Queeres Tanztheater in Hamburg: „Mutig sein und Spaß haben“

Fünf Per­for­me­r*in­nen suchen das Gemeinsame ihrer vielfältigen Identitäten: Choreograf Raymond Liew Jin Pin über Queerness in Südostasien und hier.

Fünf Performer*innen stehen in Posen in einem Raum, von hinten angestrahlt in einem dunklen Pink

Kollektiv bewegt: Raymond Liew Jin Pin, Paula Pau, Teddy Ong Xing Kai, Amin Alifin, Lee Mun Wai Foto: Pascal Schmidt

taz: Raymond Liew Jin Pin, für Ihr Stück „Maria Cencaru“ spielt eine Kindheitserinnerung eine zentrale Rolle. Was haben Sie erlebt?

Raymond Liew Jin Pin: Als ich elf war, veranstaltete meine Mutter, die auch meine Lehrerin ist, in Malaysia einen Kinder-Talent-Wettbewerb. Sie kleidete mich in ein goldenes Paillettenkleid, setzte mir eine Perücke auf und schminkte mich. Ich gewann den dritten Preis. Im Rückblick war das ein sehr schöner Moment. Aber wenn man ihn in Bezug setzt zur heutigen Realität in Südostasien in Bezug auf Crossdressing oder LGBTQ-Rechte, ist es ein sehr ernstes Thema.

Wie ist die Situation in Südostasien?

Crossdressing und Homosexualität sind ein Tabu und in einigen Ländern illegal. Vergangenes Jahr, als ich in Malaysia war, gab es eine Halloween-Veranstaltung. Dort haben sie männlich gelesene Personen festgenommen, weil sie weiblich assoziierte Kleidung getragen haben. Ei­ne*r meiner Per­for­me­r*in­nen war unter den Festgenommenen. Ich arbeite seit zwei Jahren an dem Projekt und habe realisiert, wie real und tiefgehend die Unterdrückung queerer Menschen in Südostasien ist. Wir arbeiten zum Beispiel mit der bildenden Künstlerin Shika zusammen, einer Transfrau aus Malaysia. Sie musste gerade in London Asyl beantragen. In Malaysia ist die Ehe von Homosexuellen illegal, in Deutschland sind Jascha Viehstädt, mit dem ich in verschiedenen Konstellationen zusammenarbeite und der sich diesmal um die Bühne kümmert, und ich legale Ehemänner.

ist Choreograf und Performer aus Malaysia und lebt in Deutschland.

Sie schreiben, „Maria Cencaru“ sei die „Gemeinsamkeit Ihrer unterschiedlichen Identitäten“, ein „überfälliges cis-sis Familientreffen“.

Ich habe mit einem Solokonzept begonnen, aber ich fühle mich angesichts des großen Themas klein. Und ich habe im Rückblick auf meine bisherigen Arbeiten realisiert, wie groß meine Angst gewesen war, meine Queerness darin zu zeigen. Ich habe gemerkt, dass ich den Drang habe, meinen Körper zu hinterfragen, meine Bewegungen zu hinterfragen, was diese weibliche Bewegung oder auch traditioneller Tanz bedeuten. Deshalb habe ich angefangen, nach anderen queeren Tän­ze­r*in­nen zu suchen, die sich in diesem Kampf befinden: Menschen, die dafür kämpfen, wer sie sein wollen.

Wie ist Ihr Team zusammengekommen?

Ich habe ei­ne*n Tän­ze­r*in aus Malaysia eingeladen und ei­ne*n aus Singapur; dazu zwei, die in Deutschland leben, Lee Mun Wai, Amin Alifin, Paula Pau und Teddy Ong Xing Kai. Sie sind auf unterschiedliche Weise queer: Paula identifiziert sich heute als weiblich, Teddy ist non-binär.

Wie sieht das Ergebnis stilistisch aus?

Ich arbeite mit der Fusion von traditionellem und zeitgenössischem Tanz, diese Arbeit mit dem Thema Queer führte mich zur Verbindung zur Ballroom-Szene, zu Voguing und Waacking. Die Bühne ist ein futuristisches Sci-Fi-Setup, es wird sehr visuell sein, mit einem großen LCD-Bildschirm im Hintergrund. Es hat etwas von einem großen Konzert und manchmal auch etwas von einem LSD-Trip. Wir wollen einen immersiven Raum schaffen.

„Maria Cencaru
 – A Southeast Asian Cis-Sis Reunion“: bis 5. 2., jeweils 20 Uhr, Hamburg, Wiese e.G.; Tickets: www.raymondliewjinpin.com

24. + 25. 2., jeweils 20 Uhr, Bremen, Schwankhalle

Wie das?

Es gibt keine feste Front, sondern verschiedene Sitzmöglichkeiten. Die Per­for­me­r*in­nen gehen einladend auf das Publikum zu. Wir wollen eine Welt eröffnen, die normalerweise nicht so leicht zugänglich ist, wie die LGBTQ-Szene in Malaysia oder auch hier. Wir wollen dem Publikum ermöglichen, einzutauchen und auch Spaß zu haben. Denn neben all den Schwierigkeiten, die es in Südostasien, aber auch hier gibt, wollen wir zeigen, dass man mutig sein und viel Spaß haben kann in dieser Welt: eine Welt, in der Identität nicht durch externe, traditionelle und konstruierte Normen bestimmt wird. Damit geht eine große Freiheit einher.

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