Prozess um Toepffer-Biografie: Opas Briefe dürfen zitiert werden
Die Enkelin des Hamburger NS-Schulsenators Oscar Toepffer wehrt sich vor Gericht gegen eine Kurzbiografie über ihren verstorbenen Großvater.
Zeitweise wurde der Ton ruppig im holzgetäfelten Saal des Hamburger Landgerichts. „Haustürgeschäfte“ warf der Anwalt Joachim Sachs dem Buchautor, dem ehemaligen Grünen-Bürgerschaftsmitglied und Lehrer Hans-Peter de Lorent, vor. Der erwiderte, er habe sich „nicht unter falschem Namen eingeschlichen, sondern ich bin von der Familie eingeladen worden, in dem Wissen, dass ich Biografien schreibe“.
Der Streit dreht sich um eine Sammlung von Briefen, die de Lorent von einigen – inzwischen verstorbenen – Mitgliedern der Familie erhalten und für seine Buchreihe unter dem Titel „Täterprofile“ verwendet hat. Doch dieses Material sei nie für eine Veröffentlichung gedacht gewesen, glaubt die Toepffer-Enkelin und Anwältin Christel Sachs, die sich gemeinsam mit ihrem Mann selbst vertrat. Nur zur Ansicht habe de Lorent das Material bekommen, „nie und nimmer hat meine Mutter einer Veröffentlichung zugestimmt!“ Der Autor widersprach: „Sie wollte aufräumen mit der Vergangenheit ihres Vaters.“
Die Briefe zeigen, wie sich die Einstellung Oscar Toepffers und seiner Frau Gretchen im Lauf des Krieges von Begeisterung zu Zweifel ändern. So schrieb Toepffer im Mai 1940 aus Frankreich: „Das Ganze ist mehr ein Pfingstausflug als Krieg. Dazu herrliches Wetter. Und wir leben vortrefflich mit erbeutetem Burgunder und Kaffee und guten holländischen Zigarren.“
Hans-Peter de Lorent, Lehrer und Autor
Gretchen Toepffer jubelte 1939 über eine militärische Auszeichnung: „Die ganze Familie freut sich über den Vati, der jetzt die Spange trägt.“ Erst ab 1941 sinkt die Begeisterung: „Die Tränen können einem kommen, wenn man an all die Jungen denkt, die im Osten gefallen sind“, schreibt Gretchen Toepffer. 1942 kritisierte Oscar erstmals eine Führerrede: „Was ich gehört habe, hat mir nicht recht gefallen.“
Bei seinen Treffen mit den Nachfahren habe er nicht sagen können, wie ausführlich er die Texte zitieren wollte – dass er dies vorhatte, sei aber klar gewesen, so de Lorent. „Wenn mir zwei erwachsene Personen Material zur Verfügung stellen, musste ich meiner Meinung nach nicht nach weiteren Familienmitgliedern forschen. In Familien, die vernünftig miteinander umgehen, zirkulieren solche Informationen.“
Seit den 1980er-Jahren befasst sich de Lorent mit dem Bildungswesen der Hansestadt während der NS-Zeit. Seit seiner Pensionierung hat er drei Bände über die Verantwortlichen im Senat, in der Schulverwaltung und in den Schulen geschrieben. Die Reihe ist bei der Landeszentrale für politische Bildung erschienen, darum saß die Stadt als Mitbeklagte vor Gericht.
Der Aufsatz über Oscar Toepffer findet sich in Band 2, der 2018 erschien. Toepffer habe – so fasste de Lorent vor Gericht zusammen – persönlich keine Untaten begangen, aber „wer in einer NS-Regierung Verantwortung trägt, hat eine Belastung, kann als Täter oder Mittäter gesehen werden“.
Unter anderem habe Toepffer Albert Henze befördert, der die sogenannte „Swingjugend“ in Hamburg verfolgte und einige der jungen Frauen und Männer ins KZ schickte. Als Senator habe Toepffer „Verantwortung für seine Mitarbeiter“, so de Lorent. Dabei sei Toepffer selbst „durchaus nicht unsympathisch“ gewesen. Auch sei er erst 1937 auf Druck in die NSDAP eingetreten. „Alles, was ihn entlastet, habe ich dargestellt“, sagte der Autor auf den Vorwurf von Joachim Sachs, Toepffer solle „an den Pranger gestellt“ werden. Christel Sachs störte sich bereits an dem Titel „Täterprofile“ – mit diesem Verweis auf strafbare Taten werde das postmortale Persönlichkeitsrecht verletzt.
Richter Thorsten Held schloss sich dieser Meinung nicht an. Dafür bräuchte es eine „grobe Verzerrung des Lebensbildes“ – die sah das Gericht nicht gegeben. Klar sei, dass es um einen „erweiterten Täterbegriff“ gehe.
Dagegen befand Held, dass einige der Briefe urheberrechtlich geschützt sein könnten. Nach Beratungen beider Seiten steht nun ein möglicher Vergleich im Raum: De Lorent könnte wörtliche Zitate durch Beschreibungen und indirekte Rede ersetzen. Den Inhalt würde das nicht schmälern, sagte der Autor.
Ob für die Klägerin der Zweck erreicht sei, den Großvater zu schützen, wage er zu bezweifeln: „Durch dieses Verfahren ist Oscar Toepffer viel bekannter geworden.“
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