Qualifikation zur Fußball-EM 2020: Ist doch sonnenklar
Gruppen, Playoffs, Nations League – kaum einer kapiert die Regeln der EM-Qualifikation. Wir haben Harald Lesch gebeten, Licht ins Dunkel zu bringen.
F ußball fasziniert die Menschen. Anders ist das schon mit den großen Verbänden. Die haben den Fußball im Griff und doch scheinbar nichts mit uns zu tun. Sie sind ein Faszinosum wie das Universum: schwarze Löcher, dunkle Energie, Euronenströme, dunkle Materie. Und dann gibt es Bereiche, die direkt etwas mit uns, den Fußballfans, zu tun haben.
Immer wenn die großen Ereignisse in der Fußballgalaxie anstehen, schauen wir nach Nyon, von wo aus die europäische Fußballsonne der Uefa strahlt. Sie definiert die Regeln, nach denen die großen und kleinen Sterne scheinen dürfen. Wer ist dabei, wenn im Sommer 2020 eines dieser großen Spektakel am Fußballfirmament stattfindet? Wer darf strahlen? Auf wen fällt kein Licht im Fußballsommer 2020?
In vergangenen Sternzeiten war die Galaxie ganz einfach geordnet. Sterne formierten sich zu Gruppen und nach einer Hin- und einer Rückrunde, die da gedreht wurde, war klar, wer dabei sein würde, wenn sich, wie es alle vier Jahre der Fall war, ein neues Sternbild am europäischen Fußballhimmel formiert hat. In der Rückschau kommt uns diese Zeit wie eine Ära der maximalen Ordnung vor, in der die Grundgesetze der Fußballlogik ihre Vollendung gefunden haben. Heute scheint dagegen der Zufall zu regieren. Aber so ist das eben bisweilen mit der Wissenschaft: Man meint, genau zu wissen, wo man hinwill, und dann kommt der Zufall – der Zufall und die Nations League.
Neben dem Sonnensystem der EM, das uns über die Jahre vertraut geworden ist, hat sich ein weiteres Gebilde am Firmament geformt. Nennen wir der Einfachheit halber die Sterne Nationen und geben wir diesen Nationen die Namen europäischer Staaten. Und nennen wir darüber hinaus die Anordnung, die sie bilden, nicht etwa Sonnensystem, sondern League, schon scheint alles ganz einfach. Denn nun haben wir die Nations League.
In der Physik heißt es Qualifikation
Und schauen wir uns dann an, was die Uefa-Astronomen unter der Leitung des slowenischen Fußballarithmetikers Prof. Dr. Alexander Čeferin formuliert hat, dann fällt es uns wie die Sternschnuppen von den Augen. Der Lehrsatz lautet: Neben 20 Nationen, die eine EM nach dem Vorbild formen, wie wir es seit Jahrzehnten kennen, haben von allen 55 Nationen die 16 Siegernationen, die sich in vier Kategorien in einer Gruppe von Nationen als beste ausgezeichnet haben, die Möglichkeit, in den Kreis der Nationen zu gelangen, der sich im Sommer des nächsten Jahres unter dem Namen „Uefa Euro 2020“ bilden wird. In der Physik benutzen wir dafür den Ausdruck Qualifikation. 16 Nationen streiten in einem Kampf der Sterne, für die sich der Name Playoffs etabliert hat, um vier Plätze in jener „Uefa Euro 2020“, um die, Sie ahnen es, Qualifikation.
Wenn nun aber aus einer der vier hierarchisch organisierten Kategorien nicht mehr vier Nationen vertreten sind (etwa wenn daraus zehn der zwölf Nationen über das traditionelle EM-Verfahren direkt zur Qualifikation gelangt sind), werden die übrigen Plätze an Nationen aus anderen Kategorien vergeben. Entscheidend ist dabei die sogenannte Gesamttabelle der Nations League, so etwas wie ein bewegliches Periodensystem der Fußballelemente. Sie alle kennen das aus dem Chemie-Untericht.
Nun ist es so, dass Nationen, die eine Kategorie anführen, nicht in eine Playoff-Gruppe kommen können, in der sich Nationen aus einer höheren Kategorie befinden. Sollte also eine Playoff-Gruppe mit mindestens einem Besten einer Kategorie nicht genug Nationen aus derselben Kategorie enthalten, wird die Gruppe mit Nationen aus niedrigeren Kategorien aufgefüllt.
Damit ist etwa klar, dass eine dieser sogenannten Playoff-Gruppen – Sie erinnern sich, wir wollten den Nationen Namen von Staaten oder staatsähnlichen Gebilden geben – folgende Konstellation aufweist: Georgien, Nordmazedonien, Weißrussland und Kosovo. Im März 2020 kommt es zum Aufeinandertreffen. Dann heißt es: wer nach den Sternen greifen will, muss sich durchzusetzen wissen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos