Queerfeindlichkeit in ganz Europa: Sehnsucht nach dem Regenbogen-Monster
Queerfeindlichkeit überall: In Russland werden Ehen von Personen mit geändertem Geschlechtseintrag annuliert, in Italien lesbische Eltern unterdrückt.
A lle Ehen in Russland, in denen ein Partner den Geschlechtseintrag geändert hat, sollen annulliert werden. Das besagt ein neues Gesetz. Zudem dürfen Russ*innen keine Geschlechtsangleichungen mehr vornehmen. Die Regierung Putin begründet das Gesetz mit einem Kampf gegen „westliche Ideologien“. Interessanter Humor.
„Haben Sie das mit den Nachbarn gehört? Ihre Ehe wurde für ungültig erklärt.“
„Unerhört, wieso das?“
„Ums dem Westen so richtig zu zeigen.“
„Ach?“
„Sie kennen doch das Sprichwort: Jedes Mal, wenn du eine LGBT-Ehe annullierst, sprengt sich bei der Nato jemand aus Versehen selber in die Luft.“
Die rechten, die traditionalistischen und die völkischen Kräfte sind schon so lange davon besessen, queer mit „westlich“ zu assoziieren, dass man meinen könnte, da wäre was dran. Aber „westlich“ ist hier natürlich erstens kein Ort, sondern mehr so eine Emo-Chiffre für „außer Kontrolle, gefährlich, igitt“ (also ziemlich genau wie „Osten“). Zweitens glaube ich manchmal: Niemand redet so viel über LGBT wie Rechte, Militante und Autoritäre. Die kriegen gar nicht genug von uns als Fetisch.
Die EU ist auch nicht besser
Es ist eine romantische Sehnsucht nach dem Regenbogen-Monster. Viktor Orbán hat diese Woche bei einem Besuch in Rumänien schon wieder die Schlechtenachtgeschichte vom „großen Austausch“ erzählt. Die EU organisiere „den Bevölkerungsaustausch durch Migration“, sagte Orbán und sprach dann von einer „LGBT-Offensive der EU gegen die familienfreundlichen Nationen Europas“.
LOL: „Offensive“. LOL: die EU irgendwas „organisieren“? Ich wünschte, der „Westen“ wäre nur halb so motiviert an unserer Seite, wie Putin und Orbán glauben. Stattdessen wählen die Leute hierzulande und in Spanien begeistert völkische Parteien. Ebensowenig wie Queerness „aus dem Westen“ ist, ist Queerfeindlichkeit „aus dem Osten“.
Italien hat vergangene Woche begonnen, bei lesbischen Elternpaaren je eine Mutter aus den Registern zu streichen. Und zwar diejenige Mutter, die das Kind nicht geboren hat. Sie verschwindet aus allen Unterlagen, als hätte es sie nie gegeben. Falls das Kind ihren Namen trägt, muss auch der weg. Hintergrund ist ein Gesetz zur „Stärkung der traditionellen Familie“, von der Regierung Giorgia Meloni, über dessen Rechtmäßigkeit noch der Oberste Gerichtshof Italiens entscheiden muss.
„Haben Sie gehört? Meloni hat den Kids aus dem zweiten Stock die Mutti gestrichen.“
„Unerhört, wieso das?“
„Meloni legt Wert auf die ‚Stärkung der traditionellen Familie‘.“
„Ach?“
„Sie kennen doch das Sprichwort: Jedes Mal, wenn ein Kind ein queeres Elternteil verliert, wachsen einer ‚traditionellen Familie‘ festere Knochen und stärkere Zähne.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit