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Prozess um mutmaßlichen IS-Anhänger„Kein Terrorist, sondern ein Betrüger“

Der Mann, der im Internet bei einem IS-Kontaktmann um Geld für Autobomben bat, bekommt zwei Jahre Haft wegen versuchten Betrugs am IS.

Plädierten auf Freispruch: Hasan A. und sein Anwalt Marius Müller Foto: dpa

SAARBRÜCKEN taz | Die drei Berufsrichter und zwei Schöffen machten sich die Entscheidung nicht einfach. Doch das Votum des Senats des Saarbrücker Landgerichts fiel nach den Worten des Vorsitzenden Richters Bernd Weber eindeutig aus: „Der Angeklagte ist kein Terrorist, sondern ein Betrüger.“

Das Gericht sprach den mutmaßlichen Dschihadisten Hasan A. am Freitag vom Terrorverdacht frei, verurteilte den 39-jährigen Syrer aber zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung wegen versuchten Betrugs am Islamischen Staat (IS).

Nach zahlreichen Zeugenvernehmungen folgten die Richter der Version von Hasan A., die anfangs kaum glaubwürdig geklungen hatte. Dieser habe ein „Lügengeflecht“ gegenüber einem vermeintlichen IS-Kontaktmann aufgebaut, um an Geld zu kommen. Der Syrer hatte in Mobilfunkgesprächen und Internetchats behauptet, er benötige 180.000 Euro für Autobombenanschläge in den „Ländern der Ungläubigen“.

Das hatte die Anklage anders gesehen. Oberstaatsanwalt Guntram Liebschner hatte für eine Freiheitstrafe von zehn Jahren wegen „Versuchs der Beteiligung an einem Mord“ plädiert. Er will wahrscheinlich in Revision gehen. Verteidiger Marius Müller, der auf Freispruch plädiert hatte, will das Urteil auf jeden Fall anfechten. Er will vor allem klären lassen, ob Betrug einer Terrororganisation überhaupt strafbar ist.

Nach Ansicht des Landgerichts ist das der Fall. Nach deutschem Recht gebe es keine „schutzunwürdige“ Organisation, auch wenn sie moralisch bedenkliche Ziele verfolge, erklärte Weber.

Als Konsequenz muss Hasan A. damit rechnen, nach Syrien abgeschoben zu werden. Der Syrer habe Ende 2014 „ohne nähere Prüfung“ Asyl in Deutschland bekommen, so das Landgericht. Die Verhandlung habe aber ergeben, dass dem Angeklagten als Unterstützer des Assad-Regimes keine Verfolgung drohe.

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9 Kommentare

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  • Warum bekommt der Mann dafür keine Medaille? Ich finde ein solches Verhalten ehrenhaft und wünschenswert.

  • Wie kann man nur eine Terrortruppe betrügen wollen? Geht ja gar nicht sowas...!! (pruuust)

     

    Betrug kann auch (§263 StGB) mit einer Geldstrafe geahndet werden. Aber ich gehe davon aus, dass hier das Gericht die besondere Schwere geltend macht.

     

    Dass der IS eine Organisation mit "moralisch bedenkliche[n] Ziele[n]" sei, halte ich allerdings für eine äusserst euphemistische Umschreibung, anhand der Gräueltaten, die dieser begeht!!

  • Versuchter Betrug an einer Terrororganisation bringt zwei Jahre Knast ohne Bewährung, aber Gewalt- und Sexualdelikte bestraft man mit Bewährungsstrafen.

    Wir spinnen.

  • Nun ja...wenn ich einem Bankräuber, der mit vollen Taschen aus dem Gebäude rennt, eine Tasche Geld klaue und davonlaufe, ist das immer noch Diebstahl, auch wenn ich's dem Bankräuber klaue.

    Insofern ist das Urteil wegen "Betrug an dem sog. IS" eigentlich logisch: Betrug ist Betrug, es geht um die illegale Absicht, nicht WEM man das Geld wegnimmt.

    Aber hier in D den IS anzupumpen "für einen Terroranschlag" ist dann ja schon maximal dämlich. Oder sehr schlau - je nach tatsächlicher Absicht dahinter.

    Faszinierend.

