebenslauf

Geburt: Der Vorläufer des Bunkers war die im ersten Weltkrieg entwickelte Pillbox. Dieser eierförmige Betonbau bot einer Person Schutz vor den neuen Maschinengewehren.

Karriere: In der Zeit zwischen den Weltkriegen wurden in Europa Bunkeranlagen als Grenzbefestigungen oder als Notunterkünfte für die Bevölkerungen gebaut. Im Berliner Führerbunker erschoss sich am 30. April 1945 Adolf Hitler. Mit Beginn des Kalten Kriegs und der Verbreitung der Atomwaffen wurden in vielen Ländern neue, noch sichere Bunker gebaut.

Tod: Noch lange nicht. Menschen, die auf Apokalypsen warten, bauen Privatbunker. Auch die Pflanzen sind in den Untergrund gegangen. Im weltweiten Saatguttresor auf der Insel Spitzbergen in Norwegen lagern bis zu 4,5 Millionen Samenproben, darunter auch die von Sonnenblumen und Erbsen.

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Die letzte Stunde im Bunker vergeht nicht. Noch mal Kniffel? Wir packen viel zu früh. Dauert nur 15 Minuten. Noch mal Kniffel. „Ich bin aufgeregt“, sagt Annabelle und setzt sich ihren riesigen Rucksack auf. „Ich auch“, denke ich. Wie vor einem Vorstellungsgespräch, einem Date. Wieso eigentlich? Was soll draußen schon sein?

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Das Leben, was sonst!

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Es regnet, wir lieben die Luft. Der Himmel ist grau, auf den Straßen rote Rücklichter und Pfützen. Wie schön.

Schauen auf die Smartphones, Zahlen erscheinen. Ungelesene Whatsapp-Nachrichten hier: 9; ungelesene Whatsapp-Nachrichten da: 26. Steinmeier wurde als Bundespräsidentschaftskandidat vorgeschlagen, Rot-Rot-Grün in Berlin steht, und gerade landet Obama. Wir konnten keine Nachrichten lesen, nicht jede neue Wendung der TTIP-Verhandlungen mitbekommen. Der Welt war es egal. Wir hatten keinen Einfluss auf die Geschichte. Das ist beruhigend.

Weltflucht in den Bunker ist vielleicht keine Alternative. Aber drei Tage ohne Arschlöcher zu leben, das war gar nicht schlecht.

Dazu noch das Gefühl wie nach den Ferien: Man wurde vermisst. Hätte schlimmer kommen können.

Wir lesen die erwarteten Überschriften vergangener Tage, „Trump will starke Beziehungen zu Russland“, „Chaos, Machtkämpfe und kaum Personal“.

Wir fahren zu einem türkischen Imbiss nach Neukölln, bestellen zwei Tantuni, die besser als jeder Döner sind, zweimal groß und mit allem, und noch einen Milchreis, und noch einen Ayran.

Ganz hinten rechts ist noch ein Tisch frei. Wir sacken auf zwei Stühle, schauen auf die Tür hinter uns, die mit einer Panzerverriegelung gesichert ist, und sehen dann das Schild darüber: „Notausgang“.

Annabelle Seubert, 30, ist Redakteurin in der taz.am wochenende

Paul Wrusch, 32, ist stellvertretender Ressortleiter der taz.am wochenende

Ksenia Les, 27, lebt in Berlin und arbeitet als Fotografin unter anderem in Deutschland und Russland

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