Prozessbeginn gegen Aung San Suu Kyi: In der Sackgasse
Die Militärs haben sie kaltgestellt. Die Welt ist von ihr enttäuscht. Nur die Bevölkerung Myanmars steht noch zu der Friedensnobelpreisträgerin.
S ie wird einen eleganten langen Longyi, den traditionellen Wickelrock, tragen und eine schicke Bluse. Sie wird kerzengerade auf dem Stuhl sitzen, ohne sich anzulehnen, so wie ihre strenge Mutter ihr es vorgeschrieben und wie sie es ihr ganzes Leben befolgt hat.
Doch etwas wird anders sein an diesem Montag in Naypyidaw, der Hauptstadt von Myanmar, dem früheren Birma. Aung San Suu Kyi wird in einem Gerichtssaal als Angeklagte Platz nehmen und hinter ihr wird eine Polizistin stehen. Dieser Prozess gegen die Lady, wie ihre Anhänger sie respektvoll nennen, ist einmalig in Asiens Geschichte. Noch nie mussten sich eine Staatsrätin und Außenministerin, ein Staatspräsident und viele andere Regierungsmitglieder gleichzeitig für etwas verantworten, was die meisten Politiker in der Welt für völlig legal halten: Wahlen zu gewinnen.
Genau das haben Aung San Suu Kyi und ihre Mitstreiter im November 2020 getan. Ihre National League for Democracy (NLD) besiegte die Partei der Militärs mit großer Mehrheit. Die NLD gewann sogar Wahlkreise, in denen vor allem Beamte und Soldaten wohnen und in denen die Partei der Armee, die Unionspartei für Solidarität und Entwicklung (USPD), nach allen vorher angestellten Voraussagen hätte siegen müssen. Die Generäle fühlten sich gedemütigt. Myanmars Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing sah plötzlich sein größtes Ziel gefährdet, sich selbst zum Präsidenten wählen zu lassen.
Am 1. Februar dieses Jahres putschte die Armee und setzte Aung San Suu Kyi und andere hohe NLD-Funktionäre fest. Die Begründung: Bei den Wahlen sei betrogen worden. Einen Beleg dafür hat das Militär bislang nicht präsentiert.
Unter Hausarrest – nicht zum ersten Mal
Und so landete Aung San Suu Kyi da, wo sie bereits 15 Jahre ihres Lebens verbracht hat: im Hausarrest. Dieses Mal jedoch war sie nicht in ihrer Villa am Inya-See in Yangon eingesperrt, sondern in ihrem Haus in einem Außenbezirk der neuen Hauptstadt Naypyidaw.
Inzwischen haben die Militärs sie offenbar verlegt. „Ihre Anwälte sagen, sie wisse selbst nicht, wo sie sei“, sagt ein Journalist in Yangon.
Kaum jemand zweifelt in Myanmar daran, dass sich die Militärs die Vorwürfe gegen Aung San Suu Kyi und die NLD-Mitstreiter aus den Fingern gesogen haben. Es sind mittlerweile sieben Anklagepunkte, von denen fünf Anfang dieser Woche auf der Tagesordnung im Gerichtssaal von Naypyidaw stehen: So soll sie während des Wahlkampfs gegen die Coronavorschriften verstoßen und illegal zwei Sprechfunkgeräte besessen haben. Außerdem habe sie verbotenerweise 600.000 Dollar und mehrere Kilo Gold angenommen.
Schwerwiegender dürfte ein Vorwurf sein, über den die Junta in der früheren Hauptstadt Yangon verhandeln will: Aung San Suu Kyi habe zum Aufruhr aufgerufen. Die Generäle stützen sich dabei auf ein 98 Jahre altes Gesetz aus britischen Kolonialtagen, das internationale Juristen schon damals kritisierten.
Gewaltfreier Protest Friedlicher Massenprotest ist zunächst die Antwort der Bevölkerung auf den Putsch vom 21. Februar 2021, verbunden mit Streiks in Krankenhäusern, Schulen, Behörden, Banken und Eisenbahnen sowie dem Aufbau einer Gegenregierung im Untergrund. Auffällig ist der massive Protest der jungen Generation. Der große Widerstand überrascht die Putschisten.