  • "Nach deutschem Recht gebe es keine „schutzunwürdige“ Organisation, auch wenn sie moralisch bedenkliche Ziele verfolge, erklärte Weber." Zitat

     

    Mann,oh Mann!Die deutsche Justiz ist wirklich verrückter als Scheiße.

    Und solchen Leuten sitzt man vielleicht mal gegenüber und die entscheiden dann über dein Schicksal.

     

    "Auf hoher See und vor Gericht sind wir in Gottes Hand!"

  • "zwei Jahren Haft ohne Bewährung"

     

    Das Gericht verliert hier jeden Maßstab. Für versuchten Betrug -180.000€ - an einer verbrecherischen Organisation ist diese Strafe völlig überzogen. Eine verkappte Wahlfeststellung.

     

    Nach der Überzeugung der Staatsanwaltschaft war es kein Betrug sondern Terrorismus. Für eine Verurteilung wegen Betrugs dürfte es keinen vernünftigen Zweifel darab geben, dass der Angeklagte kein Terrorist ist. Woher will das Gericht angesichts der Anklage der Sta diese Überzugung nehmen? Das geht nicht. Wahlfeststellung ist nicht möglich.

     

    Ein krasses Fehlurteil. Der Syrer hätte freigesprochen werden müssen, da man ihm weder Betrug noch Terrorismus sicher nachweisen kann.

    • @A. Müllermilch:

      Eines von beidem hat er aber mit Sicherheit getan!

       

      Also wurde er, wegen der Zweifel, für das weniger schlimme Delikt bestraft.

       

      Ich verstehe auch nicht so recht was dieses Schlagwort "Wahlfeststellung" hier soll?

       

      Der Mann wurde quasi mit 180.00€ in der Tasche erwischt die er nachweislich beim IS angefordert und erhalten hat, wenn ich das richtig verstanden habe.

      Wenn er also vor hatte damit Bomben zu bauen ist er ein Terrorist. Was der Mann aussagt! macht ihn aber zum Betrüger.

      Verstehst du ?

      Er ist geständiger Betrüger um kein terrorist zu sein.

       

      Und ganz subjektiv betrachtet ist der Gute damit eigentlich ganz gut weggekommen.

      Bei einer TO Geld anzufordern und dann mit diesem Geld in der Tasche erwischt zu werden ist nämlich ziemlich Zwielichtig. Ich wundere mich sogar, dass der Internet-Lynchmob so sehr in die Robin-Hood Schiene abbiegt, denn eigentlich kann man das ja auch alles anders sehen.

       

      Unser Rechtssystem ist anfällig, aber meiner Meinung nach bilden sich hier einige Kommentarschreiber etwas vorschnell eine Meinung. Quasi- Headline lesen, comment , next.

       

      Dieser Fall zeigt nämlich auch auf, wie leicht sich ein Terrorist mit einem guten Anwalt und einem "Lügengeflecht" zum Betrüger darstellen könnte!

      Das bedeutet für mein Gedankenspiel, dass nach 2 Jahren ein Terrorist, mit zusätzlich angesammeltem Frust, auf freien Fuß gesetzt würde.

      Und zu allem Überfluss würde sich noch ein Haufen "Schlagzeilen-Geier" in seine Ecke stellen und ihn lobpreisen als wäre er der Held der Helden weil er den Terror betrogen hat.

       

      Das wäre doch lustig.

       

      Es ist nicht so, dass ich den Angeklagten persönlich kenne, oder die gerichtsverhandlung mitverfolgt hätte. Ich kenne auch keine Auszüge aus dem "Lügengeflecht". Aber freisprechen wäre jawohl der Witz überhaupt.Ich hoffe das war Ironie.

      • @i11even:

        edit: Entschuldigung, man hat ihn nicht mit dem Geld erwischt sondern mit handfesten Beweisen, dass er auf diese Weise an welches kommen wollte. Ändert aber nichts an der Sache.

    • @A. Müllermilch:

      Es klingt so ein bisschen wie eine Entscheidung nach dem Motto: Den gewollten Terrorismus konnten wir ihm nur nicht beweisen. Die Erkenntnisse aber wären doch gut dafür, dass jetzt staatliche Organe mit dem gleichen Trick jtzt eine maximale Geldmenge aus dem IS rausholen könnten. Strafbar? Wenn es doch Terror damit vereitelt?