Putin-Kritiker Chodorkowski: Mit leiser Stimme
Michail Chodorkowski stellt seine politische Initiative in Berlin vor: Der Westen müsse den Russen seine Werte erklären. In die Politik möchte er nicht.
BERLIN taz | „Putin hat ein wildes Tier mit dem Namen Nationalchauvinismus erweckt. Das Tier hat jetzt Blut geleckt.“ Wenn der Exoligarch und Yukos-Geschäftsführer Michail Chodorkowski spricht, wägt er jedes Wort mit Bedacht ab, als ob es gegen ihn verwendet werden könnte.
Dienstagabend stellte er bei einer Diskussionsveranstaltung des Deutsch-Russischen Forums in Berlin seine Initiative „Offenes Russland“ vor. Diese war bereits 2001 von ihm gegründet worden und setzte sich für die Förderung von Bildung, Bürgerrechten und demokratischen Werten in Russland ein.
Nach Chodorkowskis Verhaftung wegen Steuerhinterziehung im Jahr 2003 wurde sie von den russischen Behörden geschlossen. Jetzt hat er sein Projekt erneut zum Leben erweckt und möchte so auf den westlich orientierten Teil der russischen Bevölkerung aus dem Ausland Einfluss nehmen.
Immer wieder betont Chodorkowski, dass Russland sich an den europäischen Werten orientieren müsse. Der Westen müsse diese den russischen Bürgern im Gegenzug erklären. Denn in Russland herrsche ein falsches Bild davon. Wenn er spricht, wirkt er in sich gekehrt, als ob ihm der Trubel um seine Person zu viel wäre. Seine Ansichten vertritt er mit leiser Stimme, aber mit Nachdruck. Mehrfach kritisiert er die Regierung Putins. Selbst in die Politik möchte er aber nicht: „Mein Engagement ist rein zivilgesellschaftlich.“
Chodorkowski zufolge verfolgt Putin keinen konkreten politischen Plan. Die Annexion der Krim im März sei eine „rein emotionale Reaktion Putins auf die Kiewer Maidan-Proteste gewesen“. Dass das autoritäre Regime Putins einst zerfallen werde, steht für Chodorkowski fest.
Ein Mann aus dem Publikum stellt Chodorkowski die Frage ob er, der mittlerweile in der Schweiz lebt, vom Westen finanziert werde. Chodorkowski schmunzelt: „Wir nehmen gerne den Rat unserer Nachbarn an, aber eine Lösung für unsere Probleme müssen wir selbst finden.“ Seinen Auftritt beendet er mit dem Satz: „Russland kann alles!“ Er überlässt es den Zuhörern, diesen zu interpretieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden