RTL-Sendung „Raus aus den Schulden“: Liebster Schuldenberater der Nation
Peter Zwegat ist mit 74 Jahren gestorben. Seine Sendung „Raus aus den Schulden“ ist ein Paradebeispiel für niederschwellige Finanzbildung.
T reibende Musik à la James Bond, ein Zoom zur Aktentasche, dann ein schneller Schnitt: Peter Zwegat telefoniert, eilt zu einem Termin. Der Mann der roten Filzstifte und Flipcharts, ausgebildeter Verwaltungsbeamte und Sozialpädagoge, war der Schuldenberater einer ganzen Nation. In seiner Sendung „Raus aus den Schulden“ begleiteten Fernsehzuschauer*innen von 2007 bis 2019 den Mann im zu groß geratenen Anzug dabei, wie er Paaren und Singles aus dem Minus half.
Nun ist bekannt geworden, dass der 74-Jährige bereits im August verstorben ist. RTL zeigt zu diesem Anlass einige Folgen der Sendung im Fernsehen. Gut so, denn „Raus aus den Schulden“ war ein Vorreiter für niederschwellige Finanzbildung. Von wem lässt man sich lieber an die Gefahr von Ratenkäufen erinnern, als von dem netten Mann mit den verständnisvollen Augen?
Allein das Intro der Sendung ist legendär und Vorlage für viele Satire-Sendungen: Zuerst werden die Betroffenen vorgestellt, die meist massive Schulden ab 50.000 Euro aufwärts hatten. Dann erscheint Zwegat, der Schuldenberater mit über 20 Jahren Erfahrung. Eine Männerstimme erinnert die Zuschauenden aus dem Off: „Ihm geht es nicht um seinen Gewinn, wenn er hilft. Denn er berät kostenlos.“ Eine der bekanntesten Parodien machte daraus: „Peter Zwegat geht es nicht um den Profit. Peter Zwegat will einfach nur ins Fernsehen.“
Doch wenn der Schulden-Guru eine Einnahmen- und Ausgabentabelle mit Präzision zeichnet und Hausbesitzer Markus dann ausruft: „Es ist ein Fass ohne Boden“, als er die 198.577 Euro Schulden erblickt, ist auch egal, warum Zwegat genau im Fernsehen sein wollte. Er verurteilt Hans-Joachim nicht, wenn dieser zu spät merkt, dass seine Ehefrau sein Erspartes ausgegeben hat und ihm mit einem Schuldenberg allein lässt. Er fragt geduldig nach, als er merkt, dass Familie Krug nicht ganz ehrlich bei den Ausgaben mit ihm ist. Im Laufe der Folge gesteht der Ehemann dann eine Spielsucht.
Beratung auf Augenhöhe
In der Sendung geht es nicht darum, die Leute vorzuführen. Der Schuldenberater spricht auf Augenhöhe mit den Familien, setzt sich bei Ämtern und Gläubigern für sie ein. Für die Zuschauenden ist das eine wichtige Botschaft: Schulden passieren schneller als man denkt und sind nichts, wofür man sich schämen muss.
Die Sendung zeigt: Du bist nicht allein. Und ist dabei gar nicht so weit weg von der Realität: Etwa jede zehnte Person in Deutschland ist überschuldet, kann also finanzielle Verpflichtungen wie Miete oder Stromrechnungen über einen längeren Zeitraum hinweg nicht bezahlen. Das geht aus dem Schuldneratlas 2020 hervor. Die häufigsten Gründe sind Arbeitslosigkeit, Einkommensarmut, Krankheit oder Trennungen.
Das zeigt auch „Raus aus den Schulden“: Viele der Betroffenen haben Schicksalsschläge erlitten, müssen das Haus plötzlich ohne Partnerin abbezahlen oder benötigen teure Medikamente. Ein weiterer Grund, der laut dem Schuldneratlas mehr als eine Million Menschen betrifft, ist eine unwirtschaftliche Haushaltsführung. Und an dieser Stelle setzte Peter Zwegat mit seinem Format an. Er klärte die Familien und Singles auf und leistete eine Arbeit, die eigentlich in Schulen statt im Nachmittagsprogramm von RTL stattfinden sollte.
Davon braucht es definitiv mehr. Denn Organisationen wie die OECD attestieren Deutschland seit Jahren große Lücken in der Finanzbildung. Peter Zwegat allein konnte diese nicht schließen. Und trotzdem muss sein Spirit weiterleben. Wer weiß, vielleicht steht schon der Schulden-Guru für die nächste Generation an Onlinekäufer*innen bereit? Dann aber bitte auf Tiktok und nicht im oldschool Fernsehprogramm.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt