Prozess um Kirchenasyl: Freispruch für Bruder Abraham
Bayerns Staatsanwälte gehen besonders oft gegen Kirchenleute vor, die Flüchtlinge aufnehmen. Dem könnte das OLG jetzt einen Riegel vorgeschoben haben.
Der Mönch der Benediktinerabtei Münsterschwarzach im unterfränkischen Landkreis Kitzingen hatte dem Flüchtling Kirchenasyl gewährt und ihn so vor der Abschiebung nach Rumänien bewahrt.
Einen „Verdacht der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in drei Fällen gemäß §§ 95 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB“ hatte die Staatsanwaltschaft darin gesehen und deswegen eine Geldstrafe von 2.400 Euro gefordert. Dass die Sache überhaupt vor Gericht kam, lag daran, dass die Richterin sich weigerte, den Strafbefehl gegen den Mönch zu unterschreiben und eine mündliche Verhandlung für notwendig erachtete.
Das Urteil im April 2021 in der ersten Instanz war dann bereits eine Überraschung – und eine Watschn für die Staatsanwaltschaft. Es dürfte der erste Freispruch in einem bayerischen Kirchenasylprozess gewesen sein. Abraham Sauer, so argumentierte damals die Richterin Patricia Finkenberger vom Amtsgericht Kitzingen, habe sich zwar einer Straftat schuldig gemacht, als er einen Flüchtling ins Kirchenasyl aufgenommen habe, dessen Asylantrag bereits abgelehnt worden war. Aber die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Benediktinerbruders wögen schwerer.
Richter sehen keine Straftat
Sie habe nicht Gnade vor Recht ergehen lassen, sondern das Grundgesetz direkt angewendet, erklärte Finkenberger dazu später der Main-Post. Das sei zwar selten, aber zulässig, argumentierte die Richterin, eine „juristische Hochseilartistik, die aber wohl auch der nächsten Instanz nicht erspart bleibt“. Eine Auffassung, die die Staatsanwaltschaft Würzburg nicht teilte, weshalb sie in Revision ging.
Das OLG wollte sich nun jedoch nicht aufs Hochseil begeben und kam auf anderem Wege zu demselben Urteil wie die Richterin. Anders als sie wollten die Richter in Bamberg überhaupt keine Straftat von Bruder Abraham sehen, der am Freitag wegen einer Corona-Infektion nicht selbst vor Gericht erschien. Als entscheidend erachtete das OLG vielmehr, das der Mönch sich strikt an eine Vereinbarung zwischen Kirchen und Staat aus dem Jahr 2015 gehalten habe.
Kirchenasyl ist eine christliche Tradition, um bedrohten Menschen Zuflucht zu gewähren. Der Staat achtet das Kirchenasyl seit jeher – ohne dass es hierfür eine gesetzliche Vorgabe gäbe. Auch das BAMF, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, bekennt sich grundsätzlich zum Kirchenasyl. In der Vereinbarung von 2015 sicherte die Behörde dies auch den Kirchen zu, die im Gegenzug versprachen, nur in Härtefällen Kirchenasyl zu gewähren, um hier neue Einzelfallprüfungen zu erreichen.
BAMF prüft laut Kritikern nur noch pro forma
Nachdem auf diese Weise anfangs auch rund 90 Prozent der Bescheide vom BAMF wieder zurückgenommen wurden, monieren Kritiker, dass die Behörde inzwischen dazu übergegangen sei, Fälle nur noch pro forma zu prüfen und in aller Regel auf den ursprünglichen Entscheidungen zu beharren. Das BAMF besteht darauf, dass Flüchtlinge das Kirchenasyl innerhalb von drei Tagen verlassen müssen, wenn keine besondere Härte festgestellt werde. Eine Vorgabe, die nicht von der Vereinbarung von 2015 gedeckt ist. Solange es gar keine ernsthafte Härtefallprüfung gibt, würde sie zudem das Instrument des Kirchenasyls vollends ins Leere laufen lassen.
So führte nun auch das OLG in seinem Urteil aus, es gebe für die Aufnehmenden unabhängig von irgendwelchen Entscheidungen des BAMF keine Pflicht, ein Kirchenasyl aktiv zu beenden.
Inzwischen geht es beim Kirchenasyl in vielen Fällen nur noch darum, den Flüchtlingen so lange einen Unterschlupf zu bieten, bis die Frist abgelaufen sei, in der Dublin-Abschiebungen möglich sind. Um das auszuhebeln und die Frist von sechs auf 18 Monate hochzusetzen, ging das BAMF 2018 dazu über, Flüchtlinge im Kirchenasyl als untergetaucht zu klassifizieren – obwohl das Gericht ihren Aufenthaltsort kannte. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte daher bereits, dass es hierfür keine Grundlage gebe.
Bruder Abraham hatte seine Handlung mit der schlechten Menschenrechtssituation in Ländern wie Rumänien und Ungarn begründet. Flüchtlingen drohten dort körperliche Gewalt und Demütigungen. Deshalb sei das Kirchenasyl die letzte Möglichkeit gewesen, um Unrecht zu verhindern – eine Gewissensentscheidung.
Weitere Verfahren in der Schwebe
Der Freispruch des 50-Jährigen ist rechtskräftig und dürfte auch Auswirkungen auf weitere Verfahren haben. So war Juliana Seelmann, eine Ordensschwester aus dem Kloster Oberzell bei Würzburg, ebenfalls vor dem Amtsgericht Kitzingen in einem vergleichbaren Fall verurteilt worden. Sie hatte zwei Nigerianerinnen Kirchenasyl gewährt, um sie vor Zwangsprostitution in Italien zu bewahren. Gegen die Nonne hatte der Richter eine Verwarnung mit Strafvorbehalt ausgesprochen. Hier steht ebenfalls ein zweitinstanzliches Urteil aus.
Auch Mechthild Thürmer, Äbtissin des Klosters Maria Frieden im fränkischen Kirchschletten, wartet in einem parallelen Fall seit fast zwei Jahren auf ihr Verfahren. Ein erster Gerichtstermin im Sommer 2020 war kurzfristig abgesagt und seither kein neuer angesetzt worden.
In den vergangenen zwei Jahren wurden in Bayern nach Angaben des Justizministeriums 70 Verfahren wegen der Gewährung von Kirchenasyl eingeleitet. In keinem anderen Bundesland strengen Staatsanwälte so oft Verfahren gegen Kirchenleute an. Aktuell soll allein die katholische Kirche im Freistaat etwa 50 Menschen Asyl gewähren.
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