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Putin bei Fragestunde im FernsehenDraht zum Volk

Es ist die Stunde der Propagandisten: Wladimir Putin stellt sich den Fragen aus dem Publikum. Auch Edward Snowden liefert eine Vorlage für den Präsidenten.

Der Präsident im Pressegespräch nach der TV-Übertragung. Bild: ap

MOSKAU taz | „Heute hört uns ein anderes Land, Russland zusammen mit der Krim und Sewastopol“. 23 Jahre hätte Russland auf diesen Moment der Vereinigung mit der Krim seit dem Ende der Sowjetunion warten müssen, sagte die Moderatorin des 1. staatlichen TV-Kanals Maria Sittel mit überschlagender Stimme. Alle Fragen würden sich in dieser Sendung mehr oder weniger um die Krim drehen.

Es war Präsident Wladimir Putins zwölfter „Draht zum Volk“, eine jährliche Fragestunde, in der handverlesene Teilnehmer im Studio und draußen im Lande dem Kremlchef all die Fragen stellen dürfen, die ihnen unter den Nägeln brennen. Das Interesse war groß, 2,5 Millionen Fragen waren in der Redaktion eingegangen. Es ist auch die Stunde der Kreml-Propagandisten und staatlichen Illusionskünstler.

Gleich zu Beginn brachte die Moderatorin die Zuschauer noch auf den letzten Stand der Nachrichten aus der Südost-Ukraine. Dort werde gerade ein „genuiner Genozid“ gegen die russischsprachige Bevölkerung verübt, sagte sie. Danach hatte Wladimir Putin das Wort, dessen Verdrehungen und Übertreibungen sich im Vergleich zu denen seiner willfährigen Mitarbeiter fast harmlos ausnehmen.

Zum Auftakt nannte Präsident Putin die Entsendung von ukrainischen „Panzern und Flugzeugen“ in den Osten der Ukraine, wo pro-russische Demonstranten seit Tagen Verwaltungsgebäude besetzt halten, ein Verbrechen. Er hoffe, die Regierung in Kiew werde noch verstehen, „in welchen Abgrund sie das Land mit sich zieht“. Die Regierung sei nicht an einem Dialog mit den Menschen in der Grenzregion interessiert und würde sich stattdessen nur „mit den von ihr selbst ernannten“ Leuten treffen.

Während in Genf die Unterhändler aus Russland, den USA, der Ukraine und der EU zum ersten Mal zu Gesprächen zusammentrafen, setzte Kremlchef Putin weiter auf Konfrontation. In bekannter Manier trat er den Vorwürfen aus dem Westen entgegen, denen zufolge Russland in der Ostukraine die Zuspitzung der Lage seit Tagen bewusst vorantreibt. „Es gibt keine russischen Truppen in der Ukraine“, sagte Putin. Das seien alles ukrainische Bürger, die sich selbst bewaffnet hätten.

Drohgebärde der militärischen Intervention

Er ließ überdies keinen Zweifel aufkommen, dass er die „Rechte der russischsprachigen Minderheit“ in der Ukraine verteidigen werde. Putin hält auch die Drohgebärde einer militärischen Intervention weiterhin aufrecht. „Der Föderationsrat hat mir das Recht zur Entsendung von Truppen in die Ukraine gegeben. Ich hoffe sehr, dass ich nicht gezwungen sein werde, dies zu tun“, meinte er.

Der Kremlchef muss die öffentliche Meinung zuhause nicht fürchten, auch die Haltung der EU und USA im Ukrainekonflikt schert ihn wenig. Ansonsten hätte er wohl nicht freimütig eingeräumt, dass hinter den „grünen Männchen“, die in Uniform ohne Hoheitsabzeichen auf der Krim für vollendete Tatsachen sorgten, sich nun doch russische Militärs verbargen. „Ohne unsere Soldaten wäre ein freier Willensentscheid nicht möglich gewesen“, sagte Putin ohne mit der Wimper zu zucken. Mit dem Entscheid war das widerrechtliche Anschluss-Referendum gemeint. Die gleichen grünen Männchen sind nun wieder als Ukrainer oder Staatenlose im der Ostukraine unterwegs.

Der „Draht“ war ein Multimedia-Ereignis, das auch den Eindruck von Meinungsvielfalt erwecken sollte. So schaltete sich der NSA-Whistleblower Edward Snowden mit einer Videofrage ein: Betreibt Moskau eine so lückenlose Überwachung seiner Bürger wie die USA? Putin konnte ihn beruhigen. Natürlich überwache auch Russland, aber „unter strengster Kontrolle von Staat und Gesellschaft“. Das wirkte fast schon wie eine kabarettistische Einlage, die von den Zuhörern jedoch nicht mit Applaus bedacht wurde.

Die Hände zum Würgegriff

Eine ebenfalls sehenswerte Nummer legte Putins Propagandachef Dmitri Kiseljow hin. Er nahm beide Hände und formte sie zum Würgegriff. Er könne kaum noch atmen, da er wie auch Russland den Griff der Nato – jenes Krebsgeschwürs – an seiner Kehle spüre. Putin beruhigte den Freund: Er müsse keine Angst haben, man dürfe vor der Realität aber nicht die Augen verschließen. Darf ein Russe keine Angst haben oder ist die Bedrohung der Nato doch nur Einbildung? An Widersprüchen war die vierstündige Sendung reich. Das Format sieht keine Nachfragen vor.

