Queer-Beauftragter der Regierung: Lehmann besetzt einen neuen Posten
Die Bundesregierung hat mit dem Queer-Beauftragten ein neues Amt geschaffen. Ein Kölner soll das Geschäft dort nun übernehmen.
Erster war Sven Lehmann schon oft. Als Erster hat er bei der Wahl im vergangenen September in Köln ein Bundestags-Direktmandat für die Grünen gewonnen. Seit Dezember amtiert der 42-Jährige als Parlamentarischer Staatssekretär im erstmals grün geführten Bundesfamilienministerium. Und seit Mittwoch ist Lehmann der erste Queer-Beauftragte einer Bundesregierung überhaupt – das Kabinett hat das Amt neu geschaffen.
Ein „starkes Gerechtigkeitsempfinden“, sagt der in Troisdorf zwischen Köln und Bonn geborene Rheinländer über sich, das habe er schon als Kind gehabt – und noch heute empöre ihn Diskriminierung. Zu spüren war das schon in seinem ersten Statement als „Beauftragter der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt“, wie Lehmanns neuer Job offiziell heißt.
„Jeder Mensch soll frei, sicher und gleichberechtigt leben können“, erklärte er direkt nach seiner Ernennung. Mit einem „nationalen Aktionsplan“ will Lehmann, der 1999 Teil der grünen Partei ist, nicht nur für die Gleichstellung von homo-, trans- und intersexuellen Menschen kämpfen: Auch die Familienpolitik werde sich künftig „an der gesellschaftlichen Realität unterschiedlicher Familienformen ausrichten“, verspricht er.
Denn das neue Amt verbindet Lehmanns private und politische Biografie. Der Parteilinke ist 2017 in den Bundestag eingezogen und war dort nicht nur sozialpolitischer, sondern zusammen mit der Abgeordneten Ulle Schauws auch queerpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Schon 2010 machte er seine Beziehung zu seinem Partner Arndt Klocke öffentlich – durch ein Portrait in der konservativen Rheinischen Post.
Ein Kritiker von Hartz IV
In der Landeshauptstadt Düsseldorf galt die Beziehung vielen als Politikum: Auch Lehmanns Partner Klocke ist bei den Grünen aktiv, war von 2006 bis 2010 NRW-Landesvorsitzender der Partei – und Sven Lehmann wurde sein Nachfolger. Manche lästerten deshalb, das Amt werde „in der Familie vererbt“.
Dabei könnten Lehmann und Klocke auch innerparteiliche Gegner sein: Als einstiger Landesvorsitzender der Grünen Jugend NRW dachte Lehmann über ein Bündnis mit SPD und Linken nach, während sich Klocke Schwarz-Grün vorstellen konnte. Das Geheimnis ihrer Beziehung, erklärten beide einst in der taz, liege auch in der Distanz: Lange wohnten sie getrennt, heute beschreibt Lehmann ihren Status als „zusammenlebend“.
Die räumliche Entfernung aber bleibt: Klocke ist Fraktionsvize in Düsseldorf. Sven Lehmann wechselte dagegen vor mehr als vier Jahren nach Berlin – und brach dort als sozialpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion mit den Hartz-Reformen, die von den Grünen während der Kanzlerschaft des Sozialdemokraten Gerhard Schröder selbst mitbeschlossen worden waren. „Hartz IV muss weg“, forderte er immer wieder. Denn nicht nur Diskriminierung, sagt Lehmann, auch „soziale Ungleichheit und Armut“ bedrückten ihn bis heute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften