piwik no script img

Prozess um Räumungsklage in BremenKaputt saniert und rausgeworfen

Nach langwierigen Bauarbeiten ist das Bad einer Bremerin schlechter als vorher. Sie mindert die Miete – Vonovia reagiert mit der fristlosen Kündigung.

Eine Baustelle im Bad beeinträchtigt das Leben. Besonders blöd, wenn im Nachhinein nix besser wird Foto: Patrick Pleul/dpa

Bremen taz | Die Kündigung kam im Februar – nur eine Woche Zeit gab die Vonovia ihrer langjährigen Mieterin, dann sollten Martina Wetterich und ihr Verlobter raus aus ihrer Bremer Wohnung: Mehr als zwei Monatsmieten, so der Vorwurf, seien die beiden dem Konzern noch schuldig.

Wetterich ist nicht ausgezogen; seit 1999 wohnt sie in ihrer Wohnung im Stadtteil Woltmershausen und sie hat nicht vor, das Haus zu verlassen. Am Dienstagmorgen wurde die Räumungsklage des Wohnungsunternehmens Vonovia vorm Amtsgericht verhandelt; ein Ergebnis steht noch nicht fest – aber der Richter zeigt seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigung deutlich.

1.471 Euro fehlen laut Vonovia in den Mietabrechnungen. Gezahlt hat Wetterich das Geld tatsächlich nicht – allerdings mit Grund und Ankündigung: Beraten vom Verein „Mieter helfen Mietern“ hat sie ihre Miete gemindert, weil sie mehrere Monate lang auf fließend Wasser verzichten musste und dafür mit einer schlechteren Wohnung belohnt wurde.

Gegen ihren Willen hatte die Vonovia 2021 Wetterichs Bad sanieren lassen – ein Bad, das erst 2013 auf ihren Wunsch hin vom damaligen Vermieter barrierefrei modernisiert worden war. Zehn Tage lang sollten die neuen Bauarbeiten im April 2021 dauern. Aber alleine in ihrer Wohnung waren die Handwerker einen Monat unterwegs, Lärm und Dreck dauerten noch länger an, weil nach und nach auch alle benachbarten Wohnungen saniert wurden.

Zwei Monate ohne Wasser

Zwei Monate lang war bei den Mie­te­r*in­nen das Wasser abgestellt, Duschen und Toiletten gab es nur in Sanitärcontainern vor dem Haus, die sich alle Mietparteien teilen mussten. Über Luken lüften konnte man die Container nicht. „Und das in der Hochphase der Pandemie?“, fragt Richter Buns.

Nach den Bauarbeiten, so beschreibt es Wetterich, war nicht etwa alles gut: Das zuvor funktionale Bad weist jetzt einige schwere Mängel auf. Weil die Grundfläche von 2,34 m² auf 1,82 m² verkleinert wurde, hängt jetzt das Waschbecken in die Dusche hinein. „Da fehlt der Platz“, sagt Wetterich auf Befragung des Richters hin, „und der Duschvorhang hängt jetzt ins Waschbecken.“ Auch die Fotos, die die Vonovia anbringt, um den „top Zustand“ des neuen Bades aufzuzeigen, demonstrieren diesen Makel.

Wetterich zählt weitere Probleme auf: Die Dusche ist und war barrierefrei, also ohne Einstieg. Doch früher hatte der Boden im Bad ein ausreichendes Gefälle zum Abfluss hin. „Jetzt fließt das Wasser in den Flur, wenn man zu lange duscht“, sagt Wetterich. Und schließlich hängt der Badezimmerspiegel seit der Sanierung so hoch, dass Wetterich den Hals recken muss, um sich überhaupt sehen zu können.