Terror der Militärs Repression ist die Antwort des Militärs, das mit gezielten Kopfschüssen gegen friedliche Demonstranten vorgeht. Die lokale Menschenrechtsorganisation AAPP zählt bisher 862 getötete und 6.013 festgenommene Oppositionelle sowie 31 Todesurteile (Stand 12. Juni). China und Russland verhindern eine Verurteilung des Putsches im UN-Sicherheitsrat, westliche Staaten verhängen halbherzige Sanktionen, die Asean-Nachbarn planen eine Vermittlung, lassen sich aber von den Generälen austricksen.
Bürgerkrieg Angst und Chaos breiten sich seit April aus. Weder Putschisten noch Gegenregierung haben das Land unter Kontrolle. Proteste gehen als Flashmobs weiter, doch manche Demonstrant:innen schließen sich ethnischen Rebellen an oder gründen bewaffnete Gruppen. Diese liefern sich Scharmützel mit Militärs und ihren Helfern, die von Bombenanschlägen getroffen werden. Berichten zufolge verüben aber auch Handlanger des Militärs Anschläge etwa auf Schulen, um dies den Gegnern anzulasten, Zehntausende fliehen vor Vergeltungsangriffen, die UN warnen vor Hungersnot und wachsender Armut. (han)
Weitere Informationen zu Myanmar finden Sie unter: taz.de/!t5008238
Bis Ende Juni müssen die Prozesse nach den Vorschriften abgeschlossen sein. Aber was bedeuten für die Militärs schon Regeln? Aung San Suu Kyi durfte ihre Anwälte bislang nur zweimal für jeweils 30 Minuten sehen. Eine politische Botschaft wurde danach nicht bekannt. Sie wünsche „den Menschen gute Gesundheit“, berichtete ihre Anwältin Daw Min Min Soe vage.
Aung San Suu Kyi soll von der Bildfläche verschwinden
Mit dem Prozess gegen die 75-jährige Aung San Suu Kyi verfolgen die Militärs vor allem ein Ziel: sie bis zu ihrem Tod von der politischen Bühne zu verbannen und sich selbst auf Dauer Macht und Pfründen zu sichern. Wenn sie von der Bildfläche verschwände, werde auch die lästige NLD in sich zusammenfallen, hoffen die Militärs.
Denn die Politikerin hat über die Jahre beharrlich an ihrer Absicht festgehalten, die Armee möglichst bald zurück in ihre Kasernen zu schicken. Das aber würde bedeuten, den Generälen die politische und wirtschaftliche Macht zu nehmen und eine echte zivile Regierung zu schaffen.
Bislang nämlich haben sich die Militärs in Myanmar per Verfassung drei Schlüsselministerien (Verteidigung, Inneres, Grenzschutz) reserviert und festgelegt, dass sie im Parlament stets 25 Prozent aller Abgeordneten stellen. Das macht es der NLD unmöglich, die Verfassung zu ändern, denn dafür ist eine Dreiviertelmehrheit plus eine Stimme notwendig. Ein Verfassungsartikel hatte Aung San Suu Kyi schon nach ihrem Wahlsieg von 2015 daran gehindert, Präsidentin zu werden, weil ihre zwei Söhne britische Staatsbürger sind.
Auf die Machtübernahme durch die Militärs nach den Wahlen vom November 2020 reagierte die Bevölkerung schockiert, rebellisch – und friedlich: Frauen, Männer und Kinder schlugen auf Kochtöpfe und Bratpfannen. Beamte ließen die Akten liegen, Krankenschwestern und Ärzte Skalpell und Verbandszeug und demonstrierten in der Öffentlichkeit.
Vor allem junge Leute wollen die in den zivileren Zeiten unter Aung San Suu Kyi neu gewonnene Meinungs-, Berufs- und Reisefreiheit nicht aufgeben. Sie wehren sich und riskieren, auf der Straße erschossen zu oder nachts von Greiferkommandos abgeholt zu werden.
Aung San Suu Kyi:
Denn die Militärs reagieren brutal: Rund 850 Menschen, so wird geschätzt, kamen bislang im Kugelhagel der Soldaten oder in den Gefängniszellen ums Leben.
Doch auch in der Armee gibt es Widerstand. Zahlreiche Soldaten sind desertiert und haben sich der Opposition angeschlossen. Allerdings sind es bislang zu wenig, um die Junta ins Wanken zu bringen.
„Hoffen wir auf das Beste – und seien wir auf das Schlimmste vorbereitet.“ So lautet das Lebensmotto von Aung San Suu Kyi.
