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Punk-Duo Lambrini GirlsRants und Kopfschmerzen

Lambrini Girls kommen rüber wie Riot Grrrls. Der Sound des UK-Punk-Duos rattert rasant. Die Songtexte sind politisch – bis zum Klischee.

Sie stehen auf Krawall, arbeiten aber dabei brav alle politischen Parolen ab, die man so sagen muss: Lambrini Girls Foto: John Gottfried

Obwohl sie des Menschen beste Freunde sind, gelten Hunde als Synonym für unerwünschte und ungehobelte Dummköpfe – okay, vielleicht auch genau deshalb. Dieses „Dogma“ benannte der trinidadische Soca-Sänger Anslem Douglas 1998 im Song „Doggie“ und erschuf nolens volens eine feministische Hymne der karibischen Popkultur. International bekannt wurde diese Diskreditierung des Haustiers durch die Junkanoo-Band Baha Men (von den Bahamas), die in ihrer Interpretation von Douglas’ Song die Frage stellte: „Who Let The Dogs Out?“ 2024 wurde vielerorts die Kontrolle der Hundepopulation zum ernsthaften Problem: So vergeht kaum ein Tag, an dem sich eine Flintaperson nicht mit Gekläffe von bösen Hunden auseinandersetzen muss.

Weglächeln, ignorieren, in den Hintergrund treten: So kann es etwa auf der Arbeit zugehen, wenn die Unternehmenskultur eine patriarchal geprägte ist und Belästigung auf der Tagesordnung steht. Das britische Duo Lambrini Girls installiert beide Problemlagen. Schon als Titel ihres Debütalbums „Who Let The Dogs Out“ sowie im Song „Company Culture“, bei dem zornig Dampf über schlimme Arbeitsatmosphäre und fehlende Wertschätzung abgelassen wird. Während Sängerin Phoebe Lunny wütend knurrt, bilden Bassistin Lilly Macieira und Gastschlagzeugerin Banksy (ne, nicht der) den Kern des kantigen und dynamischen Stücks.

Lambrini Girls kommen rüber wie zeitgenössische Riot Grrrls, das Punk-Spiel der zweiköpfigen Band aus Brighton erinnert an die frühen Idles. Ihr Sound donnert und rattert rasant, dazu sind die Songtexte politisch. Gut, es liegt in der Natur des Genres Punk, politisch zu sein und soziale Missstände anzuprangern. Britische Bands haben ein Gespür dafür, ihre Herkunft zum Thema von Klassenanalysen zu machen. Schon auf der Debüt-EP „You’re Welcome“ rechnen Lambrini Girls im Song „God’s Country“ mit dem „Groß“ im Ländernamen Großbritannien ab, denken über einen anderen Namen für das „koloniale Drecksloch“ nach und verbannen Staatsoberhäupter wie Sunak, Cameron, Starmer et al. auf die eigene Shitlist.

Disharmonien und Noisewallungen

Das nun beim Berliner Indielabel City Slang erschienene Debütalbum ist eine gerissene Fortsetzung dieses Rantstils. Auf der Textebene wartet eine brachiale Abrechnung mit systemischer Polizeigewalt („Bad Apple“), toxischer Männlichkeit („Big Dick Energy“) und privilegierten Kids („Filthy Rich Nepo Baby“). Das mag im ersten Moment vorhersehbar, vielleicht sogar abgedroschen daherkommen. Lambrini Girls treiben ihr Unwesen dennoch mit solch einer Gnadenlosigkeit, dass es dann doch funktioniert. In ihrer Furchtlosigkeit macht es wahrlich Freude, diesen Disharmonien und Noisewallungen zu lauschen.

Album und Konzert

Lambrini Girls: „Who Let The Dogs Out“ (Cityslang/Indigo)

Live: 16. 1., Urban Spree, Berlin

Trotz der ernstzunehmenden und wichtigen Themen haben die Lambrini Girls Spaß an dem, was sie machen, „Special Different“ etwa ist eine Selbstbetrachtung, bei der sie zwischen Sarkasmus und Selbstmitleid changieren. Sie klingen in ihrem musikalischen Aufbegehren intensiv und resolut, das verinnerlicht auch ein mitgeschnittener Auftritt vom letzten August, aufgenommen für das Programm von KEXP, einem Radiosender in Seattle an der US-Westküste, der schon einige großartige musikalische Entdeckungen publik gemacht hat.

Es ist aber auch etwas zu rechtschaffen, wenn die Lambrini Girls zwischen den Darbietungen sehr großmäulig sind – und es irritiert, wenn sie dabei Slogans wie „Free Palestine“, „Translife matter“ und „Fuck You, Cops“ verlautbaren und ihre Solidarität mit Sudan, Kongo und Palästina verkünden. Hm, so aneinander gerattert doch ziemlich unaufrichtig. Die bei britischen Bands weitverbreitete und zu kurz gedachte einseitige Verurteilung Israels und Romantisierung der palästinensischen Rebellion scheint zum guten Pub-Stammtischton zu gehören. Wem genau ist damit geholfen? Damit werden die Lambrini Girls leider ihrem Namen gerecht: Die ersten paar Birnencidergläser schmecken noch prickelnd und der Konsum belebt. Übrig bleiben aber klebrige Pappe und üble Kopfschmerzen.

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