Prozess zu VW-Dieselbetrug: Richter verschärft Anklage
In Braunschweig hat der Prozess zum VW-Abgasskandal begonnen. Manager sollen eine „Bande zur fortgesetzten Begehung von Straftaten“ gegründet haben.
„Als Führungskräfte sind sie dafür verantwortlich, dass die Behörden mit einer Software über die Einhaltung der Abgas-Grenzwerte von VW-Dieselmotoren getäuscht wurden.“ Richter Christian Schütze verschärfte im Anschluss überraschend einige Anklagepunkte. Die Angeklagten hätten nicht als Mittäter, sondern als Nebentäter gehandelt. Damit käme ihnen bei der Begehung von Straftaten eine größere Eigenverantwortung zu.
Das Verfahren gegen den früheren Konzernchef Martin Winterkorn, der wenige Tage nach Bekanntwerden des Skandals im September 2015 zurücktrat, wurde wegen seines Gesundheitszustands abgetrennt. Der 74-Jährige ist nach einer Hüftoperation noch nicht verhandlungsfähig. Gegen die gesonderte Verhandlung hat die Staatsanwaltschaft Beschwerde beim Oberlandesgericht eingelegt. Ursprünglich hatte der Prozess bereits im Februar 2021 beginnen sollen, musste aber wegen der Corona-Pandemie mehrmals verschoben werden.
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft sollen die Angeklagten von der millionenfachen Dieselmanipulation gewusst, die illegale Abschalteinrichtung mit entwickelt haben beziehungsweise nicht dagegen eingeschritten sein. Ihr Ziel sei gewesen, dem Unternehmen möglichst hohe Gewinne zu verschaffen, um von hohen Bonuszahlungen zu profitierten.
VW-Chef war seit Mai 2014 informiert
Winterkorn sei spätestens im Mai 2014 über der Existenz der Abgasmanipulation in den USA informiert gewesen, sagte Hoppenworth. Dennoch habe er den Verkauf der Fahrzeuge nicht gestoppt und die unlautere Werbung mit dem angeblich sauberen Diesel nicht eingestellt.
Das Gericht hatte den Betrugsvorwurf der Ermittler bei der Zulassung der Anklage vor einem Jahr durch den Gesichtspunkt der Bandenbildung ergänzt. Im äußersten Fall drohen den Angeklagten damit Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren. Eine Behandlung als Nebentäter statt Mittäter könnte ebenfalls Auswirkungen auf ein Strafmaß haben. Richter Schütze erweiterte zudem den Tatzeitraum. Die Verteidiger kündigten Anträge und Stellungnahmen ihrer Mandanten für den ersten Verhandlungstag an.
Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat bei der Aufarbeitung des Dieselskandals nach eigenen Angaben bisher mehr als 30 VW-Manager und -Ingenieure wegen verschiedener Delikte angeklagt. Gegen weitere bis zu 80 Personen wird noch ermittelt. In einem ähnlichen Verfahren vor dem Landgericht München müssen sich seit einem Jahr der frühere Audi-Chef Rupert Stadler und drei weitere Manager der Ingolstädter VW-Tochter verantworten.
Wenige Tage vor Beginn des Braunschweiger Prozesses hatte sich ein Ex-Manager erstmals in einem TV-Interview über seine Verstrickung in die Affäre geäußert. Dem NDR sagte der ehemalige Leiter des Umweltbüros von VW in den USA: „Ich habe den US-Behörden nicht alles gesagt, was ich wusste. Das wurde mir zum Verhängnis.“
„Defeat Device“ nicht verwenden
Er habe im Sommer 2015 den Auftrag erhalten, mit den US-Umweltbehörden zu verhandeln. Dabei sollte er bestimmte Worte wie „Defeat Device“ zur Beschreibung der Softwarefunktion bei der Abgasbehandlung nicht verwenden. Der Ingenieur wurde Anfang 2017 auf dem Weg in den Urlaub am Flughafen Miami von US-Fahndern verhaftet und zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Er wurde im vergangenen Jahr an Deutschland ausgeliefert. Seine Festnahme galt für andere Manager, die von den USA Behörden wegen „Dieselgate“ gesucht werden, als Mahnung, nicht ins Ausland zu reisen.
Aufgeflogen war der Skandal am 18. September 2015 durch die amerikanische Umweltbehörde EPA. Die Behörde drohte dem deutschen Konzern wegen Verstößen gegen US-Umweltgesetze eine Strafe von bis zu 18 Milliarden Dollar an. Vorausgegangen waren langwierige Untersuchungen und Tests mit VW-Dieselautos in den USA, bis Experten schließlich auf die Spur der Betrugssoftware in der Motorsteuerung kamen.
Diese sorgte dafür, dass die Motoren die Stickoxidgrenzwerte auf dem Prüfstand einhielten, auf der Straße aber ein Vielfaches dieser giftigen Abgase ausstießen. Für Volkswagen ist der Dieselskandal ein finanzielles Desaster. Die Wiedergutmachung kostete Volkswagen bislang mehr als 32 Milliarden Euro, vor allem Strafen und Schadensersatzzahlungen in den USA.
Ein Ende der finanziellen Belastungen ist für den Konzern nicht abzusehen. Weltweit sind noch Schadensersatzklagen von Dieselhaltern anhängig. Außerdem wollen Anleger vor dem Oberlandesgericht Braunschweig einen Schadensersatz für erlittene Kursverluste durch den Dieselskandal durchsetzen. Die Summe der Forderungen beläuft sich auf rund neun Milliarden Euro.
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