Vonovia vor Gericht wortkarg

Der für Norddeutschland zuständige Pressesprecher der Vonovia, Christoph Schwarz, bewertet die Historie ganz anders: Bei den ausstehenden Zahlungen sei es um nicht gezahlte Heizkosten gegangen. Es habe vor der Räumungsklage Schriftverkehr inklusive Mahnungen gegeben; und Wetterich habe die Forderung nach einer Mietminderung gar nicht eingereicht.

„Das stimmt so nicht“, meint Wetterichs Anwalt Holger Gautzsch. „Die höheren Heizkosten haben wir nie angezweifelt, die Vonovia schiebt das nur vor, um ihre Kündigung irgendwie begründen zu können.“ Und die Mietminderung habe Wetterich im Mai 2021 angekündigt – die Vonovia habe das nur nicht akzeptiert.

Im Gerichtsprozess kommen die Einwände der Vonovia nicht zur Sprache. Der Anwalt des Konzerns äußert sich zur Sache kaum, stellt wenig Nachfragen und bittet sich nur eine Frist aus, um erneut Stellung zu nehmen. Drei Wochen genehmigt Richter Buns; Ende August soll es weitergehen. Buns macht deutlich, dass er geneigt ist, die Räumungsklage der Vonovia nicht zuzulassen, sollten nicht neue Fakten auftauchen.

Eine fristlose Kündigung ist nämlich nur möglich, wenn insgesamt zwei Monatsmieten auf dem Mietkonto fehlen. Aktuell sind es zwar 2,75 – aber zumindest ein Teil davon wurde wohl zu Recht gemindert, so der Richter. „Bei all dem beschriebenen Mängeln während der Sanierung und im Nachhinein eine Minderungsquote von Null anzulegen, ist völlig daneben“, sagt er.

Kündigung als Einschüchterung?

Wetterich hatte sich schon im Mai 2021 gegen die Sanierungen und die Kommunikation mit der Vonovia gewehrt und einen Protestmarsch zur Bremer Zentrale unternommen. Das Bremer Bündnis gegen Zwangsräumungen sieht auch aufgrund dieser Vorgeschichte in der fristlosen Kündigung eine Einschüchterungstaktik. „Für uns steht Martina vor Gericht, weil sie eine widerständige Mieterin ist, die man so los werden möchte“, sagt Bahne Michels, Sprecher des Bündnisses.

Oftmals reiche die Drohkulisse schon, um Mie­te­r*in­nen zu verschrecken und von Beschwerden abzuhalten, meint er. „Die Menschen haben Angst um ihr Zuhause und wehren sich nicht.“ Dass die Räumungsklage von Anfang an wenig Aussicht auf Erfolg habe – und nebenbei für schlechte Presse sorgen könnte –, das nehme die Vonovia hin.

„Vonovia legt keinen Wert auf ein soziales Image“, sagt Michels. „Die Probleme mit dem Unternehmen sind überall bekannt, aber es macht am Ende einfach keinen Unterschied.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • 6G
    659975 (Profil gelöscht)

    Wie Menschen, wie der Pressesprecher, sich als Person für so ein Unternehmen in die Öffentlichkeit stellen, ohne mit der Wimper zu zucken....Respekt.



    Wahrscheinlich zerspringt bei Herrn Schwarz jeden Morgen der Spiegel, wenn er hinein schaut.



    Aber für Geld machen einige Menschen ja fast alles.

  • Nennt man das Räuberkapitalismus? Was für Menschen sind denn die Bosse in dieser Mafiaorganisation? Wissentlich Tatsachen verdrehen, bewusst gegen Gesetze verstoßen die Moral von widerlichen Mafiabossen zeigen und versuchen, sich die eh schon gefüllten Geldsäcke noch mehr vollzustopfen. So kommen mir die Handelnden einer Partei des Gerichtsverfahrens vor!

  • "Der für Norddeutschland zuständige Pressesprecher " .. ist vor Gericht ein kleiner Wicht.

    Die ganze Führungsbaggage gehört da mal hinzitiert.



    Mit Eier und Tomaten, Dachlatten und Plakaten.