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Putsch in SudanDie einsame Protestbewegung

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Im Sudan wollen die Generäle wieder die ganze Macht. Der Protest des Auslands ist bigott: Die zivile Übergangsregierung wurde einst allein gelassen.

Demonstration gegen die Absetzung der zivilen Regierung von Premierminister Abdalla Hamdok Foto: afp

S udans Generäle lassen nicht locker. Bedenkenlos hat der oberste General Abdelfattah Burhan die von ihm selbst geführten Übergangsinstitutionen aufgelöst, die zivile Regierung verhaften lassen und den Ausnahmezustand verhängt. Es ist ein Militärputsch, obwohl Burhan schon an der Macht war. Er will noch mehr Macht. Jedes Ansinnen, den Würgegriff der Generäle auf Sudans Wirtschaft zu lockern und ihre Straffreiheit für vergangene Kriegsverbrechen anzutasten, wird im Keim erstickt.

Sudans Demokratiebewegung wird nun wieder einmal allein gelassen. In den vergangenen Jahren hat sie unbeschreiblichen Mut bewiesen: Nach mehreren im Blut ertränkten Aufständen hat sie ab Ende 2018 mit beharrlichen Massenprotesten den Gewehren eines allmächtigen Sicherheitsapparats getrotzt, der in Südsudan und Darfur schon einige Millionen Menschenleben auf dem Gewissen hat. Der Protest erzwang schließlich 2019 den Sturz von Langzeitdiktator Bashir – vollstreckt von seinen eigenen Generälen, die ihre Felle davonschwimmen sahen und ihre Haut in die neue Zeit retten wollten.

Es war die Sternstunde der Revolution. Die Protestbewegung war siegessicher. Sie dachte, mit Unterstützung aus dem Rest der Welt auch noch die letzten Schritte hin zu einem neuen, demokratischen Sudan gehen zu können. Sie irrte sich. Die Generäle wurden nach einer Schamfrist wieder selbstbewusster, und jetzt vollziehen sie das Rollback – alles im Namen der Rettung des Landes, selbstverständlich.

Jetzt protestiert der Rest der Welt und fordert die Rücknahme des Putsches. Ernsthaft? Wo war der Rest der Welt, als in Südsudan und Darfur gemordet wurde, als Diktator Bashir trotz internatio­nalen Haftbefehls straflos um die Welt reiste? Wo blieb die Unterstützung für die 2019 eingesetzte zivile Übergangsregierung, als sie den Menschen ein besseres Leben bieten wollte?

Verantwortung des Westens

Die USA machten Hilfen von einer Annäherung an Israel und Entschädigungszahlungen an US-Bürger wegen Bashirs Terror abhängig, der IWF knüpfte seine Kredite an die Streichung von Subventionen. Die weltweiten Reichtümer und Geschäfte der Generäle blieben unangetastet. Das Ergebnis: Die zivile Regierung diskreditierte sich, die Militärs mussten nur abwarten. Jetzt fahren sie die Ernte ein.

Der Mut der Protestbewegung, die sich auch jetzt noch gegen den Putsch stemmt, ist beeindruckend und verdient mehr als nur verbale Solidarität. Aber wenn sich die Generäle durchsetzen, wird das sudanesische Volk bitter dafür büßen, jemals die Ordnung der Dinge in Frage gestellt zu haben. Und Europa wird sich wundern, wieso plötzlich wieder so viele verzweifelte Sudanesen als Flüchtlinge anklopfen.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Vielen Dank für diesen Artikel, und dann noch auf Platz 1, wo er auch hingehört!