Für ihr Ziel, die Militärs in die Kasernen zurückzubringen und eine zivile Regierung zu schaffen, hat die Politikerin und Friedensnobelpreisträgerin von 1991 vieles geopfert – auch ihren guten Ruf als „Ikone der Freiheit“. Ihre „gigantische moralische Statur“, die einst der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu pries, ist in den Augen vieler, die sie lange bewundert haben, mittlerweile verkümmert.
Was die Weltöffentlichkeit schockierte, war, dass die Politikerin offenbar in der Hoffnung, die Militärs für sich zu gewinnen, deren Spiel spielte. Als Soldaten die Dörfer der muslimischen Minderheit der Rohingya im Jahr 2017 an der Grenze zu Bangladesch niederbrannten, Frauen vergewaltigten, Männer erschossen und über 700.000 Menschen vertrieben, warteten viele Menschen vergeblich auf ein kritisches oder mitfühlendes Wort von Aung San Suu Kyi.
Stattdessen schwieg sie. Dann verteidigte sie sich so: Sie selbst habe den ehemaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan nach Myanmar geholt, um Vorschläge zu machen, wie die dramatische soziale Lage der Rohingyas zu lösen sei. Doch just zu dieser Zeit hätte die Guerillagruppe Arakan Rohingya Salvation Army (Arsa) Polizeiposten überfallen. Die Rebellen unter den Rohingya seien also für die Gewalt selbst verantwortlich.
Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag stritt Aung San Suu Kyi im Jahr 2019 den Vorwurf des Genozids ab: Die Aktionen der Militärs seien „legitime Aktionen gegen Terroristen“ gewesen.
Allerdings, räumte sie ein, sei es nicht auszuschließen, dass einzelne Aktionen des Militärs „unverhältnismäßig“ gewesen seien und humanitäres Völkerrecht verletzt hätten. Aber: „Von Völkermord kann keine Rede sein.“
Mit dieser Haltung erntete sie weltweit Verständnislosigkeit im besten, Enttäuschung und Zorn im schlimmsten Fall.
Ihr Schweigen hat sie daheim zur Heldin gemacht
Ganz anders zu Hause in Myanmar: Hier hat ihr das Schweigen nie geschadet, im Gegenteil. Sie wurde gefeiert als Heldin, die internationalem Druck standhält, und damit noch populärer.
Zahlreiche Bürger im überwiegend buddhistischen Myanmar verachten die Rohingyas oder hassen sie sogar. Militärs und buddhistische Mönche hetzen nicht nur gegen sie, sondern gegen Muslime allgemein. Diese wollten, so behaupten die Scharfmacher, die Buddhisten vertreiben, den Buddhismus zerstören und aus Myanmar einen islamischen Staat formen.
Aung San Suu Kyi spielte mit in diesem Konzert des birmanischen Nationalismus – wohl nicht aus Überzeugung, sondern aus politischem Kalkül: Sie wollte die Stimmen der Nationalisten für ihre NLD gewinnen. Als die Bürger Myanmars 2015 frei wählen durften, sorgte die Politikerin dafür, dass es in den Reihen der NLD keinen einzigen muslimischen Kandidaten gab, um die Wahlchancen zu erhöhen. Sie selbst allerdings hatte stets enge muslimische Berater, etwa den Chef des muslimischen Krankenhauses in Yangon oder den Juristen Ko Ni, der 2017 in aller Öffentlichkeit erschossen wurde.
Die Bilanz der ersten zivilen Regierung seit 1962 sieht nicht sonderlich rosig aus. Weil ihr das Präsidentenamt versperrt war, hatte sich Aung San Suu Kyi zur Staatsrätin ernannt, das Präsidentenbüro und das Außenministerium übernommen und sich so zur De-facto-Regierungschefin gemacht. Viele Posten besetzte sie mit Parteifreunden, die, so sagen es Kritiker, nicht immer ihrer Aufgabe gewachsen waren. Womöglich spielte auch eine Rolle, dass Aung San Suu Kyi, wie viele ihrer Generation, nach Jahrzehnten von Diktatur und Spitzelwesen wenigen Menschen vertraut.
Sogar politische Gegner gestehen ihr zu: Aung San Suu Kyi und die NLD bekamen es mit einer schwerfälligen Verwaltung zu tun, die auf autoritäre Militärs ausgerichtet war und deren Beamte sich nicht selten selbst bedienten.
