Prozess um einen Furz in Berlin: Pupsegal!
Ein Mann stand in Berlin vor Gericht, weil er in der Nähe eine Polizistin gefurzt und damit ihre Ehre verletzt haben soll. Der Prozess wurde zur Luftnummer.
Schon nach wenigen Minuten war am Dienstagvormittag der Prozess im Raum 370 im Amtsgericht Tiergarten beendet. Die Richterin hatte das Verfahren eingestellt. Zurück blieben zirka 40 enttäuschte ProzessbesucherInnen aus der linken Szene. „Ich hatte auf eine Stunde Kabarettprogramm gehofft“, sagte eine Besucherin enttäuscht. Schließlich sollte dort verhandelt werden, ob Christopher S. durch Flatulenz eine Polizistin beleidigt und damit in ihrer Ehre verletzt hatte.
Angezeigt wurde er aber nicht von ihr, sondern vom Gruppenleiter der 32. Polizeieinheit, die im Februar 2016 eine Personengruppe im Gefahrengebiet der Rigaer Straße im Friedrichshainer Nordkiez kontrollierte. „Das Prozedere dauerte eine Dreiviertelstunde in klirrender Kälte und war durch ständige Videoaufnahmen, umfangreiche Taschenkontrollen und verbale Auseinandersetzungen begleitet“, beschrieb S. die Situation gegenüber der taz.
Dort will der Gruppenleiter der Polizeieinheit beobachtet haben, wie S. zweimal in der Nähe einer Polizistin gefurzt haben soll. Sichtlich erzürnt drohte er ihm mit einer Anzeige wegen Beleidigung, was von S. und seinen BegleiterInnen mit Humor zur Kenntnis genommen wurde. Als dieser jedoch knapp zwölf Monate später einen Strafbefehl von 900 Euro zugestellt bekam, sei ihm das Lachen vergangen. Er legte Widerspruch ein und wurde von einer Soligruppe unterstützt, die unter dem Motto „Viel heißer Wind um nichts“ zum Prozess mobilisierte.
Der Rechtsanwalt Daniel Werner, der S. vertrat, sieht in dem regen Interesse der Anwesenden auch einen Grund für die Einstellung. „Es gab keine Auflagen, und das Gericht übernimmt auch sämtliche Kosten, was sehr selten ist“, betonte der Jurist gegenüber der taz. Trotz des humoristischen Aspekts sieht er aber auch ein Politikum in der Sache. „Dass ein Gruppenleiter der Polizei die Ehre einer Kollegin durch einen Furz verletzt sieht und Anzeige erstattet, ist die eine Sache. Dass dann aber die Staatsanwaltschaft und das Gericht die Anklage zulassen, ist ein klarer Fall von behördlichem Versagen“, erklärte Werner gegenüber der taz.
Wäre es zur Verhandlung gekommen, hätte Werner zur Sprache gebracht, dass die 32. Polizeieinheit sonst nicht so prüde ist. Im Juni 2017 sorgte sie für Schlagzeilen und wurde im Vorfeld des G20-Gipfels aus Hamburg nach Berlin zurückbeordert, weil sie bei einer Party unter anderem in der Öffentlichkeit uriniert haben soll.
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