Putin auf seiner Jahrespressekonferenz: Neue Wertegemeinschaft mit Trump
Wie der Kremlchef die Welt sieht: Lob für den konservativen Konsens in den USA, den Frieden in Syrien und den Aufschwung daheim.
Die Verspätung wollte Wladimir Putin wieder gutmachen und ohne Einleitung in die Pressekonferenz einsteigen. Gewöhnlich hält der Präsident erst mal einen Vortrag über die wirtschaftliche Lage. Diesmal sollten gleich Fragen gestellt werden. Und überraschend lautete die erste Frage, wie es um die Wirtschaft stehe. Der Kremlchef holte aus und kam zu einem beruhigenden Ergebnis: Die Talfahrt der Wirtschaft sei gestoppt, in diesem Jahr werde das Bruttoinlandsprodukt um nur etwa 0,6 Prozent sinken. Viel besser als im Vorjahr, als die Wirtschaft um mehr als 3,7 Prozent schrumpfte.
Es ist eine Stärke des Kremlchefs, Optimismus zu verbreiten. Auch im letzten Jahr wagte der Präsident die kühne Diagnose, Russland habe die Talsohle durchschritten. Ihm kommt entgegen, dass weder Nachfragen gestellt noch Fakten überprüft werden.
Wie immer war der Kremlchef schlagfertig. Als ihn ein US-Journalist fragte, ob im nächsten Jahr vorgezogene Präsidentschaftswahlen stattfänden, konterte Putin süffisant: „In welchem Land?“ Damit war Putin ein Volltreffer gelungen. Geht es dem Kreml doch darum, die westlichen Demokratien als schwach, ineffektiv und undemokratisch darzustellen.
Keine Einmischung
Die US-Wahlen beflügeln Putin. Niemand „außer uns“ habe an Donald Trumps Wahlsieg geglaubt, sagte er und wies auf die Gemeinsamkeiten zwischen Moskau und Washington hin. Die Stimmung in der US-Gesellschaft zeigte, dass Russlands konservativer Wertekonsens auch andernorts Zuspruch finde. Vehement bestritt der Präsident jedoch, dass Russland zugunsten Trumps in die US-Wahlen eingegriffen hätte, und ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht.
Den Vorwurf der Einmischung seitens des russischen Geheimdienstes wischte Putin mit einer Retourkutsche vom Tisch. Die US-Demokraten hätten „an allen Fronten verloren“ und suchten nun einen Schuldigen. „Das ist unter ihrer Würde. Man muss mit Würde verlieren“, sagte Putin. Im Umgang mit den USA beschreibt er, wozu seine Regierung selbst neigt: die Schuld bei anderen zu suchen.
Letztlich spiele es auch keine Rolle, wer den Hackerangriff auf das Computersystem der Demokraten verübt habe. Wichtig seien doch die Informationen, die die Hacker der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hätten, meinte Aufklärer Putin. Es gehe doch um die Rettung der Demokratie.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße
Geiselübergabe in Gaza
Gruseliges Spektakel
Jugend im Wahlkampf
Schluss mit dem Generationengelaber!
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Wahlentscheidung
Mit dem Wahl-O-Mat auf Weltrettung
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Russland und USA beharren auf Kriegsschuld des Westens