Immerhin veränderte sich die Atmosphäre im Land während ihrer Regierungszeit deutlich, es war eine Periode der Hoffnung. Die Verwaltung entließ Hunderte politischer Gefangener und strich eine Reihe von Gesetzen, die das Militär genutzt hatte, um Oppositionelle hinter Gitter zu bringen. Sie kämpfte gegen Bürokratie und krumme Geschäfte. Sie schloss einige Ministerien, stärkte die Rechte der Antikorruptionsbehörde und trennte das mächtige und einflussreiche Hauptverwaltungsamt mit 36.000 Beamten von dem der Armee unterstehenden Innenministerium.
„Sie hat die Korruption bekämpft und versucht, eine transparente und effektive Regierung zu schaffen“, sagt ein prominenter Journalist in Yangon, dessen Name angesichts der Repression der Militärs nicht genannt werden kann. So seien Regierungsaufträge nicht mehr unter den Kumpeln aus Wirtschaft und Militär verschoben, sondern öffentlich ausgeschrieben worden.
Aung San Suu Kyi selbst hält sich zugute, erfolgreich Malaria, HIV-Aids und Tuberkulose bekämpft zu haben. Während der Covid-19-Pandemie rief sie die Menschen dazu auf, Masken zu nähen, Geld zu sammeln und sich als freiwillige Helfer zu melden.
Derek Mitchell, früherer US-Botschafter in Myanmar:
Doch ihr großer Plan, den Bürgerkrieg im Land zu stoppen und mit den zahlreichen nationalen Minderheiten einen gemeinsamen Bundesstaat zu schaffen, geriet ins Stocken, die Unterhändler rannten sich fest. Derzeit zieht die Armee wieder gegen Soldaten der Chin und der Karen zu Felde. Dörfer brennen, Tausende Menschen fliehen durch den Dschungel.
Auch die Wirtschaft entwickelte sich nicht so wie erhofft. Die ausländischen Investitionen verringerten sich mit den Jahren, weil Bürokratie und immer noch verbreitete Korruption Geschäftsleute abschreckte. Das Bruttosozialprodukt dürfte nach Schätzung der Asiatischen Entwicklungsbank wegen der Covid-19-Pandemie in diesem Jahr gar um 9,5 Prozent schrumpfen.
Hat die Politikerin sich in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt? „Die Geschichte der Aung San Suu Kyi ist auch eine Geschichte von uns. Vielleicht hat sie sich nicht geändert. Vielleicht blieb sie immer gleich, und wir haben bloß ihr gesamtes Wesen nicht gekannt“, sagt der frühere US-Botschafter in Myanmar, Derek Mitchell, über sie und das Bild, das sich die Welt von ihr machte.
Vor unpopulären Entscheidungen hatte sich die Lady jedenfalls nie gefürchtet: Als sie in den 1990er und 2000er Jahren noch im Hausarrest saß, sprach sie sich zum Entsetzen vieler Parteifreunde strikt für internationale Wirtschaftssanktionen gegen das Militärregime aus, obwohl ein Boykott Tausende von Arbeitsplätzen ihrer Landsleute gefährdete.
Und als sich 2012 Anwohner gegen ein umstrittenes Projekt, die Letpadaung-Kupfermine, wehrten, unter anderem, weil ihr Land beschlagnahmt worden war, ergriff Aung San Suu Kyi mitnichten Partei für die Dörfler. Internationale Verträge, in diesem Fall zwischen einem chinesischen und einem birmanischen Militärunternehmen, seien einzuhalten, belehrte sie die verblüfften Demonstranten.
Eine furchtlose Familie
Die Furchtlosigkeit, sich unbeliebt zu machen, liegt in der Familie. „Ich tue das alles für meinen Vater“, beteuerte sie einst. General Aung San, der später als Nationalheld und Gründervater des unabhängigen Staates Birma gefeiert wurde, hatte sich 1940 mit den Japanern gegen die britischen Kolonialherren verbündet. Obwohl die Japaner in China kurz zuvor Hunderttausende Menschen massakriert hatten, zog er ihre Uniform an, heftete sich einen Orden des japanischen Kaisers an die Brust, hängte sich ein Samuraischwert an den Gürtel und zog mit ihnen in die damalige Hauptstadt Rangun ein. Erst später ging er mit seinen Soldaten von der Fahne und schloss sich den Briten an, mit denen er schließlich die Unabhängigkeit des Landes aushandelte.
