„Pulse of Europe“-Demonstrationen: EU-Anhänger formieren sich

Mit „Pulse of Europe“ wächst eine EU-freundliche Bürgerbewegung. Jeden Sonntag wird in 35 deutschen Städten demonstriert.

Teilnehmer einer Pro-EU-Demo

„Pulse of Europe“-Demo Ende Januar in Frankfurt/M. Foto: dpa

BERLIN taz | „Freude, schöner Götterfunken!“ Und weiter? Wer kennt sie schon, die Europa-Hymne? Am Sonntag wollen sie das Lied singen, gemeinsam auf den Treppenstufen des Konzerthauses am Berliner Gendarmenmarkt. Friedrich Schiller, der Urheber des Textes, kann von seinem Denkmal herab zuschauen. Aber die Initiatoren von Pulse of Europe werden Zettel verteilen müssen, damit der Gesang nicht zu kläglich ausfällt.

Der Puls von Europa schlägt seit Kurzem jeden Sonntagnachmittag auf dem zentralen Berliner Platz. Tendenz: kräftiger werdend. Am vergangenen Wochenende kamen unterschiedlichen Schätzungen zufolge zwischen 700 und 3.000 Leute.

Sie versammelten sich unter blauen Europa-Fahnen und ebensolchen Luftballons. In 34 weiteren Städten, darunter Erfurt, Halle, Leipzig und München war es ähnlich. In Belgien, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Portugal fanden ebenfalls Kundgebungen statt.

Acht Monate nach der Brexit-Abstimmung tritt damit eine Gegenbewegung auf, um der Europa-Skepsis vieler Bürger und der EU-Feindschaft der Rechten etwas entgegenzusetzen. Den Stein ins Wasser warfen Anfang des Jahres ein paar Leute um Rechtsanwalt Daniel Röder in Frankfurt am Main. Ein gemeinsamer Studienfreund rief dann vor vier Wochen den Berliner Anwalt Alexander Knigge an: „Du musst unbedingt mitmachen.“ Nun ist Knigge einer der zehn Organisatoren des Berliner Pulsschlages. „Wir wollen Europa als politische Union erhalten“, sagt er. „Es geht darum, neue Emotionen für diese Idee zu wecken.“

Möglichst viele Interessierte ansprechen

Zu den sonntäglichen Kundgebungen kommen viele gutsituierte Leute. Lange Mäntel und dick gerahmte Brillen werden viel getragen, die Atmosphäre ist höflich-bürgerlich. Man sagt „Entschuldigung“, wenn man durch die Reihen geht. Noch hat quasi jeder die Chance, am „offenen Mikrofon“ eine kurze Rede zu halten.

Man will Bürgerbewegung sein. Wobei diese auch schräge Vögel anlockt. Rechten, die sich als Helfer zur Verfügung stellen wollten, gab man den Laufpass. Ein Trupp Jungliberaler wurde überredet, sein FDP-Transparent wieder einzurollen. Knigge und die anderen legen großen Wert darauf, nicht zur Beute von Parteien zu werden. Der EU-Grünen-Abgeordnete Reinhard Bütikofer wurde zwar auf dem Gendarmenmarkt gesichtet, musste sich aber aufs Twittern beschränken.

Die Bewegung will sich nicht verein­nahmen lassen

Die Organisatoren wollen die Veranstaltungen auch programmatisch offen halten, um möglichst viele Interessierte anzusprechen. „Wir sind überzeugt, dass die Mehrzahl der Menschen an die Grundidee der Europäischen Union und ihre Weiterentwicklung glaubt und sie nicht nationalistischen Tendenzen opfern möchte“, heißt es auf der Internetseite.

Geht es denn etwas konkreter – braucht die Union beispielsweise eine gemeinsame Arbeitslosenversicherung, damit auch Bedürftige Vorteile haben? Knigge will sich nicht festlegen. Er sagt: „Ich wünsche mir, die Bürger der einzelnen Staaten würden solidarischer mit­ein­ander umgehen. Ein arbeitsloser Jugendlicher in Italien sollte uns doch genauso am Herzen liegen wie einer in Niedersachsen.“

„Wenn man über Reformen nachdenkt, muss man sicher auch mehr Rechte für das EU-Parlament erwägen“, sagt Initiator Röder. Anfangs entstand der Eindruck, Pulse of Europe wolle nur bis zu den kommenden Wahlen in den Niederlanden und Frankreich durchhalten. Der relative Erfolg ändert die Lage jedoch. „Ich kann mir nicht vorstellen, nach den Wahlen einfach zu Hause zu bleiben“, so Knigge.

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