Auch vor Sanktionen fürchtet sich Putin nicht. Die EU könne nicht auf die 30 Prozent ihres Gases aus Russland verzichten, bekräftigte der Kremlchef. Selbst wenn, würde das Russland kaum treffen, da es zu 90 Prozent von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft lebe, sagte er. Das schien einfach mal für das heimische Publikum so dahingeworfen. Die Konsequenzen wurden heruntergespielt.

Als neuen Partner, der für die EU in die Bresche springen würde, baute der Kremlchef China auf. Auch hier schien der Wunsch Mutter des Gedankens. Einen Eisernen Vorhang wolle er nicht wieder errichten, meinte Putin. Die Menschen in der Westukraine tröstete er vorab, als gehörten sie schon ihm: Im Westen – dem Habsburger Reich – seien sie doch auch nur Menschen zweiter Klasse gewesen.

Die häufigste SMS gab die Moderatorin bekannt sei „Spasibo sa Krim“ – „Danke für die Krim“ gewesen – ganz so als sei sie ein geschenktes Konfekt.

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8 Kommentare

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  • Den "Draht zum Volk" pflegen auch US-Präsidenten, sogar monatlich, nicht nur jährlich. Bei öffentlich übertragenen TV-Fragestunden in den USA werden die Teilnehmer auch "handverlesen" und die vorher millionenfach eingereichten Fragen sorgfältig geprüft und dann zugelassen oder eben nicht zugelassen. Jeweils nach (gesellschafts-, innen- und außen-)politischer Wetterlage!

     

    Fragen Sie mal, lieber Herr Donath, Ihre Kolleginnen und Kollegen Auslandskorrespondenten in den USA bzw. in Washington!

  • Spaß beiseite:

     

    "Auch vor Sanktionen fürchtet sich Putin nicht. Die EU könne nicht auf die 30 Prozent ihres Gases aus Russland verzichten, bekräftigte der Kremlchef. Selbst wenn, würde das Russland kaum treffen, da es zu 90 Prozent von den Einnahmen aus dem Ölgeschäft lebe, sagte er. Das schien einfach mal für das heimische Publikum so dahingeworfen. Die Konsequenzen wurden heruntergespielt."

     

    Es lohnt sich da schon, anstelle der verkürzten Donath-Version Putins Argumentation etwas genauer anzuschauen, der entsprechende Passus hier (auf Emglisch): http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140418000

     

    Bei Prüfung der Fakten wird es dann klar: Wer sich in diesem Punkt Illusionen macht, ist nicht Putin, es sind die Strategen der EU und USA.

  • Zitat:

    "Einen Eisernen Vorhang wolle er nicht wieder errichten, meinte Putin."

     

    Diese Aussage scheint mir wichtig. Deutschland und Europa können ja den Versuch machen und Russland einfach mal vertrauen. Wirtschaftlich waren die Russen allen Aussagen nach immer ein verlässlicher Partner. Warum sollten wir nicht auch "menschlicher" und kulturell mehr auf den grossen Nachbarn zugehen. ??

     

    .

  • Ein leider äussert einseitiger Artikel. Die TAZ könnte deutlich mehr bieten.

  • Erinnert mich an das Wiedervereiniguhngstheater der BRD :D

     

    Theater spielen sie alle gut. Heute kann man eher Putin als Merkel oder Obama glauben.

     

    Und dann haben wir natürlich noch Herrn Donath.

  • Gesichtsverlust eine Schande mit unabsehbaren Folgen.

     

    Es ist einfach unmöglich wie Politiker des Westens über Putin reden.

    Es äußerst abscheulich und ein Zeugnis eines sehr billigen, niedrigen Charakters.

     

    Putin und Lawrov haben sich in Ihren Äußerungen nie auf dieses niedrige Niveau herabgelassen.

     

    Vermutlich hat Putin unseren westlichen PolitGöttern so einige Wahrheiten überdeutlich präsentiert.

    Diese haben wohl bis dahin von Weltherrschaft und neuer Weltordnung geträumt.

    Jetzt mussten sie böse erwachen sind beleidigt.

    Deshalb vergreifen sie sich ständig in unwahren, beleidigenden, provozierenden Anschuldigungen und anmaßenden Bewertungen Putins und seiner Politik.

    Und die WestpropagandaPresse legt noch eines oben drauf.

     

    Der Gesichtsverlust der WestPolitGötter und dessen Folgen sind immens.

     

    Hier die Beliebtheitsscala der führenden Politiker.

    Der Independent hat es gewagt diese zu veröffentlichen.

    http://www.independent.co.uk/voices/iv-drip/poll-nigel-farages-favourite-world-leader-is-putin-whos-yours-9226480.html

     

    Für uns Alle ist es höchste Zeit den Tellerrand zu erklimmen, um endlich mal darüber hinausschauen zu können !!!!!

  • Zitat: "„Ohne unsere Soldaten wäre ein freier Willensentscheid nicht möglich gewesen“, sagte Putin".

    Selbst ein Putin kann sich nicht verkneifen, an einem gewissen Punkt seinen Triumph hinauszuposaunen, dass er es war, der die Krim annektiert hat und nicht etwa ein ziviler Bürgerprotest den Ausschlag gab. Das Bajonett entscheidet. Putin ist ein Gewaltpolitiker, er treibt Europa in den Krieg.

    Putin zu rechtfertigen ist wie Gewaltrverherrlichung.

  • So, so :

    "..handverlesene Teilnehmer im Putin-Studio.."

    Gibt´s eigentlich auch handverlesene Putingegner-Berichterstatter in so mancher Deutschen Zeitung?