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Putzmittel und Pornos

Die Rentnerin Helga Z. aus Berlin hatte kurz vor der Währungsunion sowieso kein Geld mehr. Ganz anders ihr Mann, der für seine Ostmark schnell noch eine Jacke, ein Radio und einen Fernseher erstand. Das russische Schwarzweißmodell steht seitdem in einer verlassenen Ecke, wenig später wurde ein Farbfernseher erworben.

Tochter Silke hat geschickter gewirtschaftet: Den Leerstand auf ihrem Konto und dem ihres Sohnes hatte sie untervermietet. Da jeder DDR-Bürger maximal 4.000 Mark 1:1 tauschen durfte, wurden überzählige Beträge oft auf Konten mit Niedrigstand verteilt. Zehn Prozent Gebühr konnte der Kontovermieter verlangen. Eine neue Waschmaschine für Silke!

CDU-Bundestagsmitglied Rainer Eppelmann kann oder will sich beim besten Willen nicht mehr erinnern, was er mit seinem letzten Ostgeld gemacht hat. Durchgestartet.

Miriam Lassak, Vorzimmerdame von Gregor Gysi, fand den letzten Ostzwanziger 1992 beim Umzug von Sachsen nach Bonn, hinter dem Kühlschrank. Jetzt ruht er im Erinnerungskästchen.

Zum Schnäppchen wurde die Währungsreform für Torsten M. aus Brandenburg: Vor der Wende hat er ein Grundstück mit Haus erworben, für achttausend Mark Ost, zahlbar in Raten. Als die Währungsunion näher rückte, beschleunigte er die Abstotterei. Erarbeitete sich in Westberlin harte Währung, die er zu günstigen Kursen umrubelte. Mit dem Ostgeld zahlte er schnell den Rest der Schulden ab. Die Wertsteigerung war nach Vollzug der Einheit entsprechend astronomisch. Sein damaliger Lebenspartner hatte sich hingegen für einen Autokauf entschieden. Fünftausend Ostmark für einen gebrauchten Skoda. Und Putzmittel für die nächsten zehn Jahre. Der Wertverfall nach der Wende war ebenfalls astronomisch.

Die Jugendweihe von Olaf Hinz aus Berlin hatte immerhin 1.500 Ostmark eingebracht. Das Geld hatte er zur Währungsunion noch auf dem Konto. Der heutige Student und SFB-Kabelträger hat sich von seinem ersten Westgeld eine CD gekauft, obwohl er noch gar keinen Player hatte: Glen Miller für 19 Mark 95.

Seine akademische Kabelkollegin Marika Bent weiß noch, dass der letzte Ostgroschen für Kartoffeln ausgegeben wurde. Von der ersten harten Währung kaufte sie sich einen Walkman. Faszinierend fand sie, dass nach dem 1. Juli 1990 Westgeld auch für Kartoffeln bezahlt werden musste.

Jörg E. aus B. hat sich ein Pornoheft gekauft! Die waren in der DDR bekanntlich Mangelware.

MARTIN REICHERT

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