REFERENT MIT URKNALL: Dr. Kellner kommt ins Grübeln

Um die unter Kreationisten beliebte Intelligent-Design-Theorie zu verbreiten, mietet ein Ex-Astrium-Manager das Haus der Wissenschaft. Dort geht man auf Distanz.

Schöpfung? Ist doch was Schönes! Bild: Michelangelo

"Das Haus der Wissenschaft distanziert sich deutlich von den Inhalten dieser Fremdveranstaltung", war am Mittwochabend auf einem Aushang in der Sandstraße 4 / 5 zu lesen. Das hat es dort noch nicht gegeben. Der Anlass: ein Vortrag von Albrecht Kellner über "die Erforschung des Weltalls" und "Hinweise auf einen Urheber".

Ursprünglich wollte der zwei Vorträge in der Sandstraße halten. Den zweiten Termin hat das Haus der Wissenschaft abgesagt. Einen "thematischen Fachvortrag" habe man erwartet, sagt Sprecherin Maria Santos. Eingemietet hatte sich Kellner als Wissenschaftler, promovierter Physiker, und ehemaliger Manager bei Astrium. Dass er dort längst nicht mehr arbeitet, erwähnt er während seines Vortrages am Mittwoch nicht. Über den Raumfahrtkonzern spricht er in der "Wir-Form". Bei Astrium selbst betont eine Sprecherin, Kellner trete im Haus der Wissenschaft als "Privatmensch" auf, einen Bezug zum Unternehmen gebe es in seinen Vorträgen nicht.

Die letzte wissenschaftliche Publikation Kellners - zum Thema künstliche Intelligenz - stammt aus dem Jahr 1989. Im Frühjahr 2010 ist seine Autobiographie erschienen, laut Klappentext eine "packend erzählte Lebens- und Glaubensgeschichte". Veröffentlicht wurde sie in einem Verlag der evangelikalen Stiftung Christliche Medien, zum Start hat ihn die einschlägige Zeitschrift Idea Spektrum interviewt. Dort spricht er über "verblüffende Parallelen zwischen astronomischen Erkenntnissen und biblischer Weltsicht". Mit seinem Vortrag über die Erforschung des Weltalls tourt er bundesweit durch vorwiegend freikirchliche Gemeinden. Im November referiert er für die "Internationale Vereinigung Christlicher Geschäftsleute" über "unübersehbare Hinweise der modernen Physik auf die Existenz eines Schöpfers".

Was Kellner betreibt, bezeichnet Ulrich Kutschera, Professor für Evolutionsbiologie an der Uni Kassel, als "Pseudowissenschaft". Kutschera beschäftigt sich seit Jahren mit der Ausbreitung des Kreationismus in Deutschland. Und der beginne da, wo - wie bei Kellner - "empirische Fakten als Hinweise auf Gott gedeutet werden". Nach der Intelligent-Design-Theorie etwa sind die Entstehung von Universum und Leben, Vorgänge wie Mutation und natürliche Selektion Ergebnis eines Entwurfes eines Designers oder Schöpfers. Für Kutschera ist das "Kreationismus unter dem Deckmantel der Wissenschaft".

Um ihre Theorien zu verbreiten, suchten Anhänger von Kreationismus und Intelligent Design gezielt Orte mit seriösem Ruf auf - wie das Haus der Wissenschaft, so Kutschera. Seine Einschätzung ist keine Einzelmeinung: Bereits 2007 warnte der Europarat vor Kreationisten, die in den Bildungssektor drängten. Die Intelligent-Design-Theorie, heißt es in einer Resolution, werde "subtiler präsentiert und versuche, ihren Ansatz als wissenschaftlich darzustellen".

Auch Albrecht Kellner geht im Haus der Wissenschaft subtil vor. Das Wort "Gott" erwähnt er nicht, auf Bibelzitate verzichtet er - dieses Mal. Eine halbe Stunde kürzer als geplant fällt der Vortrag auf Druck des Hauses hin aus. Den 14 Leuten im Saal erklärt er per Power Point das Urknall-Modell und die Entstehung von Sternen. "Ins Grübeln" müsse man angesichts dessen doch kommen, sagt er. Sich fragen, ob das alles Zufall sein könne. Kellners Antwort: "Da steckt Absicht dahinter." Er "persönlich" komme "an einem Schöpfungsakt nicht vorbei". Auch Hinweise darauf, dass der Schöpfer ein Bewusstsein und "uns gewollt" haben müsse, ziehe er aus der Physik. Als Kreationist, sagt er auf taz-Nachfrage, sehe er sich aber nicht.

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