Sie habe sich immer als Politikerin verstanden und nicht als Menschenrechtsaktivistin, beteuerte Aung San Suu Kyi immer wieder. So recht glauben mochten es ihre Bewunderer im Ausland ihr nie – bis sie 2015 in die Regierung einrückte und sie sich wie eine Politikerin verhielt: berechnend, lavierend, taktierend – und die es sogar duldete, wenn Journalisten wegen ihrer Berichterstattung der Prozess gemacht wurde.
Aung San Suu Kyi hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie – ganz die Tochter ihres Vaters – den Militärs nahestand, auch wenn sie sich eine zivile und demokratische Regierung wünschte. Bis zur Ermordung ihres Vaters im Jahr 1947 waren es in ihrem Elternhaus stets Soldaten, die mit ihr spielten. Die Generäle, die Aung San Suu Kyi nun kaltstellen, hat sie noch 2018 als „ziemlich süß“ bezeichnet.
Dies ist nur schwer nachzuvollziehen. Denn die Armee Myanmars, die Tatmadaw, ist eine üble Truppe, die brutal gegen nationale Minderheiten zu Felde zieht, sich mit Drogenhändlern verbündet und nach Aussagen vieler Experten zutiefst korrupt ist.
Die meisten Soldaten sind auf absoluten Gehorsam gedrillt und fest davon überzeugt, dass nur sie die Unabhängigkeit des Landes vor ausländischen Invasoren retten können. „Soldaten töten Menschen in dem Glauben, dass sie die Nation vor ausländischer Intervention schützen“, sagte ein abtrünniger Hauptmann der New York Times im April.
Damit nicht genug. Viele Generäle glauben fest an übermächtige Kräfte. Die Entscheidung, die Hauptstadt im Jahr 2005 von einem Tag auf den anderen von Rangun nach Naypyidaw ins Landesinnere zu verlegen, etwa fiel, weil ein Wahrsager dem damaligen Machthaber Than Shwe prophezeit hatte, sein Stern werde sinken, wenn er sich nicht flugs aus Yangon davonmache.
Vor den Scherbenhaufen ihres Lebens
Nun steht Aung San Suu Kyi vor dem Scherbenhaufen ihres Lebens. Das Kalkül, diese Truppe unter Kontrolle zu bekommen, ist nicht aufgegangen. Alle Opfer, alle Härte gegen sich selbst, scheinen vergebens. Im Jahr 1999 war sie nicht zu ihrem sterbenden Mann nach England gefahren, weil sie fürchtete, die Militärs würden sie nicht mehr ins Land lassen.
Fast 15 Jahren saß Aung San Suu Kyi in ihrer Villa am Inya-See in Rangun im Hausarrest und lehnte es ab, Pakete und Briefe ihrer Familie zu empfangen, weil sie sich nicht der Gnade ihrer Wärter ausliefern wollte. Sie verpasste zu sehen, wie ihre Kinder aufwuchsen. Als sie im Jahr 2003 im Gefängnis saß, lehnte sie den Besuch ihres Sohnes Alexander ab, weil sie so behandelt werden wollte wie alle anderen Gefangenen.
Einige Getreue, die ihr 2015 davon abrieten, sich auf eine Regierung mit den Militärs einzulassen, fühlen sich nun bestätigt. Damals hatten sie der strengen Buddhistin empfohlen, durch die Welt zu reisen, Geld für Schulen und Krankenhäuser in ihrer Heimat zu sammeln und um Investoren zu werben.
War es das? Endet die Geschichte der Aung San Suu Kyi so tragisch wie die ihres Vaters, der 1947 von dem Killerkommando eines Rivalen erschossen wurde?
Die Militärs mögen sie mit dubiosen Gerichtsurteilen aus dem politischen Alltag verbannen. Aber sie haben offenkundig die Hartnäckigkeit und den Ideenreichtum der Bürger Myanmars unterschätzt, und auch deren Entschlossenheit, sich zu wehren. Ein Journalist in Yangon ist fest davon überzeugt: „Min Aung Hlaing und seine Generäle werden von den eigenen Leuten beseitigt werden.“
Fragt sich nur: Wann? Die Zeit läuft der Lady davon. Und ein ähnlich charismatischer und durchsetzungsfähiger Nachfolger ist nicht in Sicht. Dafür hat die eigenwillige Aung San Suu Kyi selbst gesorgt. Überrascht dürfte sie über ihr Schicksal jedenfalls nicht sein, getreu ihrem Motto: „Seien wir auf das Schlimmste vorbereitet.“
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